Jules Verne: Die großen Seefahrer des 18. Jahrhunderts - Teil 2. Jules VerneЧитать онлайн книгу.
1738 – 1772
Sobald die beiden Schiffe segelfertig waren, fuhr Kerguelen ab und steuerte nördlich nach dem Archipel der Mahe-Inseln. Während eines wütenden Sturmes ergaben da die Sondierungen der „FORTUNE“ eine bedrohlich abnehmende Wassertiefe von dreißig auf neunzehn, siebzehn und vierzehn Faden. Nun ließ man einen Anker fallen, der in erwünschter Weise eingriff und auch das ganze Unwetter über aushielt.
„Der kommende Tag befreite uns endlich aus dieser unerquicklichen Lage“, schreibt Kerguelen, „da wir weder Land noch Felsen sahen. Die „GROS VENTRE“ trieb drei Meilen von uns unter dem Winde. Sie konnte gar nicht begreifen, dass ich vor Anker lag, da der rollende Donner und die flammenden Blitze das Erkennen oder Hören aller meiner Signale verhindert hatte... Es gibt wohl in der Tat auch kein Beispiel dafür, dass ein Schiff während einer stürmischen Nacht auf offenem Meere an einer unbekannten Bank geankert hätte. Ich machte mich wieder frei, um sondierend weiter zu treiben. Lange Zeit fand ich vierzehn, dann zwanzig, fünf- und achtundzwanzig Faden Wasser. Plötzlich verlor sich der Grund gänzlich, der Beweis, dass wir nur über einen Berggipfel schwammen. Diese neue Bank, welche ich die „Bank der FORTUNE“ nannte, erstreckt sich von Nordwest nach Südost unter 7° 16' südlicher Breite und 55° 50' östlicher Länge.“
Die „FORTUNE“ und „GROS VENTRE“ segelten nun bis zum fünften Breitengrade der von Chevalier de Grenier empfohlenen Route hinauf. Die beiden Befehlshaber überzeugten sich, dass die Winde zu jener Jahreszeit stets aus Osten wehten, sie erreichten die Malediven und passierten Ceylon von der Pointe de Galles bis zur Trinquemalay-Bucht. Bei der Rückkehr war der Monsun umgeschlagen. Die vorherrschenden Winde kamen, der Voraussage de Grenier's entsprechend, jetzt aus Westen und Südwesten. Der von diesem vorgeschlagene Weg bot also unzweifelhafte Vorteile. Die Erfahrung hat diese auch fernerhin so vielfach bestätigt, dass man dort überhaupt keinen anderen mehr einschlägt.
Am 8. Dezember nach Isle der France zurückgekehrt, beschleunigte Kerguelen die Vorbereitungen zu seiner weiteren Reise derart, dass er schon am 12. Januar 1772 die Anker lichten konnte. Er steuerte geraden Weges nach Süden, denn wenn er in dieser Richtung Land entdeckte, musste ja das nächstgelegene für die alte französische Kolonie am wertvollsten sein.
Am 1. Februar schienen zahlreiche Vogelschwärme auf die Nachbarschaft von Land hinzudeuten. Auf das eben herrschende Schneewetter folgten jetzt Hagelschauer. Man hatte gleichzeitig mit schlechtem Wetter, widrigem Winde und grober See zu kämpfen. Das erste Land kam am 12. in Sicht. Am nächsten Tag sah man ein zweites und bald darauf ein ziemlich hohes Vorgebirge. Als die Sonne am folgenden Tage morgens um sieben Uhr die Wolken zerstreute, erkannte man deutlich eine sich auf fünfundzwanzig Meilen erstreckende Küstenlinie. Die Schiffe befanden sich da unter 49° 40' südlicher Breite und 61° 10' östlicher Länge.
Leider folgte jetzt nur ein Sturm auf den anderen, und die Fahrzeuge hatten große Mühe, sich nicht an der Küste festhalten zu lassen. Kerguelen wurde, als er eben ein Boot zum Zwecke eines Landungsversuches abkommandiert hatte, von heftigen Strömungen weit nach Norden verschlagen.
„Als ich mich vom Lande so weit entfernt sah“, berichtet Kerguelen, „überlegten wir, was nun zu tun sei; in Anbetracht des Zustandes meines Mastwerkes musste ich mir sagen, dass ich nicht genügende Segel führen könne, um mich sicher von der Küste frei zu halten, an der uns wegen Mangels einer Schaluppe zur Auslegung der Anker, die ernstlichsten Gefahren bedrohten; dass es bei der nebeligen Witterung so gut wie unmöglich sein werde, die „GROS VENTRE“ wieder aufzufinden, von der ich schon seit mehreren Tagen getrennt war, zumal da der Wind sehr häufig wechselte und wir einen tüchtigen Sturm abgewettert hatten... Diese Betrachtungen und dazu die Überzeugung, dass die „GROS VENTRE“ ein vortreffliches Schiff und für sieben Monate mit Lebensmittel versehen sei, bestimmten mich, nach Isle de France zurückzukehren, wo ich am 16. März eintraf.“
Glücklicherweise war auch der „GROS VENTRE“ kein Unfall zugestoßen. Ihr Boot konnte zu derselben wieder zurückgelangen. De Boisguehenneuc, der ans Land gegangen war, hatte unter Beachtung aller herkömmlichen Formalitäten von demselben Besitz genommen und ein Protokoll darüber in einer Flasche zurückgelassen, welche Kapitän Cook im Jahre 1776 wieder auffand.
Kerguelen kehrte nach Frankreich zurück, wo der Erfolg seiner Reise ihm nicht wenige Feinde erworben hatte. Ihre Gehässigkeit gegen ihn nahm nur noch mehr zu, als er am 1. Januar 1772 vom König zum Schiffskapitän und Ritter des heiligen Ludwig ernannt wurde. Bald verbreiteten sich die schmählichsten Verleumdungen, welche sich sogar bis zu der Beschuldigung erhoben, er habe die begleitende „GROS VENTRE“ absichtlich zu Grunde gehen lassen, um allein die Belohnung für jene Entdeckungen zu genießen, die er mit de Saint Allouarn gemacht hatte.
All' dieses Geschrei verhallte jedoch spurlos bei dem Minister, der Kerguelen vielmehr die Leitung einer zweiten Expedition anvertraute. Das Vollschiff „ROLAND“ und die Fregatte „l’OISEAU“ verließen Brest unter dem Befehle de Saux de Rosnevet's am 26. März 1772.
Nach dem Cap gekommen, sah Kerguelen sich genötigt, vierzig Tage lang still zu liegen. Die ganze Mannschaft war in Folge der Feuchtigkeit des neuen Schiffes an putridem Fieber erkrankt.
„Es erscheint das umso begründeter“, heißt es in dem Berichte, „weil alle trockenen Gemüse, wie Erbsen, Bohnen, Schminkbohnen und Linsen, in den Vorratskammern des Raumes ebenso verdorben waren, wie der Reis und ein Teil des Zwiebacks; die Gemüse hatten sich im Schiffsraume fast in einen Misthaufen umgewandelt, der alles verpestete; auch wimmelte es in denselben von einer Masse weißer Würmer...“
Am 11. Juli verließ die „ROLAND“ das Cap, wurde aber gleich darauf von einem furchtbaren Sturme heimgesucht, der ihr zwei Marsstengen, einen Fock, den kleinen Fockmast und den Besan kostete. Endlich erreichte man mit Notmasten Isle de France.
An Stelle des Roches' und Poivre's, der eifrigen Beförderer der ersten Expedition, waren hier inzwischen de Ternay und der Intendant Maillard getreten. Die letzteren schienen es sich geradezu zur Aufgabe zu machen, der Ausführung der Aufträge Kerguelen's alle nur erdenkbaren Hindernisse zu bereiten. Sie lieferten ihm z. B. weder frische Nahrungsmittel, deren die Mannschaft so notwendig bedurfte, und suchten ihm auch das nötige Holz vorzuenthalten, das zum Ersatz der verlorenen Masten gebraucht wurde; dazu traten sie ihm für dreiundvierzig im Hospital zurückbleibende Matrosen nur lauter bestrafte und unzuverlässige Soldaten ab, deren sie sich sehnsüchtig zu entledigen trachteten. Eine unter solchen Verhältnissen unternommene Fahrt nach den Südseeländern konnte wohl schwerlich ein gutes Ende nehmen. Leider sollte das zur traurigen Wahrheit werden!
Am 5. Januar bekam Kerguelen die schon während seiner ersten Reise entdeckten Länder wieder zu Gesicht und besuchte bis zum 16. mehrere Punkte derselben, wie die Inseln de Croy, Reunion und Roland, welche seinen Messungen nach eine Küstenausdehnung von achtzig Meilen besaßen. Die Witterung blieb stets sehr ungünstig; dichte Nebel, Schnee, Hagelschauer und heftige Windstöße wechselten mit einander ab. Am 21. konnten sich die Schiffe nur durch zeitweilig gelöste Kanonenschüsse in der nötigen Nähe erhalten. Am nämlichen Tage wurde die Kälte so streng, dass mehrere Matrosen auf dem Verdeck bewusstlos zusammenbrachen...
„Die Offiziere“, so berichtet Kerguelen, „erklärten, dass die bisherige tägliche Ration an Schiffszwieback unzureichend sei und die Besatzung ohne Vermehrung derselben bei diesem kalten, dunstigen Wetter nicht ausdauern könne. Ich legte also der Ration für jeden Mann täglich vier Unzen Zwieback zu.“
Am 8. Januar 1774 vereinigte sich die „ROLAND“ wieder mit der Fregatte vor der Insel Reunion. De Rosnevet machte dabei die Mitteilung, dass er einen Ankerplatz oder eine Bucht hinter dem Cap der Franzosen gefunden und am 6. ein Boot zum Sondieren ausgesendet habe, wobei seine Leute ans Land gegangen wären, von demselben Besitz ergriffen und auch mehrere Pinguine und einen Seelöwen erlegt hätten.
Aber auch diesmal hinderte Kerguelen die tiefe Erschöpfung seiner Mannschaft, die schlechte Qualität der Nahrungsmittel und der klägliche Zustand der Schiffe selbst, diesen verlassenen Archipel eingehender zu untersuchen. Er musste leider umkehren. Statt aber nach Isle de France zurück zu segeln, steuerte er nach der Bai von Antogil bei Madagaskar. Es war ihm bekannt, dass er daselbst Zitronen, Limonen, Ananas und andere antiskorbutischen Mittel