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Johann Wolfgang von Goethe: Gesammelte Dramen. Johann Wolfgang von GoetheЧитать онлайн книгу.

Johann Wolfgang von Goethe: Gesammelte Dramen - Johann Wolfgang von Goethe


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      BREME. Ich muß euch sagen, Kinder: jetzt oder niemals!

      ALBERT. Da dürft Ihr uns in Wiesengruben nicht viel vorschwatzen; dazu sind wir fix und fertig. Unsere Leute wollten längst rebellern; ich habe nur immer abgewehrt weil mir Herr Breme immer sagte, es sei noch nicht Zeit, und das ist ein gescheiter Mann, auf den ich Vertrauen habe.

      BREME. Gratias, Gevatter, und ich sage euch: jetzt ist es Zeit.

      ALBERT. Ich glaub's auch.

      PETER. Nehmt mir's nicht übel, das kann ich nicht einsehen; denn wenn's gut aderlassen ist, gut purgieren, gut schröpfen, das steht im Kalender, und darnach weiß ich mich zu richten; aber wenn's just gut rebellern sei, das, glaub' ich, ist viel schwerer zu sagen.

      BREME. Das muß unsereiner verstehen.

      ALBERT. Freilich versteht Ihr's.

      PETER. Aber sagt mir nur, woher's eigentlich kommt, daß Ihr's besser versteht als andere gescheite Leute?

      BREME gravitätisch. Erstlich, mein Freund, weil schon vom Großvater an meine Familie die größten politischen Einsichten erwiesen. Hier dieses Bildnis zeigt euch meinen Großvater Hermann Breme von Bremenfeld, der, wegen großer und vorzüglicher Verdienste zum Burgemeister seiner Vaterstadt erhoben, ihr die größten und wichtigsten Dienste geleistet hat. Dort schwebt sein Andenken noch in Ehren und Segen, wenngleich boshafte, pasquillantische Schauspieldichter seine großen Talente und gewisse Eigenheiten, die er an sich haben mochte, nicht sehr glimpflich behandelten. Seine tiefe Einsicht in die ganze politische und militärische Lage von Europa wird ihm selbst von seinen Feinden nicht abgesprochen.

      PETER. Es war ein hübscher Mann, er sieht recht wohlgenährt aus.

      BREME. Freilich genoß er ruhigere Tage als sein Enkel.

      MARTIN. Habt Ihr nicht auch das Bildnis Eures Vaters?

      BREME. Leider, nein! Doch muß ich euch sagen: die Natur, indem sie meinen Vater Jost Breme von Bremenfeld hervorbrachte, hielt ihre Kräfte zusammen, um euren Freund mit solchen Gaben auszurüsten, durch die er euch nützlich zu werden wünscht. Doch behüte der Himmel, daß ich mich über meine Vorfahren erheben sollte; es wird uns jetzt viel leichter gemacht, und wir können mit geringern natürlichen Vorzügen eine große Rolle spielen.

      MARTIN. Nicht zu bescheiden, Gevatter!

      BREME. Es ist lautre Wahrheit. Sind nicht jetzt der Zeitungen, der Monatsschriften, der fliegenden Blätter so viel, aus denen wir uns unterrichten, an denen wir unsern Verstand üben können! Hätte mein seliger Großvater nur den tausendsten Teil dieser Hilfsmittel gehabt, er wäre ein ganz anderer Mann geworden. Doch Kinder, was rede ich von mir! Die Zeit vergeht, und ich fürchte, der Tag bricht an. Der Hahn macht uns aufmerksam, daß wir uns kurz fassen sollen. Habt ihr Mut?

      ALBERT. An mir und den Meinigen soll's nicht fehlen.

      PETER. Unter den Meinigen findet sich wohl einer, der sich an die Spitze stellt; ich verbitte mir den Auftrag.

      MARTIN. Seit den paar letzten Predigten, die der Magister hielt, weil der alte Pfarrer so krank liegt, ist das ganze große Dorf hier in Bewegung.

      BREME. Gut! so kann was werden. Ich habe ausgerechnet, daß wir über sechshundert Mann stellen können. Wollt ihr, so ist in der nächsten Nacht alles getan.

      MARTIN. In der nächsten Nacht?

      BREME. Es soll nicht wieder Mitternacht werden, und ihr sollt wieder haben alles, was euch gebührt, und mehr dazu.

      PETER. So geschwind? wie wäre das möglich?

      ALBERT. Geschwind oder gar nicht.

      BREME. Die Gräfin kommt heute an, sie darf sich kaum besinnen. Rückt nur bei einbrechender Nacht vor das Schloß und fordert eure Rechte, fordert eine neue Ausfertigung des alten Reverses, macht euch noch einige kleine Bedingungen, die ich euch schon angeben will, laßt sie unterschreiben, laßt sie schwören, und so ist alles getan.

      PETER. Vor einer solchen Gewalttätigkeit zittern mir Arm und Beine.

      ALBERT. Narr! Wer Gewalt braucht, darf nicht zittern.

      MARTIN. Wie leicht können sie uns aber ein Regiment Dragoner über den Hals ziehen. So arg dürfen wir's doch nicht machen. Das Militär, der Fürst, die Regierung würden uns schön zusammenarbeiten.

      BREME. Gerade umgekehrt. Das ist's eben, worauf ich fuße. Der Fürst ist unterrichtet, wie sehr das Volk bedrückt sei. Er hat sich über die Unbilligkeit des Adels, über die Langweiligkeit der Prozesse, über die Schikane der Gerichtshalter und Advokaten oft genug deutlich und stark erklärt, so daß man voraussetzen kann: er wird nicht zürnen, wenn man sich Recht verschafft, da er es selbst zu tun gehindert ist.

      PETER. Sollte das gewiß sein?

      ALBERT. Es wird im ganzen Lande davon gesprochen.

      PETER. Da wäre noch allenfalls was zu wagen.

      BREME. Wie ihr zu Werke gehen müßt, wie vor allen Dingen der abscheuliche Gerichtshalter beiseite muß, und auf wen noch mehr genau zu sehen ist, das sollt ihr alles noch vor Abend erfahren. Bereitet eure Sachen vor, regt eure Leute an und seid mir um sechse beim Herrenbrunnen. Daß Jakob nicht kommt, macht ihn verdächtig; ja es ist besser, daß er nicht gekommen ist. Gebt auf ihn acht, daß er uns wenigstens nicht schade; an dem Vorteil, den wir uns erwerben, wird er schon teilnehmen wollen. Es wird Tag; lebt wohl und bedenkt nur, daß, was geschehen soll, schon geschehen ist. Die Gräfin kommt eben erst von Paris zurück, wo sie das alles gesehn und gehört hat, was wir mit so vieler Verwunderung lesen; vielleicht bringt sie schon selbst mildere Gesinnungen mit, wenn sie gelernt hat, was Menschen, die zu sehr gedrückt werden, endlich für ihre Rechte tun können und müssen.

      MARTIN. Lebt wohl, Gevatter, lebt wohl! Punkt sechse bin ich am Herrenbrunnen.

      ALBERT. Ihr seid ein tüchtiger Mann! Lebt wohl.

      PETER. Ich will Euch recht loben, wenn's gut abläuft.

      MARTIN. Wir wissen nicht, wie wir's Euch danken sollen.

      BREME mit Würde. Ihr habt Gelegenheit genug, mich zu verbinden. Das kleine Kapital zum Exempel von zweihundert Talern, das ich der Kirche schuldig bin, erlaßt ihr mir ja wohl.

      MARTIN. Das soll uns nicht reuen.

      ALBERT. Unsere Gemeine ist wohlhabend und wird auch gern was für Euch tun.

      BREME. Das wird sich finden. Das schöne Fleck, das Gemeindegut war und das der Gerichtshalter zum Garten einzäunen und umarbeiten lassen, das nehmt ihr wieder in Besitz und überlaßt mir's.

      ALBERT. Das wollen wir nicht ansehen, das ist schon verschmerzt.

      PETER. Wir wollen auch nicht zurückbleiben.

      BREME. Ihr habt selbst einen hübschen Sohn und ein schönes Gut; dem könnt' ich meine Tochter geben. Ich bin nicht stolz, glaubt mir, ich bin nicht stolz. Ich will Euch gern meinen Schwäger heißen.

      PETER. Das Mamsellchen ist hübsch genug; nur ist sie schon zu vornehm erzogen.

      BREME. Nicht vornehm, aber gescheit. Sie wird sich in jeden Stand zu finden wissen. Doch darüber läßt sich noch vieles reden. Lebt jetzt wohl, meine Freunde, lebt wohl!

      ALLE. So lebt denn wohl!

      Zweiter Aufzug

      Erster Auftritt

      Vorzimmer der Gräfin. Sowohl im Fond als an den Seiten hängen adelige Familienbilder in mannigfaltigen geistlichen und weltlichen Kostümen.

      Der Amtmann tritt herein, und indem er sich umsieht, ob niemand da ist, kommt Luise von der andern Seite.

      AMTMANN. Guten Morgen, Demoiselle! Sind Ihro Exzellenz zu sprechen? Kann ich meine untertänigste Devotion zu Füßen legen?

      LUISE. Verzeihen Sie einigen Augenblick, Herr Amtmann Die Frau Gräfin wird gleich herauskommen. Die Beschwerlichkeiten der Reise


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