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Johann Wolfgang von Goethe: Gesammelte Dramen. Johann Wolfgang von GoetheЧитать онлайн книгу.

Johann Wolfgang von Goethe: Gesammelte Dramen - Johann Wolfgang von Goethe


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mit an der allgemeinen Gleichheit, und da hält er wahrscheinlich die Hasen auch mit für seinesgleichen und scheut sich, ihnen was zuleide zu tun.

      GRÄFIN. Zieht euch an, Kinder, damit wir nicht zu warten brauchen. Sobald der Hofrat kommt, wollen wir essen. Ab.

      FRIEDERIKE ihre Flinte besehend. Ich habe die französische Revolution schon so oft verwünscht, und jetzt tu' ich's doppelt und dreifach. Wie kann mir nun der Schaden ersetzt werden, daß meine Flinte rostig ist?

      Dritter Aufzug

      Erster Auftritt

      Saal im Schlosse.

      Gräfin. Hofrat.

      GRÄFIN. Ich geb' es Ihnen recht aufs Gewissen, teurer Freund. Denken Sie nach, wie wir diesem unangenehmen Prozesse ein Ende machen. Ihre große Kenntnis der Gesetze, Ihr Verstand und Ihre Menschlichkeit helfen gewiß ein Mittel finden, wie wir aus dieser widerlichen Sache scheiden können. Ich habe es sonst leichter genommen, wenn man unrecht hatte und im Besitz war: je nun, dacht' ich, es geht ja wohl so hin, und wer hat, ist am besten dran. Seitdem ich aber bemerkt habe, wie sich Unbilligkeit von Geschlecht zu Geschlecht so leicht aufhäuft, wie großmütige Handlungen meistenteils nur persönlich sind und der Eigennutz allein gleichsam erblich wird; seitdem ich mit Augen gesehen habe, daß die menschliche Natur auf einen unglaublichen Grad gedrückt und erniedrigt, aber nicht unterdrückt und vernichtet werden kann: so habe ich mir fest vorgenommen, jede einzelne Handlung, die mir unbillig scheint, selbst streng zu vermeiden und unter den Meinigen, in Gesellschaft, bei Hof, in der Stadt über solche Handlungen meine Meinung laut zu sagen. Zu keiner Ungerechtigkeit will ich mehr schweigen, keine Kleinheit unter einem großen Scheine ertragen, und wenn ich auch unter dem verhaßten Namen einer Demokratin verschrien werden sollte.

      HOFRAT. Es ist schön, gnädige Gräfin, und ich freue mich, Sie wiederzufinden, wie ich Abschied von Ihnen genommen, und noch ausgebildeter. Sie waren eine Schülerin der großen Männer, die uns durch ihre Schriften in Freiheit gesetzt haben, und nun finde ich in Ihnen einen Zögling der großen Begebenheiten, die uns einen lebendigen Begriff geben von allem, was der wohldenkende Staatsbürger wünschen und verabscheuen muß. Es ziemt Ihnen, Ihrem eignen Stande Widerpart zu halten. Ein jeder kann nur seinen eignen Stand beurteilen und tadeln. Aller Tadel heraufwärts oder hinabwärts ist mit Nebenbegriffen und Kleinheiten vermischt, man kann nur durch seinesgleichen gerichtet werden. Aber eben deswegen, weil ich ein Bürger bin, der es zu bleiben denkt, der das große Gewicht des höheren Standes im Staate anerkennt und zu schätzen Ursache hat, bin ich auch unversöhnlich gegen die kleinlichen neidischen Neckereien, gegen den blinden Haß, der nur aus eigner Selbstigkeit erzeugt wird, prätentios Prätentionen bekämpft, sich über Formalitäten formalisiert und, ohne selbst Realität zu haben, da nur Schein sieht, wo er Glück und Folge sehen könnte. Wahrlich! wenn alle Vorzüge gelten sollen, Gesundheit, Schönheit, Jugend, Reichtum, Verstand, Talente, Klima, warum soll der Vorzug nicht auch irgendeine Art von Gültigkeit haben, daß ich von einer Reihe tapferer, bekannter, ehrenvoller Väter entsprungen bin! Das will ich sagen da, wo ich eine Stimme habe, und wenn man mir auch den verhaßten Namen eines Aristokraten zueignete.

      Hier findet sich eine Lücke, welche wir durch Erzählung ausfüllen. Der trockne Ernst dieser Szene wird dadurch gemildert, daß der Hofrat seine Neigung zu Luisen bekennt, indem er sich bereit zeigt, ihr seine Hand zu geben. Ihre frühern Verhältnisse, vor dem Umsturz, den Luisens Familie erlitt, kommen zur Sprache, so wie die stillen Bemühungen des vorzüglichen Mannes, sich und zugleich Luisen eine Existenz zu verschaffen.

      Eine Szene zwischen der Gräfin, Luisen und dem Hofrat gibt Gelegenheit, drei schöne Charaktere näher kennen zu lernen und uns für das, was wir in den nächsten Auftritten erdulden sollen, vorläufig einigermaßen zu entschädigen. Denn nun versammelt sich um den Teetisch, wo Luise einschenkt, nach und nach das ganze Personal des Stücks, so daß zuletzt auch die Bauern eingeführt werden. Da man sich nun nicht enthalten kann, von Politik zu sprechen, so tut der Baron, welcher Leichtsinn, Frevel und Spott nicht verbergen kann, den Vorschlag, sogleich eine Nationalversammlung vorzustellen. Der Hofrat wird zum Präsidenten erwählt, und die Charaktere der Mitspielenden, wie man sie schon kennt, entwickeln sich freier und heftiger. Die Gräfin, das Söhnchen mit verbundenem Kopfe neben sich, stellt die Fürstin vor, deren Ansehen geschmälert werden soll und die aus eigenen liberalen Gesinnungen nachzugeben geneigt ist. Der Hofrat, verständig und gemäßigt, sucht ein Gleichgewicht zu erhalten, ein Bemühen, das jeden Augenblick schwieriger wird. Der Baron spielt die Rolle des Edelmanns, der von seinem Stande abfällt und zum Volke übergeht. Durch seine schelmische Verstellung werden die andern gelockt, ihr Innerstes hervorzukehren. Auch Herzensangelegenheiten mischen sich mit ins Spiel. Der Baron verfehlt nicht, Karolinen die schmeichelhaftesten Sachen zu sagen, die sie ihren schönsten Gunsten auslegen kann. An der Heftigkeit, womit Jakob die Gerechtsame des gräflichen Hauses verteidigt, läßt sich eine stille, unbewußte Neigung zu der jungen Gräfin nicht verkennen. Luise sieht in allem diesen nur die Erschütterung des häuslichen Glücks, dem sie sich so nahe glaubt, und wenn die Bauern mitunter schwerfällig werden, so erheitert Bremenfeld die Szene durch seinen Dünkel, durch Geschichten und guten Humor. Der Magister, wie wir ihn schon kennen, überschreitet vollkommen die Grenze, und da der Baron immerfort hetzt, läuft es endlich auf Persönlichkeiten hinaus, und als nun vollends die Brausche des Erbgrafen als unbedeutend, ja lächerlich behandelt wird, so bricht die Gräfin los, und die Sache kommt so weit, daß dem Magister aufgekündigt wird. Der Baron verschlimmert das Übel, und er bedient sich, da der Lärm immer stärker wird, der Gelegenheit, mehr in Karolinen zu dringen und sie zu einer heimlichen Zusammenkunft für die Nacht zu bereden. Bei allem diesen zeigt sich die junge Gräfin entschieden heftig, parteiisch auf ihren Stand, hartnäckig auf ihren Besitz, welche Härte jedoch durch ein unbefangenes, rein natürliches und im tiefsten Grunde rechtliches weibliches Wesen bis zur Liebenswürdigkeit gemildert wird. Und so läßt sich einsehen, daß der Akt ziemlich tumultuarisch und, insofern es der bedenkliche Gegenstand erlaubt, für das Gefühl nicht ganz unerträglich geendigt wird. Vielleicht bedauert man, daß der Verfasser die Schwierigkeiten einer solchen Szene nicht zur rechten Zeit zu überwinden bemüht war.

      Vierter Aufzug

      Erster Auftritt

      Bremens Wohnung.

      Breme. Martin. Albert.

      BREME. Sind eure Leute alle an ihren Posten? Habt ihr sie wohl unterrichtet? Sind sie gutes Muts?

      MARTIN. Sobald Ihr mit der Glocke stürmt, werden sie alle da sein.

      BREME. So ist's recht! Wenn im Schlosse die Lichter alle aus sind, wenn es Mitternacht ist, soll es gleich angehen. Unser Glück ist's, daß der Hofrat fort geht. Ich fürchtete sehr, er möchte bleiben und uns den ganzen Spaß verderben.

      ALBERT. Ich fürchte so noch immer, es geht nicht gut ab. Es ist mir schon zum voraus bange, die Glocke zu hören.

      BREME. Seid nur ruhig. Habt ihr nicht heute selbst gehört, wie übel es jetzt mit den vornehmen Leuten steht? Habt ihr gehört, was wir der Gräfin alles unters Gesicht gesagt haben?

      MARTIN. Es war ja aber nur zum Spaß.

      ALBERT. Es war schon zum Spaße grob genug.

      BREME. Habt ihr gehört, wie ich eure Sache zu verfechten weiß? wenn's Ernst gilt, will ich so vor den Kaiser treten. Und was sagt ihr zum Herrn Magister, hat sich der nicht auch wacker gehalten?

      ALBERT. Sie haben's Euch aber auch brav abgegeben. Ich dachte zuletzt, es würde Schläge setzen; und unsere junge gnädige Comtesse – war's doch, als wenn ihr seliger Herr Vater leibhaftig da stünde.

      BREME. Laßt mir das gnädige weg, es wird sich bald nichts mehr zu gnädigen haben. Seht, hier hab' ich die Briefe schon fertig, die schick' ich in die benachbarten Gerichtsdörfer. Sobald's hier losgeht, sollen die auch stürmen und rebellieren und auch ihre Nachbarn auffordern.

      MARTIN. Das kann was werden.

      BREME. Freilich! Und alsdann Ehre, dem Ehre gebührt! euch, meine lieben Kinder. Ihr werdet als die Befreier des Landes angesehn.

      MARTIN. Ihr,


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