Johann Wolfgang von Goethe: Gesammelte Dramen. Johann Wolfgang von GoetheЧитать онлайн книгу.
gar nichts. Es wäre besser, daß man ein Exempel statuierte. Da kommt er eben recht.
AMTMANN. Ich höre, daß des Herrn Hofrats Wohlgeboren noch vor ihrer Abreise mir etwas zu sagen haben. Ich komme, dessen Befehle zu vernehmen.
FRIEDERIKE indem sie die Büchse nimmt. Verziehen Sie einen Augenblick, er wird gleich wieder hier sein. Sie schüttet Pulver auf die Pfanne.
AMTMANN. Was machen Sie da, gnädige Gräfin?
FRIEDERIKE. Ich habe die Büchse auf morgen früh geladen, da soll ein alter Hirsch fallen.
AMTMANN. Ei, ei! schon heute geladen und Pulver auf die Pfanne, das ist verwegen! wie leicht kann da ein Unglück geschehen.
FRIEDERIKE. Ei was! Ich bin gern fix und fertig. Sie hebt das Gewehr auf und hält es, gleichsam zufällig, gegen ihn.
AMTMANN. Ei, gnädige Gräfin, kein geladen Gewehr jemals auf einen Menschen gehalten! Da kann der Böse sein Spiel haben.
FRIEDERIKE in der vorigen Stellung. Hören Sie, Herr Amtmann, ich muß Ihnen ein Wort im Vertrauen sagen: – daß Sie ein erzinfamer Spitzbube sind.
AMTMANN. Welche Ausdrücke, meine Gnädige! – Tun Sie die Büchse weg.
FRIEDERIKE. Rühre dich nicht vom Platz, verdammter Kerl! Siehst du, ich spanne, siehst du, ich lege an! Du hast ein Dokument gestohlen –
AMTMANN. Ein Dokument? ich weiß von keinem Dokumente.
FRIEDERIKE. Siehst du, ich steche, es geht alles in der Ordnung, und wenn du nicht auf der Stelle das Dokument herausgibst oder mir anzeigst, wo es sich befindet, oder was mit ihm vorgefallen, so rühr' ich diese kleine Nadel, und du bist auf der Stelle mausetot.
AMTMANN. Um Gottes willen!
FRIEDERIKE. Wo ist das Dokument?
AMTMANN. Ich weiß nicht – Tun Sie die Büchse weg – Sie könnten aus Versehen –
FRIEDERIKE wie oben. Aus Versehen oder mit Willen bist du tot. Rede, wo ist das Dokument?
AMTMANN. Es ist – verschlossen.
Neunter Auftritt
Gräfin. Hofrat. Die Vorigen.
GRÄFIN. Was gibt 's hier?
HOFRAT. Was machen Sie?
FRIEDERIKE immer zum Amtmann. Rühren Sie sich nicht, oder Sie sind des Todes! wo verschlossen?
AMTMANN. In meinem Pulte.
FRIEDERIKE. Und in dem Pulte! wo?
AMTMANN. Zwischen einem Doppelboden.
FRIEDERIKE. Wo ist der Schlüssel?
AMTMANN. In meiner Tasche.
FRIEDERIKE. Und wie geht der doppelte Boden auf?
AMTMANN. Durch einen Druck an der rechten Seite.
FRIEDERIKE. Heraus den Schlüssel!
AMTMANN. Hier ist er.
FRIEDERIKE. Hingeworfen!
AMTMANN wirft ihn auf die Erde.
FRIEDERIKE. Und die Stube?
AMTMANN. Ist offen.
FRIEDERIKE. Wer ist drinnen?
AMTMANN. Meine Magd und mein Schreiber.
FRIEDERIKE. Sie haben alles gehört, Herr Hofrat. Ich habe Ihnen ein umständliches Gespräch erspart. Nehmen Sie den Schlüssel und holen Sie das Dokument. Bringen Sie es nicht zurück, so hat er gelogen, und ich schieße ihn darum tot.
HOFRAT. Lassen Sie ihn mitgehen; bedenken Sie, was Sie tun.
FRIEDERIKE. Ich weiß, was ich tue. Machen Sie mich nicht wild und gehen Sie. Hofrat ab.
GRÄFIN. Meine Tochter, du erschreckst mich. Tu das Gewehr weg!
FRIEDERIKE. Gewiß nicht eher, als bis ich das Dokument sehe.
GRÄFIN. Hörst du nicht? deine Mutter befiehlt's.
FRIEDERIKE. Und wenn mein Vater aus dem Grabe aufstünde, ich gehorchte nicht.
GRÄFIN. Wenn es losginge!
FRIEDERIKE. Welch Unglück wäre das?
AMTMANN. Es würde Sie gereuen.
FRIEDERIKE. Gewiß nicht. Erinnerst du dich noch, Nichtswürdiger, als ich vorm Jahr im Zorn nach dem Jägerburschen schoß, der meinen Hund prügelte, erinnerst du dich noch, da ich ausgescholten wurde und alle Menschen den glücklichen Zufall priesen, der mich hatte fehlen lassen, da warst du's allein, der hämisch lächelte und sagte: Was wär' es denn gewesen? ein Kind aus einem vornehmen Hause! das wäre mit Geld abzutun. Ich bin noch immer ein Kind, ich bin noch immer aus einem vornehmen Hause; so müßte das wohl auch mit Geld abzutun sein.
HOFRAT kommt zurück. Hier ist das Dokument.
FRIEDERIKE. Ist es? Sie bringt das Gewehr in Ruh.
GRÄFIN. Ist's möglich?
AMTMANN. O ich Unglücklicher!
FRIEDERIKE. Geh! Elender! daß deine Gegenwart meine Freude nicht vergälle!
HOFRAT. Es ist das Original.
FRIEDERIKE. Geben Sie mir's. Morgen will ich's den Gemeinden selbst zeigen und sagen, daß ich's ihnen erobert habe.
GRÄFIN sie umarmend. Meine Tochter!
FRIEDERIKE. Wenn mir der Spaß nur die Lust an der Jagd nicht verdirbt. Solch ein Wildpret schieß' ich nie wieder!
Fünfter Aufzug
Nacht, trüber Mondschein.
Das Theater stellt einen Teil des Parks vor, der früher beschrieben worden. Rauhe steile Felsenbänke, auf denen ein verfallenes Schloß. Natur und Mauerwerk ineinander verschränkt. Die Ruine sowie die Felsen mit Bäumen und Büschen bewachsen. Eine dunkle Kluft deutet auf Höhlen, wo nicht gar unterirdische Gänge.
Friederike, fackeltragend, die Büchse unterm Arm, Pistolen im Gürtel, tritt aus der Höhle, umherspürend. Ihr folgt die Gräfin, den Sohn an der Hand. Auch Luise. Sodann der Bediente, mit Kästchen beschwert. Man erfährt, daß von hier ein unterirdischer Gang zu den Gewölben des Schlosses reicht, daß man die Schloßpforten gegen die andringenden Bauern verriegelt, daß die Gräfin verlangt habe, man solle ihnen aus dem Fenster das Dokument ankündigen und zeigen und so alles beilegen. Friederike jedoch sei nicht zu bewegen gewesen, sich in irgendeine Kapitulation einzulassen, noch sich einer Gewalt, selbst nach eigenen Absichten, zu fügen. Sie habe vielmehr die Ihrigen zur Flucht genötigt, um auf diesem geheimen Wege ins Freie zu gelangen und den benachbarten Sitz eines Anverwandten zu erreichen. Eben will man sich auf den Weg machen, als man oben in der Ruine Licht sieht, ein Geräusch hört. Man zieht sich in die Höhle zurück. Herunter kommen Jakob, der Hofrat und eine Partei Bauern. Jakob hatte sie unterwegs angetroffen und sie zu Gunsten der Herrschaft zu bereden gesucht. Der Wagen des wegfahrenden Hofrats war unter sie gekommen. Dieser würdige Mann verbindet sich mit Jakob und kann das Hauptargument, daß der Originalrezeß gefunden sei, allen übrigen Beweggründen hinzufügen. Die aufgeregte Schar wird beruhigt, ja sie entschließt sich, den Damen zu Hilfe zu kommen.
Friederike, die gelauscht hat, nun von allem unterrichtet, tritt unter sie, dem Hofrat und dem jungen Landmann sehr willkommen, auch den übrigen durch die Vorzeigung des Dokuments höchst erwünscht.
Eine früher ausgesendete Patrouille dieses Trupps kommt zurück und meldet, daß ein Teil der Aufgeregten vom Schlosse her im Anmarsche sei. Alles verbirgt sich, teils in der Höhle, teils in Felsen und Gemäuer.
Breme mit einer Anzahl bewaffneter Bauern tritt auf, schilt auf den Magister, daß er außen geblieben, und erklärt die Ursache, warum er einen Teil der Mannschaft in den Gewölben des Schlosses ge lassen und mit dem andern sich hieher verfügt. Er weiß das Geheimnis des unterirdischen