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Unwiederbringlich. Theodor FontaneЧитать онлайн книгу.

Unwiederbringlich - Theodor Fontane


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so ganz genügen Sie ihr auch nicht, schon deshalb nicht, weil Sie, Gott sei Dank, ohne das pietistische Kolorit von ›Blümelein und Engelein‹ sind, aber Ihr Standpunkt ist wenigstens der korrekte. Die Temperatur Ihres Bekenntnisses ist ihr nicht hochgradig genug, indessen das Bekenntnis selbst läßt sie wenigstens gelten, und weil sie das tut, hört sie nicht bloß Ihren Rat, sondern unterwirft sich ihm auch. Was etwas sagen will.«

      Als Arne so plauderte, waren sie bis an eine Stelle gekommen, wo sich der Dünenzug nach dem Meer hin öffnete. Die Brandung wurde jetzt sichtbar, und weiter hinaus sah man Fischerboote, die mit eingerefftem Segel still in dem hellen Mondlicht lagen. Am Horizont stieg eine Rakete auf, und Leuchtkugeln fielen nieder.

      Arne hatte halten lassen. »Entzückend. Das ist der von Korsör kommende Dampfer. Vielleicht ist der König an Bord und will noch ein paar Wochen in Glücksburg zubringen. Ich habe schon gehört, daß sie wieder etwas im Moor gefunden haben, bei Süderbrarup oder sonstwo, vielleicht ein Wikingschiff oder eine Lustjacht von Kanut dem Großen. Hoffentlich geht dieser Kelch an uns vorüber. Was mich persönlich angeht, ich lese lieber ›David Copperfield‹ oder die ›Drei Musketiere‹. Diese Moorfunde, Kämme und Nadeln oder wohl gar eine verfitzte Masse, worüber Thomsen und Worsaae sich streiten und nicht feststellen können, ob es ein Wurzelgefaser oder der Schopf eines Seekönigs ist, können mich nicht interessieren, und die königlichen Frühstücke, bei denen der Liqueurkasten die Hauptrolle spielt, wenn es nicht gar die Gräfin Danner putzmacherlichen Angedenkens ist, sind mir eigentlich geradezu zuwider. Ich weiche sonst in allem von meiner Schwester ab, auch noch da, wo sie recht hat und nur leider zuviel Aufhebens von ihrem Rechte macht, aber in diesem Stücke kann ich ihr nur zustimmen und begreife Holk nicht, daß er mit der Geschichte drüben nicht aufräumt und ein Gefallen daran findet, sich in dem Prinzessinnen-Palais nach wie vor in seiner Kammerherrn-Uniform herumzuzieren. Daß es ihm sein schleswig-holsteinisches Herz nicht verbietet, will ich hingehen lassen, denn solange der König lebt, ist er nun mal unser König und Herzog. Aber ich find es nicht klug und weise. Das Leben mit der Danner konserviert nicht, ich meine den König, und über Nacht kann es vorbei sein. Er ist ohnehin ein Apoplektikus. Und was dann?«

      »Ich glaube nicht, daß sich Holk mit dieser Frage beschäftigt. Er ist ein Augenblicksmensch und hält zu dem alten Troste: Nach uns die Sündflut.«

      »Sehr wahr. Augenblicksmensch. Und daß es so ist, das ist auch wieder einer von den Punkten, die meine Schwester ihm nicht verzeihen kann und worin ich mich abermals auf ihre Seite stellen muß. Aber lassen wir das; ich habe gerade heute nicht Lust, die Tugenden meiner Schwester aufzuzählen, es kommt mir heute mehr auf ›les défauts de ses vertus‹ an, die wir, lieber Schwarzkoppen, gemeinschaftlich bekämpfen müssen, sonst erleben wir etwas sehr Unliebsames. Das ist mir sicher, und ungewiß ist mir nur, wer den ersten Schritt tun wird, den ersten Schritt zum Unheil. Holk ist in fast zu weitgehender Anbetung und Ritterlichkeit die Nachgiebigkeit und Bescheidenheit selbst; er hat sich angewöhnt, sich seiner Frau gegenüber immer in die zweite Linie zu stellen. Natürlich. Erst imponierte ihm ihre Schönheit (sie war wirklich sehr schön und ist es eigentlich noch), und dann imponierte ihm ihre Klugheit oder doch das, was er dafür hielt, und dann imponierte ihm, und vielleicht am meisten, ihre Frömmigkeit. Aber seit einiger Zeit, und leider in zu rasch wachsendem Grade, bereitet sich ein Umschwung in ihm vor; er ist ungeduldig, anzüglich, ironisch, und erst heute nachmittag wieder fiel es mir auf, wie sehr er sich in seinem Tone verändert hat. Entsinnen Sie sich noch, als von den Marmorkrippen die Rede war. Nun, meine Schwester nahm die mehr oder weniger scherzhafte Sache wie gewöhnlich wieder ganz ernsthaft und antwortete halb gereizt, halb sentimental. Noch vor zwei, drei Jahren hätte Holk das hingehen lassen, aber heute gab er ihr alles spitz zurück und spöttelte, daß ihr bloß wohl sei, wenn sie von Gruft und Kapelle sprechen und einen aus bloßer Taille bestehenden Engel malen lassen könne.«

      Schwarzkoppen hatte das alles mit einem gelegentlichen »Nur zu wahr« begleitet, und an seiner Zustimmung war nicht zu zweifeln. Nun aber schwieg Arne, weil ihm die bloße Zustimmung nicht genug war und er gern ein ausführliches Wort von seiten Schwarzkoppens hören wollte. Dieser verriet indessen wenig Lust, das Thema weiter fortzuspinnen: es war ihm ein zu heißes Eisen, und nach Arnewiek hinüberweisend, das in eben diesem Augenblick jenseits einer tief einbuchtenden Förde sichtbar wurde, sagte er: »Wie reizend die Stadt im Mondlichte daliegt! Und wie der Damm drüben die Dächer ordentlich abschneidet und dazu die Giebel zwischen den Pappeln und Weiden! Und nun Sankt Katharinen! Hören Sie, wie's herüberklingt. Ich segne die Stunde, die mich hierher in Ihr schönes Land geführt.«

      »Und dafür sollen Sie bedankt sein, Schwarzkoppen. Jeder hört es gern, wenn man ihm seine Heimat preist. Aber Sie wollen mir bloß entschlüpfen. Ich fordere Sie auf, mir beizustehen in dieser schwierigen Sache, die viel schwieriger liegt, als Sie vermuten können, und Sie zeigen auf den Damm drüben und sagen mir, daß er die Dächer abschneidet. Versteht sich, tut er das. Aber damit kommen Sie mir nicht los. Sie müssen meiner Schwester, bei dem Einfluß, den Sie auf sie haben, von der Bibelseite her beizukommen und ihr aus einem halben Dutzend Stellen zu beweisen suchen, daß das nicht so ginge, daß das alles nur Selbstgerechtigkeit sei, daß die rechte Liebe von diesem versteckten Hochmut, der nur in Demutsallüren einhergeht, nichts wissen wolle, mit anderen Worten, daß sie sich ändern und ihrem Manne zu Willen sein müsse, statt ihm das Haus zu verleiden. Ja, Sie können hinzusetzen, und halb entspricht es auch der Wahrheit, daß er die ganze Kopenhagener Stellung wahrscheinlich längst aufgegeben hätte, wenn er nicht froh wäre, dann und wann aus dem Druck herauszukommen, den die Tugenden seiner Frau, meiner geliebten und verehrten Frau Schwester, auf ihn ausüben.«

      »Ach, lieber Baron«, nahm jetzt Schwarzkoppen das Wort, »ich will Ihnen nicht eigentlich entschlüpfen, das ist es nicht, es fehlt mir nicht der gute Wille, nach meiner Kraft mitzuwirken, denn ich sehe die Gefahr, wie Sie sie sehen. Aber mit dem guten Willen ist wenig getan. Wenn Ihre Frau Schwester statt eine protestantische Gräfin eine katholische Gräfin und wenn ich selber statt ein Seminardirektor in Arnewiek ein Redemptoristen- oder wohl gar ein Jesuitenpater wäre, so wäre die Sache sehr einfach. Aber so liegt sie nicht. Von Autorität keine Rede. Alles rein gesellschaftlich, und wenn ich Miene machen wollte, den Seelenarzt, den Beichtvater zu spielen, so wär ich ein Eindringling und täte etwas, was mir nicht zukommt.«

      »Eindringling«, lachte Arne. »Ich kann doch nicht annehmen , Schwarzkoppen, daß Ihnen Petersen Sorge macht, der mit seinen beinahe Achtzig nachgerade an einem Punkt steht, wo das Rivalisieren und Übelnehmen aufhört.«

      »Nicht Petersen«, sagte Schwarzkoppen. »Der hat freilich die kleinen Eitelkeiten, die sonst nirgends größer sind als bei meinen pastoralen Amtsbrüdern, längst hinter sich geworfen und würde mir die Rolle des Bekehrers und Wundertäters gönnen. Aber was einem der Zufall bietet, darf man nicht immer ausnutzen. Es spricht hier so vieles dagegen, erschwert und mahnt zur Vorsicht.«

      »Also abgelehnt.«

      »Nein, nicht abgelehnt. Ich will tun, was in meinen Kräften steht, aber es kann nur ein ganz Geringes sein. Schon aus äußerlichen Gründen. Ich bin im Amt, und der Weg bis Holkenäs ist nicht allzu nah, so wird sich das ›bei Gelegenheit‹, wovon Sie sprachen, nicht allzu oft einstellen können. Aber die Hauptschwierigkeit ist doch immer die Gräfin selbst. Ich habe kaum eine Dame kennengelernt, der ich eine größere Verehrung entgegenbrächte. Sie gesellt zu den Vorzügen einer vornehmen Dame zugleich alle Tugenden einer christlichen Frau. Sie will jeden Augenblick das Beste, das Pflichtmäßige, und diesen ihren Anschauungen von Pflicht eine andere Richtung zu geben, das ist außerordentlich schwer. Unsere Kirche, wie Sie wissen und wie ich zum Überfluß auch schon andeutete, gestattet nichts als Rat, Zuspruch, Bitte. Mehr oder weniger ist alles in Spruchauslegung gelegt, was dem Meinungskampfe Tür und Tor öffnet. Und dazu kommt noch, die Gräfin ist nicht bloß sehr bibelfest, sie hat auch die ganze Kraft derer, die nicht links und nicht rechts sehen, keine Konzessionen machen und durch Starrheit und Unerbittlichkeit sich eine Rüstung anzulegen wissen, die besser schließt als die Rüstung eines milden und liebevollen Glaubens. Mit Widerspruch ist ihr nicht beizukommen und noch weniger mit überlegener Miene.«

      »Gewiß. Auch kann ich nur wiederholen: es muß sich alles wie von ungefähr ergeben.«

      »Alles, was ich tun kann, ist – wenn ich


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