Kadett – Offizier der Kaiserlichen Marine – Briefe von Bord – 1895 – 1901. Willi FranckЧитать онлайн книгу.
nicht bestätigt, beruhte auf einem Irrtum der Kameraden, die es erzählt hatten. Heute sind wir aber wirklich nahe dabei und bald werden wir wohl dort sein. Gestern nachmittag kam Cap da Roca (Cap da Roca: westlichster Punkt des europäischen Festlandes, westlich von Lissabon) in Sicht, es war ein großartiger Anblick, der hohe Bergkoloß, der sich offenbar steil aus dem Meere erhebt. Leider war das Wetter nicht ganz klar und das Kap im Dunst eingehüllt. Sonst haben wir hier aber prachtvolles Wetter, ich habe seit einigen Tagen kaum mehr ein Wölkchen gesehen, es wird jetzt wirklich heiß.
Gestern Nacht kamen wir an Cap Vincent (Cap Vincent: Südwestspitze Portugals) vorbei, da es dunkel war konnte man nur die Umrisse erkennen; ich hatte damals gerade Wache. Abends merkt man jetzt, wie der Tag sich fast ohne Übergang in Dunkelheit verwandelt.
Ich will diesen Brief jetzt abschließen, da er durch die Hofpost befördert werden soll, und diese um 5 Uhr geschlossen wird. Also lebt wohl, liebe Eltern, und Geschwister. Viele herzliche Grüße von eurem
Willi
Falls ich Zeit habe, werde ich noch eine Karte aus Gibraltar schicken; sie wird dann wohl vor diesem Brief ankommen.
W.
Gibraltar 9. Juli 1895
S. M. S. „STOSCH“
(Logbuch)
8. Juli.
Morgens früh kam Gibraltar in Sicht. Um 6 Uhr ging die „STOSCH“ vor Anker vor der Signalstation (ich war schon aufgestanden ohne es zu müssen). Bei der Flaggenparade wurde erst die englische, dann die österreichische Flagge salutiert. Die Engländer erwiderten aus der Salutbatterie die unten im Felsen bis auf die Mündungen eingemauert ist. Von Österreich liegen drei große Panzer hier, die aus Kiel hierher gekommen sind: „MARIA THERESIA“ (K.u.k. Panzerkreuzer „KAISERIN UND KÖNIGIN MARIA THERESIA“: Bj 1894, 6.000 t, 19 kn, 475 Mann, 8x15 cm, 18x4,7 cm, röhrenförmige Gefechtsmasten), „KAISERIN ELISABETH“ und „KAISER FRANZ JOSEPH“ (K.u.k. Geschützte Kreuzer „KAISERIN ELISABETH“ und „KAISER FRANZ JOSEPH I.“: Bj 1892/1890, 4.500 t, 19 kn, 420 Mann, 2x24 cm, 6x15 cm, 13x4,7 cm). Die „STOSCH“ nahm 240 t Kohlen. Wir wurden beurlaubt. Der „HAGEN“ erschien bald nach uns in der Bucht.
Gibraltar gehört seit dem Anfange dieses Jahrhunderts den Engländern (1709) (Prinz Georg v. Hessen-Darmstadt eroberte Gibraltar im Span. Erbfolgekrieg im Jahre 1704 für England.), vorher gehörte es zu Spanien. Seine Bucht bietet dem, der es besitzt, gewaltige Vorteile. Im Norden, Osten und Westen gegen alle Winde geschützt, bietet es den Schiffen vollständige Sicherheit. Auch noch die hohen Berge Afrikas bieten – wenigstens in etwa – Schutz von Süden.
Gibraltar – Skizze von WF
Meyers Konvers. Lex. 1908
Ich bin hoch auf die Berge gestiegen, allein mit zwei Kameraden. Eigentlich durften wir ohne Paß nicht dort gehen, wir wurden aber erst gar nicht angehalten, und so haben wir alles dies gesehen, hatten außerdem noch eine wundervolle Aussicht auf den Hafen und bis nach Afrika hinüber. Oben auf dem Berge, der nach Westen terrassenförmig, nach Osten ganz steil abfällt, liegt die Signalstation. Die Stadt baut sich auf dem beschränkten ebenen Teile der Halbinsel, sie ist vollständig spanisch, wie es das Klima verlangt. Die ganze Bevölkerung ist spanisch (doch ist eine Menge englisches Militär in Gibraltar als Besatzung. Eine Eisenbahn führt nicht dahin, da die Spanier offenbar Angst haben, dann könnte der Platz noch wichtiger werden) Am Abhang im Westen befindet sich ein herrlicher Park, die „Alanda“. Eine Merkwürdigkeit ist noch, daß die Tore bei Sonnenuntergang geschlossen werden.
Der Hafen ist mit zahlreichen Feuern versehen und allem Material, das für die englische Flotte nötig ist. Auf der anderen Seite der Bucht liegt die spanische Stadt Algericas, durch Dampfer mit G. verbunden
In der Stadt war viel Schönes zu haben, Stickereien, Fächer, Cigarrenspitzen u. dergl., viele Kameraden haben sich davon gekauft. Da meine Geldverhältnisse es nicht gestatteten, konnte ich es nicht; ich hoffe es zu können, wenn wir demnächst wieder einmal dorthin kommen. Ich habe in G. zum ersten … (Rest fehlt)
geschr. bei Ceuta
11. Juli 1895
Noch etwas über das, was in Gibraltar zu sehen war u. dergl.
Vorne am südlichsten Punkte der Halbinsel befindet sich ein Steinbruch, dort sah ich zum ersten Male Sprengungen von Felsen. Wir hatten wundervolles Meerleuchten in der Bucht, die Ruder sahen wie Feuerschaufeln aus, als wir abends zum Schiff zurückfuhren.
In der Stadt sind alle Getränke sehr schlecht, und dabei teuer, bei der hohen Temperatur war das sehr unangenehm. Vielfach setzten wir uns in kleine „cabs“ und fuhren spazieren. In solchen offenen Wagen fährt in Gibraltar Arm und Reich umher.
Auf der Linea, dem neutralen Landstrich zwischen englischem und spanischem Gebiet, fand ein großes Stiergefecht statt; wenn uns nicht so viele Widersprüche der Leute davon abgehalten hätten, wären wir alle mal hingegangen. In der Stadt erhält man überall frisches Obst, Äpfel, Birnen, Pflaumen, Feigen, Datteln, Bananen u. a. m. Jetzt will ich in der Beschreibung der Ereignisse fortfahren.
Am 9. Juli war nicht sehr viel los, wir hatten Dienst an Bord, nahmen Wasser, das recht schlecht ist, an Bord – die Folge ist, daß wir eigentlich gar kein Trinkwasser hatten u. haben. Die Österreicher verließen den Hafen, und wir hatten viel Besuch an Bord, vom deutschen Konsul, Engländern und – Bumbooten (die Früchte und allerlei zu kaufen bringen). Am 10. morgens früh fierten wir den Anker, und los ging es nach Tanger.
Dort angekommen wurde furchtbar salutiert, erst Marokko, mit seiner sozialdemokratischen Flagge (Die Flagge Marokkos war ein einfarbiges rotes Tuch. Die Farbe sollte den Anspruch der königlichen Familie auf ihre Abstammung vom Propheten symbolisieren. 1915 wurde ein grünes Pentagramm hinzugefügt.), das aus der Stadt erwidert wurde, und dann der deutsche Gesandte, Graf von Tattenbach (Christian Graf v. Tattenbach war seit 1889 Botschafter in Tanger.). Die Stadt sieht ganz orientalisch aus; leider konnten wir sie nur aus der Ferne sehen, da wir infolge des Besuches von deutschen Gesandten sofort wieder in See gingen und zwar nach Ceuta. Wir erfuhren nämlich, daß sich hier (heute morgen um 5 Uhr sind wir nach Ceuta gedampft) ein deutscher Dampfer sich festgefahren habe, und wir sollten Hülfe bringen. Nach einigem Suchen im Nebel haben wir ihn dann auch gefunden.
Skizze von WF
Es ist der Bremer Dampfer „DRACHENFELS“ (Dampfer „DRACHENFELS“: 1882 von der Deutschen Dampfschiffahrtsgesellschaft Hansa in Großbritannien gekauft, 2.250 BRT –die Reederei ging 1980 in Konkurs), der sich, durch Unvorsichtigkeit, ganz nah an der Küste auf einem Felsen in der See festgefahren hat. Ihm sind schon vor uns kleine Leichter, Schiffe und Dampfer zu Hülfe gekommen. Ich bin aber überzeugt, daß er von den zahlreich herumlungerden Arabern, oder was es nun für Gesindel sein mag, ausgeplündert worden wäre, wenn wir auch nur kurze Zeit auf uns hätten warten lassen. Wir sollen den Dampfer womöglich abschleppen, aber es ist auch möglich, daß ein zu großes Leck dies unmöglich macht.
Es gibt hier eine Menge Taschenkrebse und Fische auch Delphine und Haie haben wir hier dicht am Schiffe gesehen.
Tanger, den 12. Juli 1895
a. B. S. M. S. „STOSCH“
Der „DRACHENFELS“ ist gestern glücklich losgekommen, genauer kann ich es nicht beschreiben da wir an Deck eigentlich nichts sehen konnten, das nur weiß ich, daß ich noch niemals mich so sehr angestrengt habe wie gestern beim Verholen.