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Erziehungskunst III. Rudolf SteinerЧитать онлайн книгу.

Erziehungskunst III - Rudolf Steiner


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das Kind seine seelischen Fähigkeiten ausgestaltet.

      O. führt aus, wie man im Rechnen Rücksicht nehmen könnte auf die vier Temperamente, erwähnt aber, dass er mit seiner Aufgabe nicht richtig fertig geworden wäre.

      Rudolf Steiner: Das ist etwas, was ich vorausgesehen habe, denn die Aufgabe ist etwas sehr Schwieriges. Sie werden das ganz gründlich beschlafen müssen. Aber nehmen Sie folgendes als neue Aufgabe: Denken Sie sich eine Klasse, in der acht- bis neunjährige Kinder sitzen. Es kommt ja natürlich in dem Unterricht der Zukunft darauf an, dass möglichst viel soziale Instinkte, sozialer Wille, soziales Interesse erzogen werde. Nun denken Sie sich drei Kinder, wovon das eine ausgesprochen phlegmatisch, das andere ausgesprochen cholerisch und das dritte ausgesprochen melancholisch ist. Ich will ihre übrigen Eigenschaften nicht erwähnen. Die kämen in der dritten bis vierten Woche, nachdem der Unterricht begonnen hat, und sagen zu Ihnen: »Mich können alle anderen Kinder nicht leiden!« Diese werden sich nun gleichsam erweisen als die Aschenbrödel, denen gegenüber sich die andere Klasse etwas ablehnend verhält, die gepufft werden, die man stößt, die man überall zurücksetzt. -Ich möchte Sie bitten, bis Montag darüber nachzudenken, wie der Erzieher versuchen wird, diesem Übel am besten abzuhelfen. Wie man diese Kinder zu beliebten Kindern machen könne, das ist eine wichtige Aufgabe für die ganze Erziehung. Ich bitte Sie, das recht geistvoll durchzudenken, und das als eine sehr wichtige pädagogische Aufgabe zu betrachten.

      Vierte Seminarbesprechung

      25. AUGUST 1919, STUTTGART

      Rudolf Steiner: Wir werden nun fortfahren in der Aufgabe, die wir uns gestellt haben, und werden übergehen zu dem, was Herr N. uns zu sagen hat über die Behandlung des Rechnens unter dem Gesichtspunkt der Temperamente der Kinder. Es wird sich mehr handeln um die Art des Verhaltens beim Rechnenlehren.

      N. entwickelt das Klarmachen eines Bruches, indem er ein Stück Kreide zerbrechen lässt.

      Rudolf Steiner: Ich hätte nur zunächst das eine zu bemerken, dass ich zum Beispiel nicht Kreide verwenden würde, weil es zu schade ist, die Kreide zu zerbrechen. Ich würde einen wertloseren Gegenstand aussuchen. Es würde genügen ein Stück Holz oder so etwas, nicht wahr? Es ist nicht gut, die Kinder frühzeitig daran zu gewöhnen, nützliche Gegenstände zu zerbrechen.

      N. fragt, wenn das Kind keine ganz vertikale Richtung hält, sich nicht gerade hält, ob dann dadurch die Erfassung räumlicher und geometrischer Formen erschwert wäre?

      Rudolf Steiner: In einem bemerkbaren Maße ist das nicht vorhanden. Es kommt bei solchen Dingen viel mehr auf die Tendenzen an, nach denen der menschliche Organismus aufgebaut ist, als auf den Bau der einzelnen menschlichen Persönlichkeiten. Es hat sich das mir einmal besonders stark entgegengestellt nach einem Vortrag in München, wo ich ausführte, dass es eine gewisse Bedeutung hat für den Bau des Menschen, dass sein Rückgrat in der Linie eines Erddurchmessers liegt, während das Tier seine Rückenlinie waagerecht darauf hat. Nachher kam ein gelehrter Arzt aus Karlsruhe und machte geltend, dass der Mensch, wenn er schläft, sein Rückgrat ja in horizontaler Linie habe! – Da sagte ich: Nicht darauf kommt es an, ob der Mensch sein Rückgrat in verschiedene Stellungen bringen kann, sondern darauf, dass der ganze menschliche Bau architektonisch so angeordnet ist, dass sein Rückgrat in der Normalhaltung vertikal ist, wenn er es auch in schiefe oder andere Lagen bringen kann. – Sie würden, wenn Sie das nicht in Betracht zögen, niemals verstehen können, wie gewisse Hinordnungen für die menschlichen Sinne, die sich noch im Intellekt finden, doch auftreten zum Beispiel bei Blindgeborenen. Der Mensch ist als Wesen so aufgebaut, dass sein Intellekt auf sein Auge hin tendiert, so dass man selbst bei Blindgeborenen noch Vorstellungen hervorrufen kann, die auf das Auge hin gerichtet sind, wenn ein Mensch so geartet ist, wie zum Beispiel die blinde Helen Keller. Es kommt an auf die Tendenz, auf die Anlagen im allgemeinen des menschlichen Organismus, nicht auf das, was zufällige Lagen hervorbringen können. Dann möchte ich das Folgende an Herrn Ns. Ausführungen anschließen. Es kommt weniger darauf an, dass wir diese Dinge kritisieren, denn das kann man immer. Es kommt darauf an, dass solche Dinge vorgebracht werden, und dass wir versuchen, uns in solche Dinge hineinzufinden. Gehen wir einmal von der Addition aus, und zwar so, wie wir die Addition auffassen. Nehmen wir an, ich habe Bohnen oder ein Häufchen Holunderkügelchen. Nun will ich für den heutigen Fall annehmen, dass die Kinder schon zählen können, was sie ja auch erst lernen müssen. Das Kind zählt, es hat 27. – »27«, sage ich, »das ist die Summe.« Wir gehen aus von der Summe, nicht von den Addenden! Die psychologische Bedeutung davon können Sie in meiner Erkenntnistheorie verfolgen. Diese Summe teilen wir jetzt ab in Addenden, in Teile oder in Häufchen. Ein Häufchen Holunderkügelchen, sagen wir 12; weiter ein Häufchen, sagen wir 7; weiter eines, sagen wir 3; weiter eines, sagen wir 5. Dann werden wir die Holunderkügelchen erschöpft haben: 27 =12 + 7 + 3 + 5. Wir machen ja den Rechnungsvorgang von der Summe 27. Solch einen Vorgang lasse ich nun eine Anzahl von Kindern machen, welche ausgesprochen phlegmatisches Temperament haben. Man wird sich allmählich bewusst werden, dass diese Art des Addierens besonders geeignet ist für Phlegmatiker. – Dann werde ich mir, weil ja der Vorgang zurückverfolgt werden kann, cholerische Kinder aufrufen und werde die Holunderkügelchen wieder zusammenwerfen lassen, aber so, dass es geordnet ist gleich 5 und 3 und 7 und 12 sind 27. Also das cholerische Kind macht den umgekehrten Vorgang. Das Addieren ist ganz besonders die Rechnungsart der phlegmatischen Kinder. Nun nehme ich jemand heraus aus den melancholischen Kindern. Ich sage: »Hier ist ein Häufchen Holunderbeerchen; zähle sie mal ab!« Es kriegt heraus, sagen wir einmal 8. »Siehst du, ich will nicht haben 8, ich will nur haben 3. Wie viel muss weggelegt werden von den Holunderkügelchen, damit ich nur 3 bekomme?« Dann wird es darauf ankommen, dass 5 weggenommen werden müssen. Das Subtrahieren in dieser Form ist vor allem die Rechnungsart der melancholischen Kinder. – Nun rufe ich ein sanguinisches Kind auf und lasse die Rechnung zurück machen. Nun sage ich: »Was ist weggenommen worden?« Und ich lasse mir sagen: Wenn ich 5 von 8 wegnehme, so bleiben mir 3 übrig. – Das sanguinische Kind lasse ich wieder die umgekehrte Rechnungsart ausführen. Ich will nur sagen, dass »vorzugsweise« die Subtraktion – aber so ausgeführt, wie wir es tun – für die melancholischen Kinder ist. Nun nehme ich mir ein Kind vor aus der Gruppe der Sanguiniker. Ich werfe wieder eine Anzahl Holunderkügelchen hin, ich sorge aber dafür, dass es in irgendeiner Weise passt. Nicht wahr, ich muss das ja schon anordnen, sonst würde die Sache zu rasch ins Bruchrechnen hineinführen. Also, nun lasse ich zählen: 56 Holunderkügelchen. – »Nun sieh einmal an, da habe ich 8 Holunderkügelchen. Nun musst du mir sagen, wie oft die 8 Holunderkügelchen in den 56 drinnen sind.« Sie sehen, die Multiplikation führt zu einer Division. Es bekommt heraus 7. Nun lasse ich die Rechnung zurückmachen von dem melancholischen Kinde und sage: »Nun will ich aber nicht untersuchen, wie oft die 8 enthalten sind in den 56, sondern wie oft ist die 7 enthalten in 56? Wie oft kommt die 7 heraus?« Ich lasse die umgekehrte Rechnung immer von dem entgegengesetzten Temperament ausführen. Dem Choleriker lege ich vor zunächst die Division, vom Kleinen zum Größten, indem ich sage: »Siehe, da hast du das Häufchen von 8. Ich will von dir nun wissen, in welcher Zahl die 8 siebenmal drinnen-steckt.« Und er muss herauskriegen: in 56; in einem Häufchen von 56. -Dann lasse ich das Umgekehrte, die gewöhnliche Division, von dem phlegmatischen Kinde machen. Für das cholerische Kind wende ich in dieser Form die Division an. Denn in dieser Form ist sie insbesondere die Rechnungsart der cholerischen Kinder. Auf diese Weise, indem ich es fortwährend so durchführe, bekomme ich gerade für die vier Rechnungsarten die Möglichkeit, sie zu gebrauchen für die Heranziehung der vier Temperamente: das Additive ist verwandt dem Phlegmatischen, das Subtrahieren dem Melancholischen, das Multiplizieren dem Sanguinischen, das Dividieren, mit dem Zurückgehen zu dem Dividenden, dem Cholerischen. – Das ist es, was ich Sie bitte, im Anschluss zu dem von Herrn N. Gesagten zu beachten. Es ist von besonderer Wichtigkeit, dass man nicht langweilig fortarbeitet: ein halbes Jahr bloß addiert, dann subtrahiert und so weiter, sondern wir werden diese vier Rechnungsarten womöglich nicht allzu langsam nacheinander durchnehmen, und dann alle vier üben! Zuerst nur bis 40 etwa. So werden wir Rechnen lehren nicht nach dem gewöhnlichen Stundenplan, sondern so, dass durch das Üben diese vier Arten fast gleichzeitig angeeignet werden. Sie werden finden, dass es auf diese Weise sehr ökonomisch geht, und dass man die Kinder die Dinge ineinanderarbeiten lassen kann. – Es ist ja die Division verwandt mit der Subtraktion,


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