Der junge Reformator Luther - Teil 2 – ab 1518. Heinrich BoehmerЧитать онлайн книгу.
Zuletzt bemerkte er: „Meint Ihr, dass der Kurfürst Euretwegen zu den Waffen greifen würde?“ Luther: „Keineswegs.“ Urban: „Aber wo wollt Ihr dann bleiben?“ Luther: „Sub caelo“ (unter dem Himmel). Darauf hielt es Messer Urban doch für angezeigt, sich schleunigst zu entfernen.
„Die Albernheit dieses Mittelmannes hat mein Vertrauen nicht wenig gestärkt“, schreibt Luther am Tage danach an Spalatin. „Grüße die Wittenberger Freunde und sage ihnen, sie sollen, ob ich nun zurückkehre oder nicht, guten Mutes sein. Denn ich habe schon beschlossen, an ein künftiges allgemeines Konzil zu appellieren, wenn der Legat nicht mit Gründen, sondern mit Gewalt gegen mich vorgehen sollte.“ Am 11.0ktober richtete er dann eine Art Abschiedsbrief an den fast zärtlich von ihm geliebten jungen Philipp Melanchthon, der kurz zuvor in Wittenberg sein Amt angetreten hatte: „Sei ein Mann und lehre die Studenten den rechten Weg. Ich gehe jetzt, mich für Euch und sie, wenn Gott es so will, als Opfer schlachten zu lassen. Aber ich will lieber sterben und selbst, was mir am schwersten fällt, den beglückenden Verkehr mit Euch in alle Ewigkeit entbehren als widerrufen.“ Am selben Tage traf der kaiserliche Geleitbrief ein. So konnte er denn am Morgen des 12.Oktober endlich, von seinen Freunden Link und Frosch und drei anderen Mönchen begleitet, den schweren Weg nach dem Fuggerhause antreten.
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Jakob Fugger der Reiche ließ von 1512 bis 1515 an der damals wichtigen Handelsstraße Via Claudia (der heutigen Maximilianstraße) neben dem damaligen Weinmarkt zwei nebeneinander liegende Häuser, eine Stadtresidenz und ein Lagerhaus, errichten. Er entwarf den Komplex selbst nach Plänen, die er auf seiner Italien-Reise notiert hatte. Der Profanbau ist das erste Bauwerk nördlich der Alpen, das im Stil der italienischen Renaissance errichtet wurde. Weitere angrenzende Häuser wurden ab 1517 hinzuerworben und in den Komplex dieses Stadtpalastes integriert.
Die äußere Fassade, eine der längsten in der Straße, zeugte vom Reichtum der Fugger, da damals die Gebäudesteuer nach der Länge der Frontfassade berechnet wurde.
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Fuggerhaus – Adlertor
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„Man hatte mir beigebracht“, erzählt er später, „wie ich mich gegen den Kardinal“, der von einem großen Schwarm neugieriger Italiener umgeben war, „benehmen sollte. Zuerst warf ich mich vor ihm aufs Angesicht nieder. Darauf, als er mich aufstehen hieß, richtete ich mich nur bis zu den Knien auf. Erst auf einen erneuten Wink stand ich ganz auf. Ich entschuldigte mich alsdann, dass ich erst den Geleitsbrief abgewartet hatte, und versicherte, dass ich von ihm nur die Wahrheit hören wolle.“ Cajetan erwiderte darauf einige freundliche und verbindliche Worte, wie sie dem gut erzogenen Italiener jederzeit zu Gebote stehen.
Luther in Augsburg vor Cajetan
Aber dann erklärte er kurz: Dreierlei habe er im Auftrage Seiner Heiligkeit von ihm zu fordern: „1. Bereue Deine Irrtümer und widerrufe sie, 2. versprich, sie nicht mehr zu lehren, 3. enthalte dich aller Umtriebe, durch die der Friede der Kirche gestört werden könnte.“ Luther bat darauf, ihm seine Irrtümer anzugeben. Der Kardinal wies ihn zunächst auf die 58. der 95 Thesen hin, in der er behauptet hatte: Der Schatz der Kirche ist nicht identisch mit den Verdiensten Christi und der Heiligen. Diese Ansicht werde zur Genüge, führte Cajetan dann aus, durch die Dekretale Unigenitus widerlegt. Alsdann hob er aus den Resolutionen zur 7. These den Satz heraus: Nicht das Sakrament, sondern der. Glaube rechtfertigt. Diese Behauptung ist, meinte er, neu und falsch. Als Luther versetzte, in diesem Punkte könne er nicht nachgeben, herrschte er ihn an: „Das musst du, ob du willst oder nicht, noch heute widerrufen. Sonst werde ich um dieser einen Stelle willen alles, was du sonst sagst, verdammen!“ Die anwesenden Italiener begleiteten diese Worte „nach ihrer Art“ mit höhnischem Gelächter. Zu dem ersten Punkte erklärte Luther sodann, die Delcretale sei ihm keine Autorität, weil sie die Heilige Schrift missbrauche und deren Worte verdrehe, außerdem auch nur die Ansichten des Thomas von Aquino wiederhole. „Ich gebe daher den Bibelstellen, die ich in den Thesen zitiere, unbedingt den Vorzug.“ Das ging Cajetan wider die Natur. Obwohl er nicht mit dem „Brüderlein“ disputieren sollte und wollte, konnte er sich doch nicht enthalten, ihn zu belehren: Der Papst steht über dem Konzil und der Heiligen Schrift. Als Beweis hierfür zitierte er die Verdammung des Baseler Konzils durch Nikolaus V. „Du bist auch ein Gersonist“, fuhr er fort. „Alle Anhänger Gersons sind ebenso verdammt wie Gerson selbst.“ Als Luther ihn daraufhin an die erst jüngst getätigte Appellation der Universität Paris an ein künftiges Konzil zu erinnern wagte, grollte er: „Dafür werden die Pariser noch büßen müssen!“ Danach kam es, wie Luther meint, noch zu einem konfusen Hin- und Herreden über die Gnade Gottes. Nichts von dem, was Luther vorbrachte, ließ Cajetan gelten. Hielt er ihm eine Bibelstelle vor, so lachte er wohl gar hart auf. Dazwischen herrschte er ihn immer wieder an: „Widerrufe, erkenne deinen Irrtum. Das und nichts anderes ist der Wille des Papstes!“ Da bei diesem Hin- und Herreden doch nichts herauskam, bat Luther schließlich um Bedenkzeit und zog mit seinen Freunden wieder von dannen. Dass Cajetan sich streng an die Zusagen gehalten habe, die er Friedrich gegeben hatte, kann man danach kaum behaupten. Er hatte zwar sehr freundlich-väterlich angefangen, aber dann gar bald von seinem Temperament sich hinreißen lassen. Diesen Eindruck müssen auch Wenzel Link und Johann Frosch gehabt haben, denn sonst hätten weder die sächsischen Räte noch der überaus ängstliche Dr. Peutinger, noch auch der zu Luthers Freude eben erst in St. Anna eingetroffene, äußerst vorsichtige Dr. Staupitz sich keinesfalls bereitfinden lassen, ihn am Morgen des 13. Oktober zu der zweiten Audienz ins Fuggerhaus zu begleiten. Cajetan sah sich lächelnd diesen stattlichen Aufzug an. Lächelnd nahm er auch die förmliche Erklärung (Protestatio) entgegen, die Luther darauf in Gegenwart dieser Zeugen vorlas: solange er noch nicht überführt und widerlegt sei, könne er nicht zu einem Widerruf gezwungen werden. Er sei sich nicht bewusst, etwas gegen die Bibel, die Kirchenväter, die Dekretalen und die Vernunft gelehrt zu haben. Da er aber, wie jeder Mensch, irren könne, so unterwerfe er sich dem Urteil der legitimen Kirche und erbiete sich, sei’s in Augsburg, sei’s anderwärts, öffentlich über seine Sätze zu disputieren. Sei das Cajetan nicht angenehm, so sei er bereit, auf seine in der ersten Audienz geäußerten Einwände schriftlich zu antworten und die Entscheidung über seine Lehren dann den Universitäten Basel, Freiburg, Löwen und, falls das noch nicht genüge, auch noch der Universität Paris zu überlassen. Danach begann der Kardinal wie ein alter Professor, der nicht von seinem Lieblingsthema loskommen kann, wieder über die Dekretale Unigenitus zu sprechen. Aber Luther erwiderte ihm, er wolle ihm schriftlich antworten, mit Worten hätte er schon gestern genug mit ihm gestritten. Diese Bemerkung nahm Cajetan sehr übel auf. „Mein Sohn“, sagte er, „ich habe nicht mit dir gestritten und will auch jetzt keineswegs mit dir streiten. Nur aus Rücksicht auf Seine Durchlaucht den Kurfürsten Friedrich will ich dich väterlich und gütig verhören und dich wieder mit Seiner Heiligkeit zu versöhnen suchen.“ Als darauf jedoch auch Staupitz ihn ersuchte, Luther eine schriftliche Antwort zu gestatten, gewährte er ihm diese Bitte endlich in Gnaden, ja er entließ ihn mit den Worten: „Ich werde dich sehr gerne hören und dann alles wie ein Vater, nicht wie ein Richter erledigen.“
In St. Anna angelangt, warf Luther sofort in fliegender Eile eine ausführliche Rechtfertigung der beiden von dem Kardinal beanstandeten Punkte aufs Papier. Das Schriftstück füllt im Drucke fast dreiviertel Bogen. Mit dieser Apologie erschien er, von den sächsischen Räten Rühel und Feilitzsch begleitet, am 14. Oktober morgens zum dritten Mal im Fuggerhause. Was hatte die Räte veranlasst, mit ihm zu gehen? Der Eindruck, dass Cajetan seine Zusagen nicht halte, und die Absicht, ihn daran erneut zu erinnern. Er nahm denn auch Luthers Schrift nur mit verächtlichen Worten und Gesten entgegen, versprach aber doch, sie nach Rom zu schicken. Dann begann er wieder zu donnern: „Widerrufe!“ und in langer, leidenschaftlicher Rede vor allem über die Dekretale Unigenitus sich zu verbreiten. Wohl zehnmal