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Winnetou Band 1. Karl MayЧитать онлайн книгу.

Winnetou Band 1 - Karl May


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hinter ihren Büschen hervor. Bancroft wollte darüber, daß man ihn im Schlafe gestört hatte, grob werden,

       zeigte sich aber höflich, als ich ihm sagte, daß Mr. White von der nächsten Sektion angekommen sei. Die

       Beiden hatten sich noch nicht gesehen. Das Erste war, daß er ihm einen Becher Brandy anbot; aber damit

       kam er an den unrechten Mann. White benutzte dieses Anerbieten sofort als Anknüpfungspunkt zu einer

       Strafrede, wie Bancroft gewiß noch keine gehört oder gar selbst erhalten hatte. Dieser hörte sie, vor

       Erstaunen wortlos, eine Weile an, dann fuhr er auf den Redner los, faßte ihn am Arme und schrie ihn an:

       »Herr, wollt Ihr mir wohl gleich sagen, wie Ihr heißt?«

       »White heiße ich; das habt Ihr ja gehört.«

       »Und was Ihr seid?«

       »Oberingenieur der benachbarten Sektion.«

       »Hat jemand von uns Euch dort etwas zu befehlen?«

       »Ich denke, nein.«

       »Nun wohl! Ich heiße Bancroft und bin Oberingenieur der hiesigen Sektion. Es hat mir kein Mensch

       etwas zu befehlen, am allerwenigsten aber Ihr, Mr. White.«

       »Es ist richtig, daß wir uns vollständig gleichstehen,« antwortete dieser ruhig. »Befehle von dem Andern

       anzunehmen, hat keiner von uns Beiden nötig. Aber wenn der Eine sieht, daß der Andere das

       Unternehmen, an welchem beide arbeiten sollen, schädigt, so ist es seine Pflicht, den Betreffenden auf

       seinen Fehler aufmerksam zu machen. Eure Lebensaufgabe scheint im Brandyfasse zu stecken. Ich zähle

       hier sechszehn Menschen, welche alle betrunken waren, als ich vor zwei Stunden hier ankam, und so «

       »Vor zwei Stunden?« fiel ihm Bancroft in die Rede. »So lange seid Ihr schon hier?«

       »Allerdings. Ich habe mir die Aufnahmen angesehen und mich darüber unterrichtet, wer sie gemacht hat.

       Das ist ja das reine Schlaraffenleben hier gewesen, während ein Einziger und noch dazu der Jüngste von

       Euch allen, die ganze Arbeit zu bewältigen hatte!«

       Da fuhr Bancroft zu mir herum und zischte mich an:

       »Das habt Ihr gesagt, Ihr und kein Anderer! Leugnet es einmal, Ihr niederträchtiger Lügner, Ihr

       heimtückischer Verräter!«

       »Nein,« antwortete ihm White. »Euer junger Kollege hat als Gentleman gehandelt und nur Gutes über

       Euch gesprochen. Er hat Euch in Schutz genommen, und ich rate Euch, ihn um Verzeihung zu bitten, daß

       Ihr ihn einen Lügner und Verräter nanntet.«

       »Um Verzeihung bitten? Fällt mir nicht ein!« lachte Bancroft höhnisch auf. »Dieses Greenhorn weiß kein

       Dreieck von einem Vierecke zu unterscheiden und bildet sich trotzdem ein, Surveyor zu sein. Wir sind

       nicht vorwärts gekommen, weil er alles verkehrt gemacht und uns aufgehalten hat, und wenn er nun,

       anstatt dies einzusehen und zuzugeben, uns bei Euch verleumdet und anschwärzt, so «

       Er kam nicht weiter. Ich war monatelang geduldig gewesen und hatte diese Leute nach ihrem Belieben

       über mich denken lassen. Jetzt war der Augenblick da, ihnen zu zeigen, daß sie sich in mir geirrt hatten.

       Ich ergriff Bancroft beim Arme, drückte ihn so, daß er vor Schmerz den angefangenen Satz

       unausgesprochen ließ, und sagte:

       »Mr. Bancroft, Ihr habt zuviel Schnaps getrunken und nicht ausschlafen können. Ich nehme an, daß Ihr

       noch betrunken seid, und es mag also so sein, als ob Ihr nichts gesagt hättet.«

       »Ich, betrunken? Ihr seid verrückt!« antwortete er.

       »Jawohl, betrunken! Denn wenn ich wüßte, daß Ihr nüchtern seid und die Beschimpfungen mit

       Ueberlegung ausgesprochen habt, so wäre ich gezwungen, Euch wie einen Buben zu Boden zu schlagen.

       Verstanden! Habt Ihr nun noch das Herz, Euren Rausch abzuleugnen?«

       Ich hielt seinen Arm noch fest in meiner Hand. Er hatte gewiß nie geglaubt, jemals vor mir Angst haben

       zu müssen; jetzt aber fürchtete er sich; das sah ich ihm an. Er war keineswegs ein schwacher Mann; aber

       der Ausdruck meines Gesichtes schien ihn zu erschrecken. Er wollte nicht sagen, daß er noch betrunken

       sei, getraute sich aber auch nicht, seine Beschuldigungen aufrecht zu erhalten; darum wendete er sich um

       Hilfe an den Anführer der zwölf Westmänner, die uns zur Unterstützung beigegeben waren:

       »Mr. Rattler, duldet Ihr es, daß dieser Mensch sich an mir vergreift? Seid Ihr nicht hier, um uns zu

       beschützen?«

       Dieser Rattler war ein hoch und breit gebauter Kerl, welcher die Kraft von drei, vier Menschen zu

       besitzen schien, ein rohes Subjekt und zugleich Bancrofts liebster Trinkkumpan. Er konnte mich nicht

       leiden und nahm jetzt mit Freuden die Gelegenheit wahr, dem Grolle, den er gegen mich hegte, Luft

       machen zu dürfen. Er trat schnell herbei, faßte mich am Arme, so wie ich Bancroft noch immer bei dem

       seinigen hatte, und antwortete:

       »Nein, das kann ich nicht dulden, Mr. Bancroft. Dieses Kind hat seine ersten Strümpfe noch nicht

       abgelaufen und will hier erwachsenen Männern drohen, sie verschänden und verleumden. Tu' die Hand

       von Mr. Bancroft weg, Junge, sonst zeige ich dir, was für ein Greenhorn du bist!«

       Diese Aufforderung war an mich gerichtet. Er schüttelte mir bei derselben den Arm. Das mußte mir noch

       lieber sein, denn er war ein stärkerer Gegner als der Oberingenieur. Wenn ich ihn Mores lehrte, mußte es

       besser wirken, als wenn ich diesem zeigte, daß ich kein Feigling sei. Ich riß meinen Arm aus seiner Hand

       und entgegnete:

       »Ich ein Junge, ein Greenhorn? Widerruft das augenblicklich, Mr. Rattler, sonst schmettere ich Euch zu

       Boden!«

       [Illustration Nr. 3: Rattler am Boden]

       »Ihr mich?« lachte er. »So ein Greenhorn ist wirklich so albern, zu glauben, daß «

       Er konnte nicht weiter reden, denn ich schlug ihm die Faust an die Schläfe, daß er steif wie ein Sack

       niederstürzte und betäubt liegen blieb. Einige kurze Augenblicke herrschte tiefes Schweigen; dann rief

       einer von Rattlers Kameraden:

       »All devils! Sollen wir ruhig zusehen, wenn so ein hergelaufener Dutchman unsern Anführer schlägt?

       Drauf auf den Halunken!«

       Er sprang auf mich ein. Ich empfing ihn mit einem Fußtritte in die Magengegend. Dies ist ein sichres

       Mittel, den Gegner zum Fall zu bringen, nur muß man dabei sehr fest auf dem andern Beine stehen. Der

       Kerl stürzte nieder. In demselben Momente kniete ich auf seinem Leibe und gab ihm den betäubenden

       Fausthieb an die Schläfe. Dann sprang ich schnell auf, riß die beiden Revolver aus dem Gürtel und rief:

       »Wer noch? Der mag kommen!«

       Rattlers ganze Bande hätte wohl nicht übel Lust gehabt, die Niederlage ihrer beiden Kameraden zu

       rächen. Einer blickte den Andern fragend an. Ich warnte aber:

       »Hört mein


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