Winnetou Band 1. Karl MayЧитать онлайн книгу.
braucht also ein gutes Pferd. Habe den Rotschimmel gekauft, den Ihr selbst
zugeritten habt; sollt ihn bekommen. Und Waffen müßt Ihr auch haben; werde Euch den Bärentöter
mitgeben, das alte, schwere Gun, welches ich nicht brauchen kann, mit dem aber Ihr bei jedem Schusse in
das Schwarze trefft. Was sagt Ihr dazu, Sir, he?«
Ich sagte zunächst gar nichts; dann, als ich die Sprache wiederfand, wollte ich die Gaben von mir weisen,
hatte aber keinen Erfolg. Diese guten Menschen hatten beschlossen, mich glücklich zu machen, und es
hätte sie tief gekränkt, wenn ich bei meiner Ablehnung geblieben wäre. Um, wenigstens für einstweilen,
alle Weiterungen abzuschneiden, nahm die Lady an der Tafel Platz, und wir Andern waren gezwungen,
ihrem Beispiele zu folgen; es wurde gegessen, und das Thema durfte nicht gleich wieder aufgenommen
werden.
Erst nach Tische erfuhr ich, was ich wissen mußte. Die Bahn sollte von St. Louis aus durch das Indian-
Territory, New Mexiko, Arizona und Kalifornien nach der Pazifikküste gehen, und man hatte den Plan
gefaßt, diese weite Strecke in einzelnen Sektionen erforschen und ausmessen zu lassen. Diejenige
Sektion, welche mir und noch drei andern Surveyors unter einem Oberingenieur zugefallen war, lag
zwischen dem Quellgebiete des Rio Pecos und des südlichen Kanadian. Die drei bewährten Führer Sam
Hawkens, Dick Stone und Will Parker sollten uns dorthin bringen, wo wir eine ganze Schar von wackeren
Westmännern vorfinden würden, die für unsere Sicherheit zu sorgen hatten. Natürlich waren wir
außerdem auch des Schutzes aller Fortsbesatzungen sicher. Um mich so recht zu überraschen, war mir
dies alles erst heut gesagt worden, freilich etwas sehr spät. Doch beruhigte mich die Mitteilung, daß für
meine vollständige Ausrüstung bis auf das Kleinste gesorgt worden sei. Es blieb mir nichts weiter zu tun,
als mich meinen Kollegen vorzustellen, welche in der Wohnung des Oberingenieurs auf mich warteten.
Ich ging in Begleitung von Henry und Sam Hawkens hin und wurde auf das freundlichste begrüßt. Sie
wußten, daß ich hatte überrascht werden sollen, und konnten mir also die Verspätung nicht übelnehmen.
Als ich am andern Morgen zunächst von der deutschen Familie Abschied genommen hatte, ging ich zu
Henry. Er schnitt meine Dankesworte dadurch ab, daß er, mir die Hände herzlich schüttelnd, in seiner
derben Weise mich unterbrach:
»Haltet den Schnabel, Sir! Ich habe Euch doch nur deshalb hinausgeschickt, damit mein altes Gun wieder
einmal mitreden kann. Kehrt Ihr zurück, so sucht mich auf und erzählt, was Ihr erlebt und erfahren habt.
Dann wird es sich zeigen, ob Ihr das noch seid, was Ihr heute seid und doch nicht glauben wollt, nämlich
ein Greenhorn, wie es im Buche steht!«
Damit schob er mich zur Tür hinaus, doch ehe er sie schloß, sah ich, daß ihm das Wasser in den Augen
stand.
III. Kleki-petra
Wir befanden uns beinahe am Ende des herrlichen nordamerikanischen Herbstes und waren schon über
drei Monate in Tätigkeit, hatten unsere Aufgabe aber noch nicht gelöst, während die andern Sektionen
meist schon nach Hause zurückgekehrt waren. Hierfür gab es zwei Gründe.
Der erste Grund lag in dem Umstande, daß wir eine sehr schwierige Gegend zu bearbeiten hatten. Die
Bahn sollte durch die Prärieen dem Laufe des südlichen Kanadian folgen; die Richtung war also bis zum
Quellgebiete desselben vorgezeichnet, während sie von New Mexiko an durch die Lage der Täler und
Pässe ebenso vorgeschrieben wurde. Unsere Sektion aber lag zwischen dem Kanadian und New Mexiko,
und wir hatten die geeignete Richtung also erst zu entdecken. Dazu waren zeitraubende Ritte,
anstrengende Wanderungen und viele vergleichende Messungen nötig, ehe wir an die eigentliche Arbeit
gehen konnten. Erschwert wurde dies alles noch dazu dadurch, daß wir uns in einer gefährlichen Gegend
befanden, denn es trieben sich da die Kiowa-, Komanche- und Apache-Indianer herum, welche von einer
Bahn durch das Terrain, welches sie als ihr Eigentum bezeichneten, nichts wissen wollten. Wir mußten
uns ungemein in acht nehmen und stets auf unserer Hut sein, wodurch unsere Tätigkeit selbstverständlich
außerordentlich erschwert und verlangsamt wurde.
In Rücksicht auf diese Indianer mußten wir darauf verzichten, uns durch die Erträgnisse der Jagd zu
ernähren, denn wir hätten die Roten dadurch auf unsere Spur gelenkt. Wir bezogen vielmehr alles, was
wir brauchten, durch Ochsenwagen aus Santa Fé. Leider war aber dieser Transport auch ein sehr
unsicherer, und wir konnten wiederholt mit unseren Messungen nicht vorwärts schreiten, weil wir auf die
Ankunft der Wagen warten mußten.
Die zweite Ursache lag in der Zusammensetzung unserer Gesellschaft. Ich habe erwähnt, daß ich in St.
Louis von dem Oberingenieur und den drei Surveyors sehr freundlich begrüßt worden sei. Diese
Aufnahme, welche ich bei ihnen fand, ließ mich ein gutes und erfolgreiches Zusammenwirken erwarten;
darin sollte ich mich aber leider getäuscht haben.
Meine Kollegen waren echte Yankees, welche in mir das Greenhorn, den unerfahrenen Dutchman sahen,
dieses letztere Wort als Schimpfwort genommen. Sie wollten Geld verdienen, ohne viel danach zu fragen,
ob sie ihre Aufgabe auch wirklich gewissenhaft erfüllten. Ich war als ehrlicher Deutscher ihnen dabei ein
Hemmschuh, dem sie die erst gezeigte Gunst sehr bald entzogen. Ich ließ mich dies nicht anfechten und
tat meine Pflicht. Es war noch nicht viel Zeit vergangen, so machte ich die Bemerkung, daß es mit ihren
Kenntnissen eigentlich nicht sehr weit her war; sie warfen mir die schwierigsten Arbeiten zu und machten
sich das Leben so leicht wie möglich. Dagegen hatte ich nichts einzuwenden, denn ich bin stets der
Ansicht gewesen, daß man um so stärker wird, je mehr man leisten muß.
Mr. Bancroft, der Oberingenieur, war der unterrichtetste von ihnen; leider aber stellte es sich heraus, daß
er den Branntwein liebte. Es waren einige Fäßchen dieses verderblichen Getränkes aus Santa Fé gebracht
worden, und seitdem beschäftigte er sich weit mehr mit dem Brandy als mit den Meßinstrumenten. Es
kam vor, daß er halbe Tage lang total betrunken an der Erde lag. Riggs, Marcy und Wheeler, die drei
Surveyors, hatten, ebenso wie auch ich, den Schnaps mit bezahlen müssen, und sie tranken, um ja nicht
zu kurz zu kommen, mit ihm um die Wette. Es läßt sich denken, daß auch diese Gentlemen sich oft nicht
in der besten Verfassung befanden. Da ich keinen Tropfen trank, so war ich natürlich der Arbeitsmann,
während sie sich in steter Abwechslung zwischen dem Trinken und dem Ausschlafen ihres Rausches
hielten. Wheeler war mir noch der liebste von ihnen, denn er hatte