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Der Gärtner war der Mörder. Wolfgang SchneiderЧитать онлайн книгу.

Der Gärtner war der Mörder - Wolfgang Schneider


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als Hilfsarbeiter der Reihe nach verschiedenen Landschaftsgärtnern zugeteilt worden, die ihn Säcke haben schleppen und Erde haben umgraben lassen. Fast alle haben im Laufe der Zeit irgendwann nicht mehr mit ihm zusammen arbeiten wollen, weil er ihnen abweisend und verschlossen vorgekommen ist. Der letzte davon, ein gutmütiger älterer Mann namens Paul, war der einzige, der es länger mit ihm ausgehalten hat. Er ist halbwegs gut mit ihm ausgekommen und hat auch erkannt, dass der Mann recht gründlich und zuverlässig arbeitet und ihn für verantwortungsvollere Tätigkeiten empfohlen. Somit sind ihm über die Zeit anspruchsvollere Aufgaben übertragen worden. Für die Stadtverwaltung ist das ein rentables Geschäft; der Mann kostet so gut wie nichts und arbeitet ordentlich. Irgendwann ist ihm dann sogar der Führerschein – den er nach zwei missglückten Versuchen auch tatsächlich bestanden hat – bezahlt und leihweise ein Kleinbus überlassen worden, damit er sein Werkzeug transportieren kann.

      Sein Auftrag diese Woche besteht darin, sich um die Zierbüsche an der Südseite des Pausenhofs einer städtischen Realschule zu kümmern. Der Kirschlorbeer, der dort seit längerem wächst, droht mit seinem ausufernden Wurzelwerk die Pflastersteine in der Umgebung anzuheben, daher wurde beschlossen, ihn zu roden und stattdessen Buchsbaum anzupflanzen. Die Arbeit ist umständlich und anstrengend: es müssen, soweit wie möglich, alle Wurzeln entfernt werden, sonst schlägt der Kirschlorbeer wieder aus und alle Mühe war umsonst. Der Mann hat bereits eine Reihe kleinerer Exemplare ausgegraben, doch die hochgewachsenen Büsche machen ihm zu schaffen. Er lehnt seine Schaufel an einen Steinpfosten, der das eine Ende der Einfahrt zum Pausenhof markiert, verlässt diesen und geht zu seinem Kleinbus, den er ein paar Meter um die Ecke geparkt hat. Er umrundet den Wagen bis er zur Hinterseite kommt, dann sucht er etwas in der Tasche seiner grünen Latzhose, holt einen Schlüssel hervor – nicht zu weit hinein stecken, sonst blockiert das Schloss – und sperrt auf. Im Inneren befinden sich mehrere grüne und weiße Säcke mit Erde und Kunstdünger, sowie verschiedenste Werkzeuge, akkurat aufgereiht und einsortiert in schmalen Holzregalen. Er kriecht hinein bis zum Ende des Laderaums und greift sich eine elektrische Heckenschere. Dann klettert er rückwärts aus dem Laderaum, schließt die Heckklappe, sperrt wieder ab und geht zurück zum Pausenhof, die Heckenschere pendelt an seinem schlaff herabhängenden Arm. Als er zurück kommt, bemerkt er, dass der Pausenhof inzwischen mit lärmenden Schülern gefüllt ist; es ist die zweite Pause, 11:05 bis 11:25. Die vielen lauten und aufgedrehten Kinder machen den Mann nervös, er verkrampft sich und seine Haltung wird noch ein kleines bisschen geduckter, als sie ohnehin schon ist. Er geht langsam und vorsichtig zu seiner Schaufel zurück und packt sie mit der freien Hand. In seiner Nähe toben ein paar von den jüngeren Schülern herum, Jungs, um die zwölf Jahre. Sie raufen und schubsen sich gegenseitig, dabei lachen sie wild und aufgekratzt. Ein paar von den älteren Jungs stehen daneben, cool und abgeklärt und unterhalten sich.

      „...Alter, der Podolski war deluxe gestern, wie er den zweiten reingemacht hat, das war echt voll porno!“, sagt einer.

      „Mann, du hast doch echt null die Checkung, du Fußball-Philosoph. Den macht mein kleiner Bruder rückwärts mit dem Arsch rein!“ antwortet ein anderer. Ein dritter fragt:

      „Habt ihr das Spiel überhaupt gesehen, ihr Opfer? Euch hat die Mami doch bestimmt schon um sieben ins Betti gesteckt...“

      Der Mann schleicht in gebückter Haltung an ihnen vorbei, die Heckenschere in der einen und die Schaufel in der anderen Hand. Er zuckt zusammen, als er aus dem Augenwinkel bemerkt, wie zwei der Fußball-Diskutanten mit dem Finger auf ihn zeigen und grinsend die Köpfe zusammen stecken. Stress-Hormone überfluten seinen Körper; er reißt sich zusammen, richtet sich etwas auf und geht weiter. Nach ein paar Metern kommt er an einer Gruppe Mädchen vorbei, die ziemlich aufgetakelt und geschminkt sind, sie sind etwa fünfzehn oder sechzehn Jahre alt und kichern hysterisch. Als sie ihn bemerken, hören sie auf zu lachen und stecken die Köpfe zusammen, dann ziehen sie ab und gehen in eine andere Ecke des Pausenhofs. Der Mann bleibt stehen und sieht ihnen eine Weile lang hinterher, sein Gesicht ist ausdruckslos aber seine verkrampfte Haltung entspannt sich ein winziges bisschen. Dann schreitet er langsam die Hecke ab; er kann sich nicht entscheiden, wo er anfangen soll, er kann auf keinen Fall jetzt seine Heckenschere anwerfen; eine diffuse Angst kurz vor der Panik lähmt ihn. In diesem Moment ist er ein Tier, das zugleich wegrennen und angreifen muss und reglos verharrt, weil die beiden Impulse sich gegenseitig blockieren. Er stellt sich in eine Ecke an's andere Ende der Büsche und schaut dem Treiben auf dem Pausenhof zu; die Heckenschere und die Schaufel hat er noch immer in der Hand, die weiß und blutleer geworden ist vom verkrampften Zupacken. Dann erklingt der Gong, die Pause ist zu ende. Die Kinder strömen schwatzend und lärmend zurück ins Schulgebäude, es wird schnell wieder still auf dem Pausenhof. Der Mann atmet tief durch und langsam entspannt er sich wieder, seine Panik verflüchtigt sich. Er stellt seine Schaufel ab und wirft die Heckenschere an. Mit einem fräsenden Geräusch setzten sich die Schneidezähne in Bewegung und trennen einen dicken Ast vom Stamm eines der Büsche, dann noch einen. Aus dem Augenwinkel sieht der Mann, wie die Gruppe Mädchen, an denen er vorher vorbei gegangen ist, als letzte das Schulgebäude betritt. „Der Frühling ist eine schöne Jahreszeit, da wächst und gedeiht alles“, denkt er sich.

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