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Die drei von Cordova. Edgar WallaceЧитать онлайн книгу.

Die drei von Cordova - Edgar Wallace


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Weile brütete er schweigend vor sich hin.

      »Verzeihen Sie«, sagte Poiccart, der bis dahin still zugehört hatte, »Sie scheinen sich außerordentlich für die ›Vier Gerechten‹ zu interessieren. Nehmen Sie bitte meine Frage nicht übel – warum liegt Ihnen soviel daran, ihren Aufenthaltsort zu erfahren?«

      »Es ist reine Neugierde«, erwiderte der Arzt schnell. »In gewisser Beziehung studiere ich nämlich auch das Verbrechen – wie Mr. de la Monte.«

      »Da sind Sie aber ein erstaunlich eifriger Student«, meinte Manfred.

      »Ich hatte gehofft, daß Sie in der Lage sein würden, mir zu helfen«, fuhr Essley fort, ohne Manfreds anzügliche Bemerkung zu beachten. »Aber ich habe nur von Ihnen erfahren, daß die ›Vier Gerechten‹ in Spanien sind, und auch das ist weiter nichts als eine Vermutung.«

      »Vielleicht sind sie auch gar nicht in Spanien«, sagte Manfred, als er seinen Besucher zur Tür begleitete. »Vielleicht existieren sie nicht einmal. Ihre Furcht ist wahrscheinlich völlig unbegründet.«

      Der Doktor fuhr herum. Er war kreidebleich geworden.

      »Furcht?« Essley atmete schnell. »Sagten Sie etwas von Furcht?«

      »Es tut mir leid«, antwortete Manfred lachend, »vielleicht kann ich mich englisch nicht so korrekt ausdrücken.«

      »Warum sollte ich sie denn fürchten?« fragte der Doktor gereizt. »Ihre Worte waren wirklich unglücklich gewählt. Ich brauche mich weder vor den ›Vier Gerechten‹ noch vor sonst jemand zu fürchten.«

      Er stand keuchend in der offenen Tür. Mit sichtlicher Anstrengung riß er sich zusammen; er zögerte noch einen Augenblick und verabschiedete sich dann mit einer steifen Verbeugung.

      Er ging die Treppe hinunter, trat auf die Straße und eilte zu seinem Hotel hinüber. An der Ecke stand ein Bettler, der müde die Hand hob.

      »Um Gottes und der Heiligen willen«, wimmerte er.

      Fluchend schlug Essley mit seinem Stock nach der Hand, traf sie aber nicht, denn der Bettler war außergewöhnlich schnell. Gonsalez war zwar bereit, alle mögliche Unbill auf sich zu nehmen, aber Narben und Striemen wünschte er keinesfalls an seinen zarten Händen zu haben.

      Als Essley in seinem Zimmer angekommen war, schloß er die Tür ab und ließ sich in einen Sessel fallen, um nachzudenken. Er verwünschte seine eigene Torheit – es war ein wahnsinniger Fehler, die Fassung zu verlieren, selbst in Gegenwart eines so unbedeutenden Menschen wie dieses spanischen Dilettanten, der etwas von Kriminalwissenschaft verstehen wollte.

      Der erste Teil seiner Aufgabe war beendet – er mußte sich eingestehen, daß er keinen Erfolg gehabt hatte. Aus der Tasche seines Mantels nahm er einen Reiseführer für Spanien und blätterte darin, bis er den Stadtplan von Cordova fand. An der gleichen Stelle lag noch ein anderer Plan in dem Band; er war anscheinend von jemand gezeichnet worden, der besser mit der Örtlichkeit selbst als mit der Kunst des Kartenzeichnens vertraut war.

      Von Dr. Cajalos hatte er zum erstenmal durch einen spanischen Anarchisten gehört, den er auf seinen merkwürdigen nächtlichen Streifzügen durch London getroffen hatte. Nachdem er mit dem Mann eine Flasche Wein getrunken hatte, erzählte dieser von den ans Wunderbare grenzenden Kräften des Hexenmeisters von Cordova und erwähnte dabei Dinge, die das lebhafteste Interesse des Arztes fanden. Er hatte daraufhin einen Briefwechsel mit Dr. Cajalos begonnen, und nun war er hier, um ihn persönlich aufzusuchen.

      Essley schaute auf die Uhr. Es war beinahe sieben. Er wollte erst zu Abend speisen und sich dann umziehen. Schnell wusch er sich, doch drehte er trotz der hereinbrechenden Dunkelheit das Licht nicht an. Dann ging er in den Speisesaal.

      Er saß an einem Tisch für sich allein und vertiefte sich sofort in eine englische Zeitschrift, die er mitgebracht hatte. Ab und zu machte er bei der Lektüre Notizen in ein kleines Buch, das neben seinem Teller lag. Seine Aufzeichnungen standen aber weder in Beziehung zu dem Artikel, den er las, noch zu den medizinischen Wissenschaften; sie handelten vielmehr von der finanziellen Seite eines Plans, der ihm eben in den Sinn kam.

      Nach dem Essen bestellte er noch Kaffee. Dann erhob er sich, steckte das kleine Notizbuch in die Tasche, nahm die Zeitschrift und ging auf sein Zimmer zurück. Dort drehte er das Licht an und zog die Vorhänge zu. Er stellte einen kleinen Tisch unter die Lampe und holte aus seinem Koffer eine Menge engbeschriebener Blätter, die er vor sich ausbreitete. Auch sein Notizbuch holte er wieder hervor. Er arbeitete mehrere Stunden. Dann hielt er plötzlich inne, als ob er von einem unsichtbaren Wecker an seine Verabredung erinnert worden wäre.

      Schnell packte er die Papiere fort, zog einen Mantel an und drückte sich den weichen Filzhut tief ins Gesicht. Er verließ das Hotel und schlug den Weg nach der Calahorrabrücke ein. Die Straßen, die er durchschritt, lagen einsam und verlassen da; er zögerte nicht im geringsten, denn er hatte seinen Plan vorher eingehend studiert.

      Er tauchte in einem Gewirr von engen Straßen unter, und erst am Eingang einer dunklen Sackgasse hielt er einen Augenblick an. Eine düstere Straßenlampe im Hintergrund machte die Gasse noch unheimlicher. Zu beiden Seiten erhoben sich hohe, fast fensterlose Häuser, deren Türen in finsteren Nischen lagen. Nach kurzem Zaudern klopfte Essley zweimal an eine Tür zur Linken.

      Sie öffnete sich sofort geräuschlos.

      Wieder zögerte er.

      »Treten Sie ein«, sagte eine Stimme auf spanisch, »Sie brauchen sich nicht zu fürchten.«

      Essley ging hinein, und die Tür schloß sich hinter ihm.

      »Kommen Sie mit.«

      Der Doktor konnte in der Dunkelheit nur undeutlich die Gestalt eines kleinen alten Mannes wahrnehmen. Er ging weiter und wischte sich dabei den Schweiß von der Stirn.

      Der alte Mann knipste eine Lampe an, und Essley betrachtete ihn nun genauer. Er war zwergenhaft klein. Ein ungepflegter, langer weißer Bart bedeckte seine Brust; der Kopf war völlig kahl, so glatt wie eine Kugel. Das schmutzige Gesicht, die unsauberen Hände, die ganze Erscheinung zeugten davon, daß er kein Freund von Wasser war.

      Ein paar schwarze, tiefliegende Augen funkelten den Doktor an. Die vielen kleinen Lachfältchen um die Augenwinkel deuteten an, daß er auch lustig sein konnte. Das war also Dr. Cajalos, ein Mann, der in Spanien berühmt war.

      »Nehmen Sie Platz«, sagte Dr. Cajalos. »Wir wollen in Ruhe miteinander sprechen. Für später hat sich eine vornehme Dame angemeldet, die mich konsultieren will.«

      Essley ließ sich nieder, und Dr. Cajalos setzte sich auf einen hohen Schemel. Er bot einen sonderbaren Anblick mit seinen herunterhängenden kleinen Beinen, seinem steinalten Gesicht und seinem kahlen, glatten Schädel.

      »Ich schrieb Ihnen über gewisse toxikologische Experimente –«, begann Essley, aber Dr. Cajalos unterbrach ihn.

      »Sie kommen wegen eines Mittels, das ich bereitet habe«, sagte er. »Es ist ein Präparat aus …«In der ersten Auflage dieses Buches wurde der Name des Giftes genannt. Es ist dem Autor aber von verschiedenen Seiten bedeutet worden, daß es nicht wünschenswert erscheine, den genauen Namen anzugeben. Der Autor hat sich diesen Vorstellungen nicht verschließen können. Das Gift ist den Augenärzten wohlbekannt, und seine Wirkung ist in diesem Buch richtig beschrieben.

      Essley sprang auf. »Ich … ich habe … Ihnen davon nichts geschrieben«, stammelte er.

      »Der grüne Teufel hat mir das erzählt; ich unterhalte mich oft mit den Bettlern, und da erfahre ich vieles von Bedeutung«, erwiderte Dr. Cajalos ernst.

      »Ich dachte –«

      »Sehen Sie her!«

      Der Alte kletterte behende von seinem hohen Schemel herunter und ging in eine dunkle Ecke des Zimmers, wo einige Kisten standen. Essley hörte ein scharrendes Geräusch. Nach einiger Zeit kam Dr. Cajalos mit einem zappelnden Kaninchen zurück, das er an den Ohren gepackt hatte.

      Mit der freien Hand entkorkte er eine kleine grüne Flasche und stellte sie auf den Tisch. Dann nahm er


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