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Ein gerissener Kerl. Edgar WallaceЧитать онлайн книгу.

Ein gerissener Kerl - Edgar Wallace


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den Anschluß verpaßt und telefoniert. Jetzt kam er und stammelte Entschuldigungen. Er war ein sehniger Mann mit gebräuntem Gesicht, wie es Leute haben, die den größten Teil ihres Lebens in freier Luft zubringen.

      »Ich haben den Zweijährigen gekauft«, begann er, während der Diener ihm den Stuhl zurechtrückte und ihm ein Glas Portwein eingoß. »Aber ich muß Ihnen sagen, Mr. Braid, daß ich nicht sonderlich begeistert bin. Er ist dreimal dieses Jahr gelaufen und, obwohl er in dem einen Rennen gezeigt hat, was er kann, schwört sein früherer Trainer, daß er ein Verbrecher ist.«

      Braid lächelte.

      »Alle Pferde sind Verbrecher, wenn man sie nicht versteht«, belehrte er. »Ich bin in meinem Leben nur zwei unverbesserlichen Sündern begegnet. Ich wette, was Sie wollen, ›Quintil‹ gehört nicht zu dieser Sorte.«

      Mr. Sanford trainierte Braids Pferde in Berkshire, einige Meilen hinter Newbury. Nachdem der Diener sich entfernt hatte – dieser teilnehmende junge Mann wäre viel lieber im Zimmer geblieben und hätte zugehört –, hatte Sanford eine Menge Neuigkeiten zu berichten. Braid hörte aufmerksam zu und sprach selbst nur wenig.

      »Übrigens, Mr. Braid, ist da so ein neuer Kiebitz bei unserem Training erschienen. Ich kenne mich nicht in ihm aus. Gewöhnlich taucht er Sonnabend und Sonntag früh auf. Es ist keiner von den Regelmäßigen – ich sehe ihn nur am Weekend – also kein echter Trainingskiebitz. Er hat ein Haus in der Nachbarschaft. Sie erinnern sich vielleicht an das alte, rote Gebäude – muß wohl schon hundertzwanzig Jahre alt sein – war in vorgeschichtlichen Zeiten eine Pfarre – dann kam es an einen Müller. Ist nicht größer als 'ne Scheune ... rechts von der Straße, wenn man von Newbury kommt.«

      Braid hatte kein sonderliches Interesse an Kiebitzen und alten Häusern, erklärte aber höflich, daß er sich an den Ort erinnere.

      »Ich hab' keine Ahnung, was dieser Mann dort treibt oder was er auskundschaften will. Ich glaube, es ist ein Deutscher.«

      Anthony Braid öffnete die Augen: »Ein Deutscher?«

      »Ich glaube. Genau weiß ich's nicht«, erklärte der vorsichtige Sanford. »Einige von den anderen Trainern verbaten sich das Bekiebitzen ihrer Pferde, aber ich denke eher, er kommt, um sich ein paar Augenblicke zu erholen, obwohl man natürlich nie wissen kann, was diese Kiebitze im Schilde führen. Ich erinnere mich, vor einigen Jahren ...«

      Tony Braid ließ eine endlose Geschichte von einem Kiebitz über sich ergehen, der irgendeine merkwürdige Rolle gespielt hatte und in ein höchst wichtiges Verfahren verwickelt worden war. Endlich unterbrach er.

      »Weshalb halten Sie ihn für einen Deutschen?«

      »Sein Name klingt mir deutsch«, erläuterte Sanford. »Max Guelder.«

      Tony Braid setzte sich steif im Stuhl auf.

      »Rex Guelder, meinen Sie! Wie sieht er aus? Ein dicker Mann mit Brille und einem kleinen Schnurrbart?«

      Sanford nickte.

      »Das ist genau seine Beschreibung. Er ist doch ein Deutscher, nicht wahr?«

      »Holländer«, sagte Braid und lehnte sich im Stuhl zurück. Seine Langeweile war plötzlich verflogen. »Haben Sie sonst noch jemanden dort bemerkt?«

      »Ja, manchmal kommt noch ein Mann«, bestätigte Sanford, »offenbar ein Reicher. Er fährt einen prachtvollen Wagen.«

      »Ziemlich jung?« erriet Braid, »mit einem roten Gesicht?«

      Sanford nickte wieder. »Das ist er. Er kommt aber nicht oft. Ich habe ihn nur zwei-, dreimal gesehen oder vielmehr, ich habe seinen Wagen im Hof gesehen.«

      Tony Braid war sehr nachdenklich geworden. Er kannte Rex Guelder nur als eine Art schwerfälliges Faktotum des sehr schlauen und skrupellosen Julian Reef. Er wunderte sich ein wenig, daß Julian an Rennproben Interesse finden sollte.

      »Wahrscheinlich war er nur zufällig dort«, sprach er seine Gedanken laut aus. »Ich glaube nicht, daß Mr. Guelder sich für Rennen interessiert. Doch darüber werden wir sehr bald Gewissheit haben. Ein Freund besucht mich um zehn ...«

      Während er noch sprach, läutete die Glocke an der Haustür. Wenige Sekunden später meldete der Diener den Besuch.

      Der dünne Mr. Elk zerbiß den Zigarrenstummel im Mundwinkel. Er schlurfte ins Zimmer, nickte Tony zu, warf nachlässig einen Blick aus halbgeschlossenen Lidern auf den Trainer und setzte sich dann auf den Stuhl, den der Diener ihm zuschob. Er ließ seine Blicke durch das Zimmer wandern, über die alten Meister an der Wand, die unschätzbaren Gobelins und schmunzelte.

      »Genauso denke ich mir 'ne Kaschemme«, scherzte er.

      Braid schob ihm die Zigarrenkiste hin, er wählte mit Kennerblick eine Corona.

      »Zigarren sind meine Schwäche«, erklärte er. »Hab' mir dieses Laster in Amerika angewöhnt. Für eine Kiste guter Odoras hätte ich den Mörder Crippen entspringen lassen.«

      Er biß die Spitze ab, zündete die Zigarre an und sog schwelgerisch.

      »Ich bin durchaus für Korruption und Bestechung«, gestand er. »Was ist in der Karaffe, Mr. Braid? Sieht aus wie rote Tinte. Ist es wohl auch?«

      Er schob den Diener beiseite und goss sich selbst ein.

      »Trinken und Rauchen sind der Ruin des unteren Mittelstandes – und Wetten«, fügte er hinzu. »Man erzählt mir, daß Ihr Gaul, Barley Tor, den Steward-Pokal gewinnen wird. Ich bezweifle das.«

      »Mr. Sanford wird Ihnen darüber einige Andeutungen machen können«, wies ihn Braid zurecht.

      Elk nickte.

      »Ich erkannte Mr. Sanford sofort – sah sein Bild neulich in der Zeitung – ein sehr vornehmes Sportblatt. Alles Bilder von Leuten, die sich bei den Rennen wichtig tun: Lord dies und Lady das, die ehrenwerte Frau Soundso mit dem ehrenwerten Herrn Auchdabei. Das nenn' ich Vornehmheit. Nicht der ›Barley Tor‹ wird den Steward-Pokal gewinnen ...«

      Er wollte weiterreden, doch da unterbrach ihn Braid.

      »Sie kennen doch alle Leute, die sich auf den Rennbahnen herumtreiben?«

      Elk bejahte.

      »Kennen Sie einen Mann namens Rex Guelder – einen Holländer?«

      Zu seinem Erstaunen bejahte Elk wieder. »Der System-Onkel. Ja, ich kenne den Mann, der für ihn Wetten bucht. Wissen Sie, wenn ein Ausländer den Rennfimmel hat ...!«

      »Aber Sie meinen ganz sicher einen anderen«, rief Braid, »der Mann, den ich meine, ist ...«

      »Ist Prokurist bei Julian Reef, Esquire, Millionär und das Gegenteil«, ergänzte Elk. »Ich irre mich übrigens nie, Mr. Braid, vor allem nicht in diesem besonderen Fall. Denn ein Mitglied des Buchmacherstandes, der sich mein Freund nennt, Isidor Wayne, fragte mich, ob ich diesen armen Holländer kenne, der mit dreitausend Pfund bei ihm zu Buch steht. Und Wayne leidet lange, ehe er mal jammert.«

      Trainer und Besitzer wechselten vielsagende Blicke.

      »Ich will Ihnen noch etwas sagen. Guelder hat mich ja gerade auf die Spur Ihres Renommiergauls ›Barley Tor‹ gebracht. Er hat bei Wayne hoch auf ihn gesetzt.«

      »Dann kiebitzt er doch!« fiel Sanford heftig ein. »Er war auf dem Rasen, als ich ›Barley Tor‹ neulich mal auslaufen ließ.«

      »Warum nennen Sie ihn ›System-Onkel‹?« erkundigte sich Braid.

      Mr. Elk seufzte schwer.

      »Wenn ich irgend etwas auf der Welt hasse, Mr. Braid, dann sind es lange Erklärungen«, sagte er, »aber so nennt ihn der alte Wayne. Er setzt auf Pferde nach einem gewissen System. Dieser Guelder hat offenbar den Wissenschaftstick. Er war Professor oder so etwas, geriet aber in Schwierigkeiten und verließ Amsterdam vor einigen Jahren mit ziemlicher Plötzlichkeit – vielleicht war's auch Rotterdam. Jedenfalls war ein ›dam‹ dabei, das weiß ich genau. Wir erhielten keine Anfragen von der niederländischen Polizei. Mit dem Mädel war


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