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Ein gerissener Kerl. Edgar WallaceЧитать онлайн книгу.

Ein gerissener Kerl - Edgar Wallace


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ihn einen Lügner. Das ist nach dem Ehrenkodex eine Todsünde. An seiner Stelle hätte ich genauso gehandelt.«

      Diese Auskunft betrübte und verwirrte sie. »Das tut mir furchtbar leid ... Ich habe Tony sehr gern. Vater, ist das wirklich dein Ernst, daß er dich nicht mehr besuchen darf?«

      »Bitterster Ernst«, entgegnete Frensham kurz.

      Sie sah Julian an, wollte etwas sagen, unterdrückte es aber und verließ das Zimmer.

      Reefs tückische Augen blickten ihr nach.

      »Unbegreiflich«, sagte er, als spräche er in Gedanken.

      »Was?« Frensham blickte rasch auf. »An dieser Freundschaft ist durchaus nichts unbegreiflich. Ich kann mir sehr gut vorstellen, daß dieser Mann auf ein Mädchen einen bezwingenden Zauber ausübt.«

      Julian nickte sehr bedächtig. »Ursula hat ein sehr empfängliches Gemüt«, sagte er. Ein Unterton in seiner Stimme machte den alten Mann stutzig.

      »Du glaubst doch nicht etwa, daß er ihr den Kopf verdreht oder ... Dummheiten ...?«

      Julian Reef war auf gefährlichem Boden. Doch im Hintergrund lauerten ernstere Gefahren. Als Ablenkungsmanöver schien ihm dieses Thema gerade recht.

      »Ich will nicht behaupten, daß er ihr den Kopf verdreht oder ihr Liebeserklärungen gemacht hat. So was tut man heutzutage nicht mehr. Man treibt in ein gegenseitiges Verstehen hinein und gleitet dann unversehens in die Ehe. Ich glaube, du hast ihn gerade noch im letzten Moment an die Luft gesetzt.«

      Er nahm seinen Hut.

      »Jetzt muß ich schleunigst in mein Büro. Mein Professor Guelder ist ein grimmiger Sklavenhalter.«

      »Wo hast du diesen Holländer eigentlich aufgegabelt?«

      »Ich habe ihn vor zwölf Jahren in Leyden kennengelernt«, gab Julian geduldig Bescheid. Frenshams Gedächtnis wurde immer schlechter. Immer wieder stellte er dieselben Fragen. »Ich hörte an der Universität Chemie; er war dort einer der jüngeren Professoren. Ein außerordentlich kluger Bursche.«

      Lord Frensham kaute nachdenklich an seiner Unterlippe. »Ein Chemiker ...? Was versteht der von Finanzgeschäften? Ja«, bedachte er langsam, »ich erinnere mich, du hast mir erzählt, daß er Chemiker ist und nichts von Finanzgeschäften versteht. Ich begreife nicht, wozu du ihn in deinem Büro in einer Vertrauensstellung hältst.«

      »Gerade, weil er etwas von Chemie versteht«, lächelte Reef. »Bei meinen Minengeschäften werden mir oft die abenteuerlichsten Pläne unterbreitet. Da ist mir ein Mann sehr wertvoll, der mir genau die geologischen Formationen angeben kann, aus denen ein Mineral stammt.«

      Er hatte die Hand auf der Türklinke, als Frensham ihm nachrief: »Einen Augenblick, Julian! So eilig hast du's wohl nicht. Natürlich berührt mich nicht im geringsten, was dieser Mensch von Ursulas Geld angedeutet hat. Aber – es ist doch wohl alles in Ordnung, wie? Ich habe neulich die Liste der Papiere überprüft. Sie scheinen ziemlich gut und sicher.«

      Julian hatte einen sehr ausdrucksvollen Mund. Jetzt verriet er gutmütigen Ärger.

      »Soviel ich weiß, hat Ursula ihre Halbjahresdividenden pünktlich erhalten«, grollte er. »Aber natürlich, wenn du dem Rat des ›gerissenen Kerls‹ folgen willst – dieser Bursche wird auf seine alten Tage schrecklich ehrlich und bedenklich! –, dann schicke ruhig deinen Buchhalter zu mir, mein lieber Onkel, und laß ihn die Papiere mitnehmen oder gib sie einer Bank –«

      »Red keinen Unsinn!« unterbrach Frensham hastig. »Kein Mensch hat behauptet, daß du das Vermögen nicht genauso verwalten kannst wie irgendeine Bank. Du hast doch keins der Papiere ausgetauscht?«

      »Natürlich habe ich sie ausgetauscht!« rief Julian heftig. »Wenn ich sehe, daß eine Aktie unrentabel wird, stoße ich sie ab und kaufe eine günstigere. Ich habe mir über Ursulas Geld in diesem letzten Jahr mehr den Kopf zerbrochen als über alle meine eigenen Geschäfte. Als ich zum Beispiel die erste Nachricht von der Baisse in Brasilien erhielt, verkaufte ich die Brasilianischen Eisenbahn-Aktien, ehe der Markt flau wurde. Damit habe ich ihr über tausend Pfund gerettet. Du wirst dich auch erinnern, daß ich dir mitteilte, daß ich die Spanischen Straßenbahn-Aktien –«

      »Ich weiß, ich weiß«, unterbrach Frensham ihn eilig.

      »Es liegt mir fern zu behaupten, daß du das nicht glänzend gemacht hast. Nur, sieh mal, Julian, ich bin ein armer Mensch und nicht sehr vorsichtig. Aber ich muß an Ursulas Zukunft denken.«

      Damit verließ ihn Mr. Julian Reef. Auf dem Weg zu seinem Büro überlegte er, was wohl geschehen wäre, wenn der Onkel seinen Vorschlag angenommen und Ursulas Vermögen in die Hände eines tüchtigen Bankiers gelegt hätte. Denn die Aktien im Wert von sechzigtausend Pfund, die er für sie verwaltete, waren durchaus kein pures Gold mehr.

      3

      Ursula Frensham hatte ein kleines Auto, und Lord Frenshams Villa in Hampstead bot ihr willkommene Gelegenheit, das Haus in London nach Belieben zu verlassen. Sie kannte Tonys Gewohnheiten. Er war ein leidenschaftlicher Fußgänger. Wenn er ihren Vater im Büro in der City besuchte, pflegte er seinen Wagen vorauszuschicken und ließ ihn an der Parkecke in der Avenue Road warten. Er hatte die Hälfte der Fitzjohn Avenue zurückgelegt, als Ursula in ihrem Zweisitzer in die Straße einbog und ihn anrief. Er drehte sich mit einem solchen Ruck um, daß sie gewahr wurde, daß sie ihn aus tiefstem Sinnen aufgestört hatte.

      »Steigen Sie ein – Sie Kampfhahn«, gebot sie ernst.

      »Ich bin zwar allerhand«, erwiderte er und setzte sich an ihre Seite, »aber ein Kampfhahn bin ich nicht. Ist es übrigens nicht ein bißchen komisch, mit einem Zylinder in einem Sportwagen zu thronen?«

      »Sie können ja tun, als ob Sie der Hausarzt wären«, entgegnete sie schlagfertig. »Aber wirklich Tony, Sie haben mich sehr gekränkt. Vater ist wütend. Der arme Julian!«

      »Ich schäme mich sehr«, gestand er. »Meine alten südafrikanischen Unsitten hängen mir noch schrecklich an.«

      »Ja, Sie sind ein Barbar«, zürnte sie. »Was ist denn los, Tony? Womit haben Sie denn alle so erbittert? Ich weiß ganz genau, daß Sie Julian gereizt haben. War es wegen meines Geldes?«

      Er blickte sie verdutzt an. »Haben sie Ihnen das gesagt?« fragte er.

      Sie schüttelte den Kopf.

      »Nein, ich hab's geraten«, sagte sie ruhig. »Ich mache mir auch Sorge, Tony – nicht meinetwegen, aber ich glaube, wenn mit meinem Geld etwas geschähe, das würde wohl Vaters Ende sein. Sie müssen bedenken, der arme, liebe Mann hat sein ganzes Leben lang geschuftet und sich abgerackert. Der Titel hat ihm nichts eingebracht als alte Landhäuser voller Hypotheken und böswilliger Pächter. Tatsächlich versteht Väterchen nichts von Geschäften.«

      »Und Julian?« fragte Tony und blickte gerade vor sich hin auf die Straße.

      Eine Weile blieb sie die Antwort schuldig.

      »In Julian kenne ich mich nicht aus. Und eigentlich müßte man doch den Mann genau kennen, den man heiraten soll.«

      Er riß die Augen weit auf.

      »Bitte, halten Sie. Mir ist übel«, rief er mit heftiger Ironie. »Wessen Idee ist das? – Julians?«

      »Vaters.« Sie starrte finster vor sich hin.

      »Natürlich liegt es im Grund sehr nahe. Tony, glauben Sie wirklich, daß Julian ein guter Finanzmann ist? Ich glaub's nicht.«

      »Warum?« forschte er.

      Er war überzeugt, daß nur ein sehr beschränkter Kreis der City Julian Reefs kleine Geheimnisse kannte.

      »Nun, nur eine Kleinigkeit. Er hat Aktien von mir verkauft. Bluebergs heißen sie. Kennen Sie die?«

      Er nickte. »Eine sehr gesunde Gesellschaft. Zahlt eine enorme Dividende. Warum hat er die verkauft?«

      Sie


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