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Die Millionengeschichte. Edgar WallaceЧитать онлайн книгу.

Die Millionengeschichte - Edgar Wallace


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ich Sie nun doch erwischt?«

      »Nein, ich habe keine Schwester, die ich verheiraten möchte«, entgegnete Sands gleichgültig. »Aber Sie versauern hier mit der Zeit tatsächlich und ärgern sich über die ganze Welt. Schließlich könnte das durch eine Heirat gebessert werden. Sie haben außerdem so oft davon gesprochen, daß Sie heiraten wollen, um Ihre Verwandten zu ärgern, daß ich mich immer wundere, warum Sie Ihr Vorhaben nicht endlich einmal ausführen.«

      »Ich habe doch keine Verwandten. Habe ich Ihnen das noch nicht oft genug erklärt?« entgegnete Leman scharf. »Da ist doch nur dieses junge Mädchen und ihre Mutter. Die alte Frau ist ein unnützes Wesen, das einmal meinen Bruder Tom geheiratet hat, und wenn der das Geld nicht mit vollen Händen zum Fenster hinausgeworfen hätte, brauchte ich die Frau heute nicht zu unterhalten. Aber der war natürlich großspurig und sagte dem Kellner immer, er brauchte ihm nichts herauszugeben. Aber was sollte ich denn mit einer Frau anfangen?«

      »Und was sollte eine Frau mit Ihnen anfangen? Das ist die andere Frage. Aber nehmen wir einmal an, Sie fänden die richtige Frau, die Sie heiraten und die Ihnen keine Unannehmlichkeiten bereiten und getrennt von Ihnen irgendwo auf dem Kontinent leben würde?«

      »Das ist der dümmste Vorschlag, den Sie mir jemals gemacht haben. Gehen Sie jetzt, ich möchte mich zur Ruhe legen!«

      John Sands ging zum Hotel, in dem er telefonisch ein Zimmer bestellt hatte, saß noch lange in einem Lehnsessel vor dem Fenster und überlegte hin und her. Schließlich hatte er einen Plan ausgedacht. Den Millionär hatte er auf einem Dampfer kennengelernt, und zwar auf der Fahrt von den Vereinigten Staaten nach England. Die beiden hatten eine merkwürdige Freundschaft miteinander geschlossen, die hauptsächlich darauf beruhte, daß John Sands ein sehr ruhiges und ausgeglichenes Temperament besaß und vorzüglich Piquet spielte. In seiner Jugend hatte er ein nicht allzu großes Vermögen geerbt und dann sein Geld in einer Fabrik in Connecticut angelegt, die genügend Verdienst abwarf, um ihm ein bequemes, sorgenloses Leben in London zu ermöglichen. Er hatte natürlich Harry Leman dem Namen nach gekannt, denn der Millionär war einer der großen, ungekrönten Könige, und die Presse verherrlichte ihn seit zwanzig Jahren. Die Zeitungsleute kannten seine Schwäche, daß er gern über sich reden hörte. Auf der anderen Seite war er unglaublich geizig. Aber es machte ihm Spaß, Geschichten und Witze darüber zu lesen.

      John Sands ärgerte sich, daß ein so reicher Mann seine Tage nutzlos verbrachte und eigentlich nichts vom Leben hatte. Harry Leman gab kaum mehr als einen Dollar pro Tag für seinen Unterhalt aus. Er rauchte billige Zigarren und renommierte damit, daß er sich in den letzten fünfzehn Jahren keinen neuen Anzug hatte machen lassen. Während der Überfahrt von den Vereinigten Staaten nach England hätte er sich natürlich die teuerste Kabine leisten können, aber er fuhr in einer Innenkabine, die er außerdem noch mit einem anderen teilte.

      John Sands hatte im Gegensatz zu ihm eine der besten Kabinen an Bord des Luxusdampfers belegt, und er ließ sich mindestens zwölf verschiedene Anzüge im Jahr machen. Als er Lemans Eigenheiten kennenlernte, ärgerte er sich zuerst darüber, dann lachte er, und schließlich wurde er nachdenklich.

      John verbrauchte alles Geld, das er verdiente, bis zum letzten Dollar, und immer hatte er etwas davon gehabt. Jedenfalls machte er sich das Leben so bequem und angenehm wie möglich. In letzter Zeit war der Ertrag seiner Fabrik geringer geworden; infolgedessen hatte er seinen Chauffeur entlassen und auch die beiden Rennpferde verkaufen müssen, die er in New Market trainieren ließ. Damit waren auch seine Aussichten und Hoffnungen auf einen großen Rennsieg und dementsprechende Gewinne gesunken.

      Und nun saß er vor dem Kaminfeuer in seinem kleinen Hotelzimmer am Tavistock Square, baute Luftschlösser und träumte von besseren Zeiten.

      Währenddessen suchten viele Polizisten im Regen das Gehölz südlich von Whitecross Hill ab. Ab und zu blieben sie stehen und fluchten nicht wenig auf Margaret.

      »Ich gehe die höchste Wette ein, daß sie irgendeinen Bekannten hatte, der sie hier abholte«, sagte ein dicker Sergeant und entkorkte seine Whiskyflasche. Er hatte sich unter denselben großen Baum gestellt, unter dem Margaret von John Sands gefunden wurde. »Hübsch war das Frauenzimmer – nach allem, was man gehört hat. Aber daß man ausgerechnet bei einem solchen Schweinewetter nach ihr suchen soll, ist doch wirklich gemein! Na, wir wollen uns einmal stärken.«

      Der Beamte neben ihm nahm die Flasche und tat auch einen Zug.

      »Wenn ihr irgendein Mann zur Flucht verholfen hat, dann hoffe ich nur, daß sie ihn genauso behandelt wie ihren früheren!«

      4

      Margaret Maliko stützte sich auf den Ellbogen und sah blinzelnd in den hellen Sonnenschein, der zum Fenster hereinströmte. Zuerst schaute sie bestürzt um sich, aber dann erinnerte sie sich an die Ereignisse des vergangenen Abends.

      Sie sprang aus dem Bett, ging im Zimmer umher und bewunderte die prächtige Einrichtung. Mr. Sands hatte wirklich eine ausgesprochene Vorliebe für Luxus und Wohlleben.

      Bürsten und Kämme waren aus echtem Schildpatt und Silber; die venezianischen Glasvasen und die prachtvollen Radierungen zeugten von geschmackvoller Auswahl. In der Fensternische stand ein zierlicher Empireschreibtisch. Schließlich trat sie in die Mitte des Zimmers und freute sich an dem harmonischen und luxuriösen Gesamteindruck. In einem solchen Hause ließ es sich leben!

      Vorsichtig öffnete sie dann die Tür und hörte, daß unten jemand den Staubsauger in Tätigkeit setzte. Auf Zehenspitzen schlich sie zum Treppengeländer und spähte nach unten, wo sie eine ältere Frau bei der Arbeit sah.

      »Ist Mr. Sands schon zurückgekommen?« fragte sie.

      Die Frau schaute nach oben.

      »Ja, er war vor ungefähr einer halben Stunde hier«, rief sie hinauf. »Haben Sie mir alles aufgeschrieben, was ich besorgen soll? Mr. Sands hat auch die Zeitungen für Sie hiergelassen. Er sagte, Sie würden sie gern lesen.«

      Margaret zögerte.

      »Bringen Sie die Zeitungen herauf und legen Sie sie auf mein Bett. Ich bade inzwischen. Können Sie mir auch den Kaffee bringen?«

      »Ich habe das Frühstück schon fertig. Ihr Bruder sagte, ich sollte Sie nicht wecken, bis Sie mich selbst riefen.«

      Als Margaret in ihr Zimmer zurückkam, fand sie einen Stoß Tageszeitungen. John Sands hatte darin mit Blaustift Annoncen angestrichen, in denen Damengarderobe angeboten wurde.

      Sie war erstaunt, daß er sich soviel Mühe mit ihr machte.

      Dann nahm sie Papier und Bleistift und setzte eine Liste all der Dinge auf, die sie brauchte. Aber plötzlich kam ihr der beunruhigende Gedanke, daß sie kein Geld hatte. Wieder ging sie nach draußen und bemerkte, daß sich die Frau bereits zum Ausgehen angekleidet hatte.

      »Hat Mr. Sands denn nicht noch etwas für mich zurückgelassen? Vielleicht einen Brief?«

      »Ach ja, den habe ich ganz vergessen.«

      Die Frau kam mit einem Briefumschlag die Treppe herauf und reichte ihn Margaret durch die Türspalte. Sie öffnete ihn und fand darin zehn Banknoten zu je zehn Pfund. Das war reichlich, soviel brauchte sie gar nicht.

      »Hier ist die Liste. Nehmen Sie bitte einen Wagen.«

      Margaret war sehr vorsichtig und zeigte sich nicht in ihrem Kostüm, denn die Aufwartefrau würde natürlich alle Schlafröcke und Pyjamas ihres Herrn kennen, und schließlich durfte die Gutgläubigkeit der alten Frau nicht zu sehr auf die Probe gestellt werden.

      Sie kehrte zu ihrem Bett zurück und las sorgfältig alle Zeitungen durch. Jede hatte eine kurze Notiz über ihre Flucht aus dem Gefängnis gebracht. Margaret las auch eine Personalbeschreibung von sich selbst. Sie mußte lächeln, denn nach diesen dürftigen amtlichen Angaben würde es so leicht keinem Menschen gelingen, sie wiederzuerkennen, wenn er sie nicht vorher gesehen hatte. Die meisten Artikel glichen einander; das kam wahrscheinlich daher, daß die Polizei allen Blättern dieselbe Auskunft gegeben hatte. Aber als sie eine Bemerkung sah, wurde sie doch plötzlich ernst:


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