Zulassung zur Abschaffung - Die heillose Kultur - Band 2. Dr. Phil. Monika EichenauerЧитать онлайн книгу.
Ich-Strukturen benennen – wieder gefunden.
2. Die zweite Patientin war Krankenschwester in der Rheumaklinik in der ich als Psychologische Psychotherapeutin alleinig arbeitete. Sie kam, weil sie unerträgliche Rückenschmerzen hatte. Bei näheren Nachfragen meinerseits erzählte sie, dass sie ihr Leben wie ein Gefängnis erlebe. Sie wüsste nicht, wie sie dem entkommen sollte. „Sie befinden sich wohl in einem elendigen Kreislauf oder?“ fragte ich ihre Gefühle spiegelnd zurück. „Ja, das kann man wohl sagen...!“ erwiderte sie. Ich bat sie, im Kreis zu gehen und mir von ihrem Leben zu erzählen. Sie solle mal mit dem vergangenen Montag der letzten Woche anfangen. Sie schaute mich ungläubig an und folgte dann aber meinem Vorschlag. Sie erzählte und erzählte unter Weinen, wie sie lebte und was sie erlebte und lief in dem kleinen Kreis, den das Behandlungszimmer zuließ (,) wohl eine halbe Stunde lang. Dann passierte in ihr etwas, sie blieb stehen und sagte nur: „Ich habe verstanden. Ich habe keine Schmerzen mehr!“ erklärte sie unvermittelt und verabschiedete sich lachend. Zum nächsten Termin kam sie lachend ins Behandlungszimmer und sagte, es sei alles gut. Sie bräuchte keine Behandlung. Die Schmerzen seien weg geblieben. Leider konnte sie nicht verbalisieren, was passiert war. Sie konnte nur sagen, dass etwas passiert sei. Sie schenkte mir eine kleine goldene Muschel mit einer Perle darin. Meine Verneinung, dass ich doch keine Geschenke annehmen dürfe, ignorierte sie vehement und bestand darauf, sie mir zu schenken. Ich nahm sie dann auch an und folgte damit intuitiv höheren Gesetzen, um der Patientin durch das gemeinsame Arbeitsergebnis keine Schuldgefühle mit auf den Weg zu geben. Die Schmerzen waren ausgemerzt.
Soweit die Beispiele.
Die Seele und das, was Menschen aufgrund ihrer Krankheiten empfanden und welche emotionalen Ursachen mit ihnen verbunden sind, wurden von den Naturwissenschaften kaum in Betracht gezogen. Generell überhörten die Ärzte Hinweise von Patienten, die jeweilige Lebenssituationen, Beziehungsprobleme und sozialpolitische Auswirkungen betrafen und etwaige innere, sprich, seelische Vorgänge widerspiegelten. Es galt nur, was an Körperlichkeit stumm vor den Medizinern/Ärzten auf der Untersuchungsliege oder auf dem OP-Tisch lag. Folglich stellte dieser Typ von Mediziner oder Arzt die Fragen streng klinisch und fachbezogen ausschließlich in Bezug auf den Körper. Dieses Verständnis von Krankheit und Gesundheit spiegelt sich seit Jahrzehnten in der Verleugnung der hohen Zahlen missbrauchter und geschlagener Frauen oder missbrauchter, geschlagener und ermordeter Kinder wider, wie sie sich rückwirkend leicht rekonstruieren lassen und sich mit Fallzahlen heutzutage vergleichend darstellen. Wie man weiß, griffen Frauen zur Selbsthilfe in Form von Initiativen und Vereinen wie, „Gewalt gegen Frauen“, indem sie Frauenhäuser initiierten. Ebenso spiegeln sich in diesem veralteten, ausschließlich organisch orientierten Medizinverständnis zigtausend klassifizierte Krankheiten wie Aids, Krebs, Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises, Suchterkrankungen entsprechend dieses biomedizinischen Körper-Denkens und der aus diesem Denken entwickelten Behandlungsmethoden wider: Das Wissen der Psychotherapie bekam nur sehr begrenzten und geringen Eingang und Einfluss auf die tägliche Versorgungspraxis in der allgemeinen Bevölkerung. Wenn Menschen psychische Probleme hatten, wurden sie oftmals im ersten Schritt mit Antidepressiva vom Hausarzt und eventuell im zweiten mit Psychopharmaka von Neurologen und Psychiatern versorgt. Eher die Ausnahme bildeten Ärzte mit angemessenen Psychotherapieangeboten wie der Psychoanalyse. Im psychotherapeutischen Bereich tätige Diplom-Psychologen boten oftmals privat Psychotherapien an, deren Kosten aufgrund einer fehlenden und geregelten Zulassungsordnung (siehe Kapitel „Vergangenheit“ ab S. 81) durch die Krankenkassen selten übernommen wurden.
Populärer wurde die psychotherapeutische Arbeit von Diplom-Psychologen mit psychotherapeutischer Ausbildung aufgrund verschiedener gesellschaftlicher Entwicklungen, die die Anerkennung von Gefühle voraus- und freisetzten:
1.) „Die Pille“ eröffnete neue Möglichkeiten und brachte freiere Lebensarten bezüglich Sexualität hervor.
2.) Die sexuelle Revolution folgte und warf Fragen auf, wie Frauen in der Gesellschaft repräsentiert wurden (Waren- und Objektcharakter).
3.) In diesem Zusammenhang wurden Fragen bürgerlicher Beziehungs- und Familienstrukturen diskutiert und man suchte neue Lebensformen.
4.) Homosexualität wurde diskutiert und gesellschaftlich integriert.
5.) Das Thema „Abtreibung“ sorgte für eine breite Diskussion, die bis heute andauert, auch wenn sie rechtlich abgesichert wurde.
6.) Antiautoritäre Erziehungsmodelle kamen in Abgrenzung zum herrschenden Erziehungs- und Lernvermittlungsstil in Mode und führten zu Diskussionen.
7.) Themen über Gewalt generell und gegen Frauen und Kinder insbesondere wurden aufgegriffen – und wurden durch zahlreiche Frauen gesellschaftlich praktisch umgesetzt: Als genereller Vorläufer dürfte gesellschaftlich diesbezüglich die Arbeit von Frauen in Selbsthilfeorganisationen und Vereinsgründungen zur Problematik Gewalt gegen Frauen in den 70er Jahren zu suchen sein: Damals wurde das Thema Gewalt gegen Frauen und Kinder zum ersten Mal breitflächig in Deutschland aufgegriffen.
8.) In den 80er Jahren trat ein weiteres wichtiges Thema ins gesellschaftliche Bewusstsein: Trauer und Trauerverarbeitung.
Während all dieser Jahre entwickelten sich zahlreiche psychotherapeutische Methoden, die in Deutschland offiziell nicht im Gesundheitswesen aufgegriffen wurden, geschweige denn für Patienten von den Krankenkassen als Heilbehandlung übernommen wurden. Die Lobbyisten der Medizin sorgen bis heute für Ausgrenzung der Psychologischen Psychotherapeuten. Sie tun es, obwohl sie sich alle gern auf Hippokrates beziehen. Aber wohl die wenigsten Ärzte studieren ihn tatsächlich bzw. haben ihn viele Ärzte nicht verinnerlicht. Denn soweit Hippokrates bereits zu den Begründern der naturwissenschaftlich orientierten Medizin gezählt wird und Voraussetzungen für eine rationale Diagnostik und Therapie schuf, so war er es wiederum ebenfalls, der als erster Spontanheilungen beschrieb. Bis zu diesem Zeitpunkt wurden Spontanheilungen den Göttern zugeschrieben. Hippokrates sah sie als einen Selbsthilfeprozess des Organismus an:
„Die Natur ist die Heilerin der Krankheit, steht im sechsten Buch der epidemischen Krankheiten zu lesen. Die Krankheit ist nicht mehr allein Pathos, Leiden, sondern auch Ponos, Arbeit, nämlich Aktivität des Körpers, die durch die Funktionsstörung angeregt wird. Beobachtungen am Kranken zeigten, daß Gesundung auch ohne ärztliche Hilfe möglich war. Da aber in vielen Fällen doch ärztlicher Beistand notwendig war, konnte die vis medicatrix naturae nicht als allein heilbringend gelten. Der Arzt wurde zum Diener an der Natur, und der Heilungsprozeß wurde dahin verstanden, daß eine vis naturalis die materia peccans im Sinne der Humoralpathologie aus dem kranken Organismus stoße.“ (Condrau, G., 1965, S. 23 – 24).
Heilung ist auch Arbeit (Ponos) und diese Arbeit besteht in psychotherapeutischer Arbeit, die Klarheit im emotionalen Bereich von Menschen schafft, welche die meisten Menschen nicht mehr allein schaffen! Die gemeinsame Arbeit im Emotionalen führt den Patienten zu sich selbst zurück. Zusammenfassend bedeutet dies, jeder Mensch verfügt über Selbstheilungskräfte, die der Mensch über die Auseinandersetzung mit seinem Leben und den damit in Verbindung stehenden Emotionen klären kann. Weiter kann ein Arzt als Diener an der Natur unterstützend tätig werden. Diese Haltung ist eine völlig andere, als die heutige Vorstellung, der Arzt wisse Bescheid und bewirke die Heilung und der Patient wisse und könne nichts und dürfe dankbar sein, wenn er Linderung erführe, politisch vermittelt! Die Bezeichnung von «Göttern in Weiß» spiegelt, legt man Hippokrates zugrunde, eine falsche ärztliche Haltung, wider: Diener sind keine Götter. Ein bemerkenswertes Beispiel für diese Auffassung beschreibt Clemens Kuby (2008) in der Geschichte seiner Begegnung mit U Shein – Burma / Heiler und Alchemist. U Shein heilt auf zwei Weisen :
Der zu ihm kommende Mensch muss ihm über sein Leben erzählen und U Shein führt dann intensive Gespräche mit dem Patienten über seine Moral. Das Ergebnis eines solchen Gesprächs ist, dass der heilungswillige Patient bestimmte Veränderungen in seinem Leben umsetzen muss, mit denen er sich täglich aufgrund der selbst gewählten Vorsätze zu konfrontieren hat. In Burma ist dies das Gebet. Wenn der Patient dann nach einiger Zeit wieder bei U Shein vorstellig wird und alles so getan hat, wie vereinbart, bekommt er das Heilmittel