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Der Weihnachtsabend (Illustriert). Charles DickensЧитать онлайн книгу.

Der Weihnachtsabend (Illustriert) - Charles Dickens


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auf, wie sie gleichzeitig angefangen hatten. Dann vernahm man ein Klirren, tief unten, als ob Jemand eine schwere Kette über die Fässer in des Weinhändlers Keller schleppe. Jetzt erinnerte sich Scrooge gehört zu haben, daß Gespenster Ketten schleppen sollten.

      Die Kellerthür flog mit einem dumpfdröhnenden Schall auf und dann hörte er das Klirren viel lauter auf der Hausflur unten; dann wie es die Treppe herauf kam; und dann wie es gerade auf seine Thür zukam.

      Marley’s Geist.

      „’s ist dummes Zeug,“ sagte Scrooge. „Ich glaube nicht dran.“

      Aber doch veränderte er die Farbe, als es, ohne zu verweilen, durch die schwere Thür und in das Zimmer kam. Als es herein trat, flammte das sterbende Feuer auf, als ob es riefe, ich kenne ihn, Marley’s Geist! und sank wieder zusammen.

      Dasselbe Gesicht, ganz dasselbe. Marley mit seinem Zopf, seiner gewöhnlichen Weste, den engen Hosen und hohen Stiefeln; die Quasten der letztern standen in die Höhe, wie sein Zopf und seine Rockschöße und das Haar auf seinem Kopfe. Die Kette, welche er hinter sich her schleppte, war um seinen Leib geschlungen. Sie war lang und ringelte sich wie ein Schwanz; und war, denn Scrooge betrachtete sie sehr genau, aus Geldcassen, Schlüsseln, Schlössern, Hauptbüchern, Contracten und schweren Börsen aus Stahl zusammengesetzt. Sein Leib war durchsichtig, so daß Scrooge durch die Weste hindurch die zwei Knöpfe hinten auf seinem Rock sehen konnte.

      Scrooge hatte oft sagen gehört, Marley habe kein Herz, aber er glaubte es erst jetzt.

      Nein, er glaubte es selbst jetzt noch nicht. Obgleich er das Gespenst durch und durch und vor sich stehen sah; obgleich er den kältenden Schauer seiner todtenstarren Augen fühlte und selbst den Stoff des Tuches erkannte, welches um seinen Kopf und sein Kinn gebunden war und das er früher nicht bemerkt hatte, war er doch noch ungläubig und sträubte sich gegen das Zeugniß seiner Sinne.

      „Nun,“ sagte Scrooge, kaustisch und kalt wie gewöhnlich, „was wollt ihr?“

      „Viel!“ Das war Marley’s Stimme.

      „Wer seid Ihr?“

      „Fragt mich, wer ich war.“

      „Nun, wer wart Ihr?“ sagte Scrooge lauter.

      „Als ich lebte, war ich Euer Compagnon, Jacob Marley.“

      „Könnt Ihr Euch setzen?“ fragte Scrooge, ihn zweifelnd ansehend.

      „Ich kann es.“

      „So thut’s.“

      Scrooge that die Fragen, weil er nicht wußte, ob ein so durchsichtiger Geist sich werde setzen können, und fühlte die Nothwendigkeit einer unangenehmen Erklärung, wenn es ihm nicht möglich wäre. Aber der Geist setzte sich auf der andern Seite des Kamins nieder, als wenn er es gewohnt wäre.

      „Ihr glaubt nicht an mich?“ sagte der Geist.

      „Nein,“ sagte Scrooge.

      „Welches Zeugniß wollt Ihr, außer dem Eurer Sinne, von meiner Wirklichkeit haben?“

      „Ich weiß nicht,“ sagte Scrooge.

      „Warum glaubt Ihr Euren Sinnen nicht?“

      „Weil sie eine Kleinigkeit stört,“ sagte Scrooge. „Eine kleine Unpäßlichkeit des Magens macht sie zu Lügnern. Ihr könnt ein unverdautes Stück Rindfleisch, ein Käserindchen, ein Stückchen schlechter Kartoffel sein. Wer Ihr auch sein mögt, Ihr habt mehr vom Unterleib, als von der Unterwelt an Euch.“

      Es war nicht eben Scrooge’s Gewohnheit, Witze zu machen, auch fühlte er eben jetzt keine besondere Lust dazu. Die Wahrheit ist, daß er sich bestrebte lustig zu sein, um sich zu zerstreuen und sein Entsetzen nieder zu halten; denn die Stimme des Geistes machte selbst das Mark seiner Knochen erzittern.

      Nur einen Augenblick schweigend diesen starren, todten Augen gegenüber zu sitzen, wäre halber Tod gewesen, das fühlte Scrooge wohl. Auch war es so grauenerregend, daß das Gespenst seine eigene höllische Atmosphäre hatte. Scrooge fühlte sie nicht selbst, aber doch mußte es so sein; denn obgleich das Gespenst ganz regungslos da saß, bewegte sich sein Haar, seine Rockschöße und seine Stiefelquasten wie von dem heißen Dunst eines Ofens.

      „Ihr seht diesen Zahnstocher,“ sagte Scrooge, aus dem eben angeführten Grunde seinen Angriff sogleich wieder beginnend und von dem Wunsche beseelt, wenn auch nur für einen Augenblick den starren, eisigen Blick des Gespenstes von sich abzuwenden.

      „Ja,“ antwortete der Geist.

      „Ihr seht ihn ja nicht an,“ sagte Scrooge.

      „Aber ich sehe ihn doch,“ sagte das Gespenst.

      „Gut,“ erwiederte Scrooge. „Ich brauche ihn nur hinunterzuschlucken und mein ganzes übriges Leben hindurch verfolgen mich eine Legion Kobolde, die ich selbst erschaffen habe. Dummes Zeug, sag’ ich, dummes Zeug!“

      Bei diesen Worten stieß das Gespenst einen schrecklichen Schrei aus und ließ seine Kette so grauenerregend und fürchterlich klirren, daß Scrooge sich fest an seinen Stuhl halten mußte, um nicht in Ohnmacht herunterzufallen. Aber wie wuchs sein Entsetzen, als das Gespenst das Tuch von dem Kopf nahm, als wäre es ihm zu warm im Zimmer, und die Unterkinnlade auf die Brust herabsank.

      Scrooge fiel auf die Kniee nieder und schlug die Hände vor’s Gesicht.

      „Gnade!“ rief er. „Schreckliche Erscheinung, warum verfolgst Du mich?“

      „Mensch mit der irdisch gesinnten Seele,“ entgegnete der Geist, „glaubst Du an mich, oder nicht?“

      „Ich glaube,“ sagte Scrooge, „ich muß glauben. Aber warum wandeln Geister auf Erden und warum kommen sie zu mir?“

      „Von jedem Menschen wird es verlangt,“ antwortete der Geist, „daß seine Seele unter seinen Mitmenschen wandle, in der Ferne und in der Nähe; und wenn dieser Geist nicht während des Lebens hinausgeht, so ist er verdammt, es nach dem Tode zu thun. Er ist verdammt, durch die Welt zu wandern – ach, wehe mir – und zu sehen, was er nicht theilen kann, was er aber auf Erden hätte theilen und zu seinem Glück anwenden können.“

      Und wieder stieß das Gespenst einen Schrei aus und schüttelte seine Ketten und rang die schattenhaften Hände.

      „Du bist gefesselt,“ sagte Scrooge zitternd. „Sage mir, warum?“

      „Ich trage die Kette, die ich während meines Lebens geschmiedet habe,“ sagte der Geist. „Ich schmiedete sie Glied nach Glied und Elle nach Elle; mit meinem eigenen freien Willen lud ich sie mir auf und mit meinem eigenen freien Willen trug ich sie. Ihre Glieder kommen Dir seltsam vor.“

      Scrooge zitterte mehr und mehr.

      „Oder willst Du wissen,“ fuhr der Geist fort, „wie schwer und wie lang die Kette ist, die Du selbst trägst? Sie war gerade so lang und so schwer, wie diese hier, vor sieben Weihnachten. Seitdem hast Du daran gearbeitet. Es ist eine schwere Kette.“

      Scrooge sah auf den Boden herab, in der Erwartung, von funfzig oder sechzig Klaftern Eisenketten sich umschlungen zu sehen; aber er sah nichts.

      „Jacob,“ sagte er flehend. „Jacob Marley, sage mir mehr. Sprich mir Trost ein, Jacob.“

      „Ich habe keinen Trost zu geben,“ antwortete der Geist. „Er kommt von andern Regionen, Ebenezer Scrooge, und wird von andern Boten zu andern Menschen gebracht. Auch kann ich Dir nicht sagen, was ich Dir sagen möchte. Ein klein wenig mehr ist Alles, was mir erlaubt ist. Nirgendwo kann ich rasten oder ruhen. Mein Geist ging nie über unser Comptoir hinaus – merke wohl auf – im Leben blieb mein Geist immer in den engen Grenzen unsrer schachernden Höhle; und weite Reisen liegen noch vor mir.“

      Scrooge hatte die Gewohnheit, wenn er nachdenklich wurde, die Hand in die Hosentasche zu stecken. Ueber das, was der Geist sagte, nachsinnend, that er es auch jetzt, aber ohne die Augen


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