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Porcus das charakterlose Schwein. Otto W. BringerЧитать онлайн книгу.

Porcus das charakterlose Schwein - Otto W. Bringer


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Wenn man Glück hatte. Portandus hatte fies Glück, wie man so sagte. Lud alle Lateiner zu sich auf die Dachkammer im elterlichen Haus. Ein eigenes hatte er noch nicht. Und lauschten der unnachahmlichen Trompete ihres Louis. Bewegt und hingerissen zugleich.

      Da geschah, mit dem niemand gerechnet hatte. Porcus rief an. Hatte sich Avis ausgesucht. Woher aber wusste er von seinem Beruf? Weil Schweine überall rumrüsseln, giftete ParvumPlumbum. Vielleicht auch weil der Orthopäde sich immer verständnisvoll gezeigt hat. Damals und sicher auch heute noch. Charakterliche Schwächen behandelt wie eine verklemmte Bandscheibe. „Du musst mir helfen“, quälte sich ein gepeinigter Porcus am anderen Ende der Leitung um die richtigen Worte. Wusste er doch, warum sie ihn hassten.

      Avis überlegte, „Was mag wohl in ihn gefahren sein? Plötzlich so unterwürfig. So gar nicht hinterfotzig. Oder führt er was im Schilde? Avis gewitzt durch Porcus´ üble Petzerei, sein menschenverachtendes Verhalten, wartete, bis er ihm antwortete. Ich lass ihn jetzt zappeln, damit ihm der Arsch auf Grundeis geht. Späte Rache, sagte seine Unvernunft. Nachdenken, seine Vernunft. Wie soll es weiter gehen?

      Ließ ihn kommen. Streckte ihn, dehnte Gelenke und Muskulatur, spritzte ihm ein Narkotikum ins Gesäß und empfahl: „In einer Woche wiederkommen.“ Er kam wieder. In jämmerlicher Verfassung. Straft der liebe Gott so die Sünder? Avis wurde von seiner Mutter areligiös erzogen, dachte an Gott und weiß was. Den üblichen Religionsunterricht durfte er schwänzen. Tat was er am besten konnte. Streckte ihn, dehnte seine Gelenke, die Muskulatur, spritzte ihm ein Narkotikum ins Gesäß. Hoffte, es hilft. Auch Ärzte müssen hoffen, dass sie Recht behalten mit ihrer Therapie. Porcus musste ein drittes Mal kommen.

      Sie wechselten auch diesmal kein Wort während der Behandlung. Jeder von ihnen konzentriert auf das Naheliegende. Oder Entfernte. Dann Abschied ohne Händedruck: „Tschö“. „Tschö, Porcus Deine Versicherungskarte!“ Rief Avis ihm nach. Glaubte, er habe sie vergessen abzugeben. Porcus war nicht versichert. „Dieses Schwein“, fiel ihm von der Zunge. Schickte ihm eine gesalzene Rechnung.

      Die Adresse hatte er ihm entlockt. Bei Verweigerung hätte er ihn nicht behandelt. Wartet auf Zahlung. Kein Geld kam auf sein Konto. Nach vier Wochen nicht, einem Vierteljahr immer noch nicht. Die dritte Mahnung kam zurück: Empfänger unbekannt.

      Als er es seinen Mitschülern erzählte, frotzelte Portandus: „Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen.“ Einer lachte. Es war Avis selber, der lachte. Als freute er sich über einen gelungenen Streich. Von außen betrachtet. In Wahrheit aber wurmte es ihn. Trieb ihn auf die Palme. Dahin, wo Gottes Zorn zu spüren ist. Auch bei denen, die nicht an ihn glauben. Porcus ist und bleibt ein charakterloses Schwein. „Ja, du hast Recht Portandus: Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen. Ha, ha.“

      Alles mittlerweile Vergangenheit. Ein Gemischtwarenladen wie viele nach dem Krieg. Erinnert, amüsiert und kurz nacheinander geheiratet die verbliebenen Lateiner, vier an der Zahl. Molerus die Libanesin Alyssa. Zwei von ihnen gut versorgte Töchter. Schön sehen sie auch aus, wenn man aus der Ferne auf sie blickt. Annegret, die von ParvumPlumbum, auch bei näherer Betrachtung. Ihr Vater erbte von seinem Vater eine Bank. Privatbankier stand auf seiner Visitenkarte. Bald auch auf der ParvumPlumbums. So weiß jeder, dass er Geld vor sich hat. Und verneigt sich vor seiner Gemahlin. Insgeheim wünschend sie wäre die Seine. Keiner der Lateiner denkt an Mitgift. Bei Gott nein. Nur an ihre schlanke bella Figura. Avis bleibt solo vorerst.

      Portandus heiratet die Tochter eines Restaurantbesitzers. Immerhin braucht er für Essen und Trinken nichts zu bezahlen. Dem noch erfolglosen Architekt fehlte aber etwas und wusste nicht was. Als er Annegret kennenlernt, machte er ihr den Hof. Das Gemälde Alessandro Botticellis im Kopf mit dem hinreißend gemalten Frühling. Scharwenzelt um sie herum, blickt ihr tief in die himmelblauen Augen. Hofft auf zustimmendes Nicken. Weiß aber gleichzeitig ich darf es nicht. Ich bin verheiratet. Sie ist ParvumPlumbums Frau. Seine Geliebte. Respektiert hatten sie immer das, was anderen gehörte. Plötzlich wie ein Blitz die Frage: Gehört Frau ihrem Mann? Wie man eine Bank besitzt oder ein Haus, ein Klavier? Kommt zu dem Ergebnis, Frau gehört nur sich selber. Lange bevor Alice Schwarzer es formulierte.

      Entscheidet, wen sie lieben kann. Den, der ihr schöne Augen macht. Eine Dose Pralinen schenkt. Ein Paket Aktien. Gar eine Rose. Eine einzelne mit Tautropfen auf den Blättern. Ewiges Symbol der Liebe. Sagt, was sich denken, aber nicht aussprechen lässt. Worte berühren nur den Rand der Dinge. Diese frühe Erkenntnis enthebt Portandus der Entscheidung, auf der Stelle und sofort zu handeln. Wartet auf eine günstige Gelegenheit. Sie kommt schneller als er dachte.

      ParvumPlumbum veranstaltet in seinem Garten eine Sommerparty. Das komfortable Haus hatte sein Schwiegervater ihnen zur Hochzeit geschenkt. Wollen diese Tatsache feiern. Am meisten beeindruckt sie das geräumige Bad. Dusche mit acht verschiedenen Düsen. Wasser nach Hebelstellung kalt, warm oder heiß. Gesprenkelt, gespritzt, geschüttet, gezielt gestrahlt von Kopf bis Fuß. Kräftig oder im sanften Brauseregen. Das blanke Sieb am Boden schluckt gurgelnd das seifenschaumige Nass.

      Zweite Überraschung der Kamin. Wie ein Turm ragt er vom Marmorboden bis zur Decke. Eine gerundete Nische über der Öffnung mit farbigen Gläsern. Die sie aus Glasbläsereien Muranos oder Cas Concas auf Mallorca mitbrachten. Wunderschöne Rememberings.

      Als sie den Raum betreten, flackert bereits das Holz im großen Feuerloch. Es liegt auf dem üblichen Gitter aus Eisenstangen. Nur hebt das Gitter keine Eisenkonstruktion auf Distanz zum Boden, damit Luft von unten die Flammen hellauf lodern lässt. Sondern Soldaten der Garde National. Napoleon III. private Leibwache. Sie hatten das Unikum aus Eisenguss auf ihrem Urlaub bei einem Antiquaire gesehen und spontan gekauft. Präzis in Saulieu, Burgund. Portandus wurde richtig neidisch. Hatte er doch ähnliche Vorstellungen von einem Kamin. Und einer schönen Frau auf dem Bärenfell vor lodernden Flammen. Den Champagnerkelch in der rechten Hand. Ihre linke winkt: komm.

      Es wird ein rauschendes Fest. Der Abend zog sich in die Nacht zurück. Den Lichtern auf Tischen Gelegenheit zu geben, das Ihrige zu tun. Zu leuchten in der Finsternis. Den Lampions an zwischen Bäumen gespannten Drähten im Wind zu schaukeln, gute Stimmung zu erzeugen. Und Wünsche zu wecken. Es dürfte allen so ergehen. Den Männern, den Frauen. Aus Familie und Freundeskreis. Alle geladen zu feiern und den Alltag zu vergessen. Portandus´ Frau Maria musste zuhause bleiben. Sich um das kranke Baby kümmern. Ein zweites Kind war unterwegs. Aus drei Lautsprechern klang gedämpfter Jazz.

      Zufällig oder nicht? Zwischen drei riesigen Eiben eine dunkle Stelle. Kein Tisch mit Kerze im Glas. Kein Lampion. Nur Gebüsch und gelbes Geriesel auf der Wiese, abgefallene Nadeln der drei Eiben. Lange bevor der Herbst andere Blätter färbte. Die Nadeln zu einem Teppich gewebt wie es schien. Einem sicher drei Zentimeter dicken. Müsste wunderbar weich sich anfühlen. Wenn man darauf sitzt oder liegt. Denkt Portandus. Und lässt seiner Fantasie freien Lauf.

      Ähnliche Gedanken beschäftigen auch Annegret, ParvumPlumbums Frau. In Gedanken verloren nähert sie sich dem Dunkel unter den Eiben. Der Garten eher ein Park mit Bäumen, Sträuchern und Blumenbeeten. Von einem Landschaftsgärtner hin gestreut, typisch englisch angelegt. Natur bleibt Natur. Mensch fühlt sich wohl. Leine los statt gelenkt von Wegen, Gittern und Buchsbaumhecken. Ohne dass sie es wissen haben Portandus und Annegret die gleichen Gedanken. Und große Lust sich hinzugeben. An was auch immer.

      Sie erkennen sich beim Näherkommen. „Auch Sie ein Bedürfnis nach Stille?“ Sie nickt: „Eine kleine Pause tut immer gut. Tagsüber gönne ich mir ein zwei Viertelstunden der Ruhe. Lege mich hin. Und fühle mich danach wie neugeboren. Vorausgesetzt ich habe wirklich abgeschaltet. Alle Gedanken, Sorgen, Wünsche. Gebe zu, nicht immer gelingt es mir.“

      Portandus, von ihrer weichen Stimme fasziniert, weiß nicht, was er darauf antworten soll. Ihr beipflichten zu plump, findet er. Ihr sagen, es treibe ihn unentwegt zu kreativen Höhenflügen, Ruhepausen brauche ich nicht - zu angeberisch. Am besten schweigen. Schweigt. Betrachtet ihre Gestalt. Das Gesicht im Dunklen nicht gut zu erkennen. Ich müsste näher gehen, es zu sehen. Am liebsten mit der Hand streicheln. Fühlen ist mehr als sehen. Sie rührt sich nicht von der Stelle, als er einen Schritt auf sie zu macht. Immer noch nicht, als er ihre Hand nimmt. Wieder fallen lässt. „Pardon Madame.“

      Er hatte gerade einen Französischkurs


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