Porcus das charakterlose Schwein. Otto W. BringerЧитать онлайн книгу.
in die falsche Richtung geflogen? Oder etwa Porcus, das Schwein? ParvumPlumbum erschrocken. Mehr als sein Freund. Rätselt, war es wirklich Porcus? So gemein kann einer doch nicht sein. Gemeingefährlich müsste man sagen. Ruft die Polizei. Nimmt sein Handy. „Hallo ist dort die Polizei? Kommen Sie! Kommen Sie sofort! Hier wurde gerade ein Mordanschlag verübt. Ja, am Baggerloch. Nicht weit vom Imbisswagen. Mein Name? ParvumPlumbum. Ja, bis gleich.“ Sie kommen Tatütata. Fahren bis vor den Imbisswagen. Sie kennen das Gelände. Von Schlägereien Betrunkener. ParvumPlumbum & Co sind nüchtern. Stocknüchtern.
Der gleichzeitig im Notfallwagen gekommene Arzt konstatiert: „Pfeil sitzt tief. Zu gefährlich ihn herauszuziehen. Er könnte Widerhaken haben. Wir müssen in die Klinik.“ „Wo?“ Fragt Annegret, Tränen in den Augen. „In Benrath, Notfallstation“. „Kann ich mitfahren?“ Sie darf. Niemand fragt ob sie verwandt ist.
Sitzt neben der Trage, auf der sie ihn festgeschnallt hatten. Den Pfeil, den bösen Pfeil noch im Fleisch. Genau da, wo Bänder und Muskeln sind. Zwischen Oberarmgelenk und Brustkorb. Sie hatten Jacke und Hemd zerschnitten und vorsichtig ausgezogen. Die Einstichstelle desinfiziert und abgebunden. Einer von ihnen achtet darauf, dass er sich nicht bewegt. Und misst seinen Blutdruck. Portandus hat die Augen geschlossen. Was denkt er wohl?
Annegrets Gedanken sind bei ihm. Sie mag ihn. Mag ihn sehr. Gesteht sie sich ein und versucht zu lächeln. Küssen möchte sie ihn und von ihm geküsst werden. Ihre Lippen formen sich zum Kuss, als wäre es so. Seit der Einweihungsparty ihres Hauses weiß sie, dass sie ihn liebt. ParvumPlumbum und Sohn Helmut kommen auf dieser Fahrt nicht vor.
Sie muss warten. Im OP macht man jetzt das Nötigste. Operiert den Pfeil heraus. Röntgen zeigt, die Schlagader ist unverletzt. Geben ihm ein Schmerzmittel, pflastern und entlassen ihn mit guten Wünschen. „Wiederkommen in zwei Wochen zur Kontrolle“. Im Taxi fahren sie nachhause. Beide auf der Rückbank. Annegret hält seine Hand. Spürt den Pulsschlag und denkt, ach könnte es so bleiben.
Die Polizei vernimmt alle auf dem Platz. Die jungen Bogenschützen, die Fußballer. Den ein und anderen Erwachsenen, der etwas gesehen haben könnte. Wie zu erwarten, niemand sah einen erwachsenen Bogenschützen. Es musste ein Erwachsener gewesen sein. Pfeile mit scharfen Spitzen dürfen nur an Volljährige verkauft werden. Die Pfeile für Kinder haben eine stumpfe Spitze.
Da meldet sich ein kleiner Knirps: „Ich sah wie ein Mann hinter einem Gebüsch einen großen Bogen hob, zielte und peng, Schuss ab. Dann lief er ganz rasch davon zu seinem Auto.“ „Wie heißt du, kleiner Mann?“ „Thomas“ „Und weiter? „Bengele.“ „Das ist aber ein schöner Name für einen Jungen, der einmal ein großer, starker Mann werden will. Dann kann er beweisen, dass ein Bengele tapfer ist und lieb wie der im Märchen.
So jetzt zur Sache: „Wie alt war der Mann? Hast du sein Gesicht gesehen? Welche Farbe haben seine Haare? Welche Farbe hat sein Anzug?“ Viel der Fragen auf einmal. Er kann sich nur noch erinnern, dass er dunkle Haare hat. Und eine Jeans trug mit blauem Hemd. Ach ja, sein VW ist rot.“ Kannst du das beschwören? Du steigst jetzt in unser Auto und wir fahren aufs Revier. Schreiben auf, was du gesehen hast. Und bringen dich dann nachhause. Wo wohnst du eigentlich?“ „Hier ist ein Zettel. Auf dem steht meine Adresse. Meine Mama hat ihn mir mitgegeben. Wenn mir was passiert, soll ich ihn abgeben. Aber nur der Polizei, sagte meine Mama. Hier bitte schön.“
ParvumPlumbum weiß jetzt nach Rücksprache mit der Polizei, dass der Täter einen roten VW fährt. Das ist ja schon mal was. Vielleicht finden sie den Fahrer. Hofft, es ist Porcus, das Schwein.
Molerus hatte sich all die Zeit nicht blicken lassen. Probleme in seiner Brennstoffgroßhandlung. Nachschub kam nicht in ausreichender Menge. Zechen still gelegt, Kein ausreichender Ersatz in Sicht. Die Preise hoch. Musste auf Heizöl umstellen. Weder Zeit noch Lust an Treffen der Lateiner teilzunehmen. Die anderen vermissten ihn nicht. Molerus war immer wortkarg und irgendwie abwesend.
Auch Avis kam nicht oft dazu. Zu beschäftigt mit Ausbauplänen. Er kaufte eine nagelneue Praxis in der Nachbarstadt Neuss. Bald darauf eine Dépendance in Derendorf von einem Kollegen. Ausnahme die Jahrestreffen im „Schiffchen“, einem guten Speiselokal in der Altstadt. Am ersten Dienstag im Dezember. Schon Jahre mittlerweile. Hocken den Abend zusammen mit sich und den Nichtlateinern der Klasse wie zwei Parteien im Parlament. Eine Partei stellt den Chef. Die andere seinen Stellvertreter. Chef ist immer, der die spannendsten Geschichten zu erzählen hat. Porcus die endlose Geschichte.
Im Haus ParvumPlumbums ist nach dem Anschlag in Urdenbach alles anders. Die Atmosphäre gedrückt. Denkt, es ist der Unfall. Oder war es kein Unfall? Wieder Porcus das Schwein im Spiel. Woher wusste er von ihrem Ausflug nach Urdenbach? An diesem Tag, zu dieser Nachmittagsstunde. Gibt es einen Verräter? In seiner Familie? Wagt nicht den Gedanken zu Ende zu denken. Sieht wie Sohn Helmut seine Mutter beobachtet. Ihre Augen verdächtig glitzern, wenn Portandus sie in ihrem Haus besucht. Eifersüchtig auch der Sohn, sein eigenes Fleisch und Blut? So jung und schon eifersüchtig? Etwa Erbteil von ihm? Er weiß:
Jüngsten Erkenntnissen zufolge erbt ein Mensch nicht nur Charaktereigenschaften, musische Veranlagungen, eine krumme Nase. Auch Lebensgewohnheiten. Wie gerne wandern, Kreuzworträtsel lösen, Bratkartoffel mit Spiegelei essen. Besitzwütig sein. Laut Mendel vom Urgroßvater gesprungen auf den Urenkel. Eltern und Großeltern anders veranlagt, mit anderen Neigungen und Interessen.
ParvumPlumbum beschließt, Annegret ab sofort nicht mehr lange allein zu lassen. Überraschend nachhause zu kommen. Den Ausdruck ihres Gesichtes belauern, wenn sie mit Portandus telefoniert. Beobachten und aufpassen, was sie tut, was sie sagt bei solchen Telefonaten. Es ist, als hätten Agatha Christi und Dr. Watson den Auftrag, eine Übeltäterin auf frischer Tat zu ertappen. Geht selber fremd, wie man es in Klageschriften formuliert. Sich zu revanchieren. Überzeugt, er hätte ein Recht dazu.
Lore, seine hübsche Sekretärin in der Bank gefällt ihm. Immer schon, wenn er es richtig überlegt. Will sie mit einem Glas Champagner überraschen gleich morgen früh. Danke sagen für jahrelange verlässliche Mitarbeit. Hofft, sie honoriert es mit mehr Entgegenkommen. Und ist schon drin im Dilemma. Mit unabsehbaren Folgen. Nach außen spielen sie die intakte Ehe. Umarmen sich, wenn Besuch da ist, küssen sich auf die Wangen. Fragen und geben Antworten. Auch ihrem Helmut, der alles wissen will in seinem Alter. „Liebt ihr euch noch“ eines Abends. Überraschung gelungen. Sie reden drumherum wie ertappte Kinder. „Natürlich“. Ob er es glaubt?
Sie fragt nicht, wo er die letzte Nacht geblieben. Er erkundigt sich nicht nach ihrem Wohlbefinden wie früher. Dreimal am Tag telefonisch. Leben sich auseinander. Und bedauern es nicht. ParvumPlum hat hat eine Geliebte. Und genießt seine Freiheit. Annegret sucht Ablenkung. Traut sich nicht, Portandus anderswo zu treffen, traut sich selber nicht. Sie könnte im Bett landen. Mit unabsehbaren Folgen auch hier. Erst muss sie ihn besser kennen, bevor sie sich ihm in die Arme wirft.
Die Post bringt ein Päckchen für Annegret. Wer schickt mir was? Ah, Portandus. Was mag drin sein? Schlitzt mit dem Messer das Klebeband auf, die komplette Verpackung, ritsch ratsch. In einer rosa Wolke aus Seidenpapier ein Ring. Liest: Das Schönste für die Schönste. Dein Portandus.
Nicht mehr. Einfach nur so, als wäre weniger mehr. Annegret gerührt wie lange nicht. Da will einer sie nicht zur Entscheidung zwingen. Nichts anderes als schenken. Das Schönste der Schönsten. Küsst den Ring und streift ihn über den Ringfinger ihrer linken Hand. Betrachtet an der rechten den Ehering. Überlegt: abziehen oder nicht abziehen? Lässt ihn wo er ist seit fast zwanzig Jahren. Denkt, kommt Zeit, kommt Rat. Und macht sich Bratkartoffel mit Spiegelei und Salat.
Ihr Mann ist auf Geschäftsreise nach Paris. BNP Paribas will seine Bank kaufen. Die Züricher Kantonalbank dito. Beide solide und kapitalkräftig. Keine leichte Entscheidung. Franzosen oder Schweizer? Lore wird seinen Stress wegküssen. Nennt sie seine Loreley. Zitiert ein Gedicht von Portandus. Als wäre es seines. Er hat es auswendig gelernt, Lore zu beeindrucken. Als hätte er es selbst geschrieben:
„Loreley - Die Berge davor und die Berge danach sind viel schöner – weicher - gewölbter – verführerischer – mit jener Distanz - die Verlangen weckt nach Berühren - nicht nach Singen“.
Sie hatten soeben