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Die Namenlosen. Уилки КоллинзЧитать онлайн книгу.

Die Namenlosen - Уилки Коллинз


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sah Mr. Pendril über den Tisch hinweg eifrig an. „Die Reise nach London!“, rief sie aus. „Ich habe der Reise nach London von Anfang an misstraut! Ja! Ich erinnere mich, dass Mr. Vanstone einen Brief bekam – ich weiß noch, wie er ihn las und anschließend so verändert aussah, dass wir alle verblüfft waren.“

      „Ist Ihnen ein offenkundiges Einvernehmen zwischen Mr. und Mrs. Vanstone hinsichtlich des Themas dieses Briefes aufgefallen?“

      „Ja, durchaus. Eines der Mädchen – es war Magdalen – erwähnte den Poststempel; irgendein Ort in Amerika. Jetzt fällt mir alles wieder ein, Mr. Pendril. Mrs. Vanstone wirkte von dem Augenblick an, da sie den Namen des Ortes hörte, aufgeregt und ängstlich. Am nächsten Tag fuhren sie zusammen nach London; sie erklärten ihren Töchtern nichts und mir nichts. Mrs. Vanstone sagte, es sei eine Reise in Familienangelegenheiten. Ich vermutete, dass etwas nicht stimmte, aber ich konnte nicht sagen, was. Mrs. Vanstone schrieb mir aus London in dem Sinn, es sei ihre Absicht, wegen ihres Gesundheitszustandes einen Arzt zu konsultieren, und ich solle ihre Töchter nicht beunruhigen, indem ich es ihnen erzählte. Irgendetwas in dem Brief verletzte mich zu jener Zeit. Ich dachte, es könne ein anderes Motiv geben, das sie vor mir verbarg. Habe ich ihr damit Unrecht getan?“

      „Sie haben ihr nicht Unrecht getan. Es gab tatsächlich ein Motiv, das sie vor Ihnen geheim hielt. Indem ich Ihnen dieses Motiv enthülle, enthülle ich auch das schmerzliche Geheimnis, das mich in dieses Haus geführt hat. Was ich tun konnte, um Sie vorzubereiten, habe ich getan. Lassen Sie mich jetzt die Wahrheit in möglichst einfachen und möglichst wenigen Worten sagen. Als Mr. und Mrs. Vanstone im März des gegenwärtigen Jahres aus Combe-Raven abreisten…“

      Bevor er den Satz vollenden konnte, wurde er durch eine plötzliche Bewegung von Miss Garth unterbrochen. Sie fuhr heftig hoch und blickte sich zum Fenster um. „Nur der Wind in den Blättern“, sagte sie schwach. „Meine Nerven sind so erschüttert, dass die kleinste Kleinigkeit mich erschreckt. Sprechen Sie es aus, in Gottes Namen! Als Mr. und Mrs. Vanstone aus diesem Haus abreisten, warum sind sie nach London gefahren?“

      „Sie sind nach London gefahren, um zu heiraten.“

      Mit dieser Antwort legte er ein Blatt Papier auf den Tisch. Es war die Heiratsurkunde der verstorbenen Eltern, und sie trug das Datum des zwanzigsten März achtzehnhundertsechsundvierzig.

      Miss Garth bewegte sich nicht und sagte nichts. Die Urkunde lag unbeachtet vor ihr. Ihre Blicke waren am Gesicht des Anwalts festgeheftet; ihr Geist war betäubt, ihre Sinne hilflos. Wie er erkannte, waren alle seine Bemühungen, den Schock der Offenbarung abzumildern, vergeblich gewesen; er spürte die unbedingte Notwendigkeit, sie aufzumuntern, und wiederholte energisch und deutlich die schicksalsschweren Worte.

      „Sie sind nach London gefahren, um zu heiraten“, sagte er. „Versuchen Sie, sich zu beruhigen. Versuchen Sie, sich zuerst die schlichte Tatsache klar zu machen; die Erklärung kommt später. Miss Garth, ich spreche die unglückselige Wahrheit! Im Frühling dieses Jahres verließen sie ihr Haus; sie lebten zwei Wochen in London in strengster Abgeschiedenheit; nach Ablauf dieser Zeit wurden sie amtlich getraut. Das hier ist eine Abschrift der Urkunde, die ich mir erst letzten Montag beschafft habe. Lesen Sie selbst das Datum der Eheschließung. Es ist Freitag, der zwanzigste März – der März des gegenwärtigen Jahres.“

      Während er auf die Urkunde deutete, bewegte der schwache Lufthauch zwischen den Sträuchern unter dem Fenster, der Miss Garth beunruhigt hatte, wiederum die Blätter. Dieses Mal hörte er es auch selbst und drehte das Gesicht, um die Brise darauf spielen zu lassen. Die Brise kam nicht; kein Lufthauch, der so stark gewesen wäre, dass er ihn hätte spüren können, strömte ins Zimmer.

      Miss Garth richtete sich mechanisch auf und las die Urkunde. Sie schien bei ihr keinen besonderen Eindruck zu hinterlassen; verloren und fassungslos legte sie das Papier beiseite. „Zwölf Jahre“, sagte sie mit leiser, hoffnungsloser Stimme, „zwölf stille, glückliche Jahre habe ich in dieser Familie gelebt. Mrs. Vanstone war meine Freundin; meine liebe, geschätzte Freundin – ich könnte fast sagen: meine Schwester. Ich kann es nicht glauben. Haben Sie ein wenig Geduld mit mir, Sir, ich kann es noch nicht glauben.“

      „Es wird Ihnen helfen, es zu glauben, wenn ich Ihnen mehr erzähle“, sagte Mr. Pendril. „Sie werden mich besser verstehen, wenn ich Sie mit in die Zeit von Mr. Vanstones jungen Jahren nehme. Ich bitte jetzt noch nicht um Ihre Aufmerksamkeit. Warten wir ein wenig, bis Sie sich erholt haben.“

      Sie schwiegen einige Minuten. Der Anwalt nahm ein paar Briefe aus der Tasche, konsultierte sie aufmerksam und steckte sie wieder ein. „Können Sie mich jetzt anhören?“, fragte er freundlich. Sie neigte zur Antwort den Kopf. Mr. Pendril ging einen Augenblick mit sich selbst zu Rate. „In einem Punkt muss ich Sie warnen“, sagte er. „Wenn der Aspekt von Mr. Vanstones Charakter, den ich Ihnen jetzt erläutern werde, in mancher Hinsicht von Ihren späteren Erfahrungen abweicht, bedenken Sie bitte, dass er, als Sie ihn vor zwölf Jahren kennen lernten, ein Mann von vierzig Jahren war; als ich das erste Mal mit ihm zusammentraf, war er ein junger Bursche von neunzehn.“

      Seine nächsten Worte lüfteten den Schleier und zeigten die unwiderrufliche Vergangenheit.

      Das Vermögen, das Mr. Vanstone besaß, als Sie ihn kennen lernten“, begann der Anwalt, „war ein Teil und nur ein Teil des Erbes, das ihm nach dem Tod seines Vaters zugefallen war. Mr. Vanstone der Ältere war Fabrikant in Nordengland. Er heiratete frühzeitig, und die Kinder aus dieser Ehe waren sechs oder sieben an der Zahl – ganz sicher bin ich mir nicht. Zuerst kam Michael, der älteste Sohn. Er lebt noch und ist heute ein alter Mann von über siebzig Jahren; die Zweite war Selina, die älteste Tochter, die später heiratete und vor zehn oder elf Jahren gestorben ist. Danach kamen andere Söhne und Töchter, deren früher Tod es unnötig macht, sie im Einzelnen zu erwähnen. Das letzte und mit weitem Abstand jüngste Kind war Andrew, den ich, wie ich Ihnen bereits erzählt habe, erstmals kennen lernte, als er neunzehn war. Mein Vater stand damals gerade im Begriff, sich aus dem aktiven Berufsleben zurückzuziehen; und als ich ihm in seinem Geschäft nachfolgte, rückte ich auch als Familienanwalt in seine Beziehung zu den Vanstones nach.

      Zu jener Zeit hatte Andrew gerade sein eigenes Leben begonnen und war in die Armee eingetreten. Nach wenig mehr als einem Jahr im Heimatdienst wurde er mit seinem Regiment nach Kanada abgeordnet. Als er aus England abreiste, ließ er seinen Vater und seinen älteren Bruder Michael in einem ernsthaften Zerwürfnis zurück. Ich brauche Sie nicht damit aufzuhalten, dass ich auf die Gründe für den Streit näher eingehe. Es reicht, wenn ich Ihnen sage, dass der ältere Mr. Vanstone trotz vieler hervorragender Qualitäten ein Mann von wildem, unbezähmbarem Temperament war. Sein ältester Sohn hatte ihm getrotzt, und das unter Umständen, die auch einen Vater von weitaus sanfterem Charakter zu Recht erzürnt hätten; und er erklärte mit unmissverständlichen Worten, er wolle Michaels Gesicht nie wieder sehen. Meinen Beschwörungen und dem Flehen seiner Frau zum Trotz zerriss er in unserem Beisein das Testament, das über Michaels Anteil am väterlichen Erbe bestimmte. So lagen die Dinge in der Familie, als der jüngere Sohn die Heimat in Richtung Kanada verließ.

      Einige Monate nachdem Andrew mit seinem Regiment in Quebec eingetroffen war, machte er die Bekanntschaft einer Frau von großer persönlicher Anziehungskraft. Sie kam – oder sagte, sie komme – aus den Südstaaten Amerikas. Diese Frau erlangte sofort Einfluss auf ihn und nutzte ihn zu den niederträchtigsten Zwecken. Sie kannten ja die unbefangene, liebenswürdige, vertrauensselige Natur des Mannes in seinen späteren Jahren – und Sie können sich vorstellen, wie gedankenlos er im Impuls seiner Jugend handelte. Es ist nutzlos, länger bei diesem beklagenswerten Teil der Geschichte zu verweilen. Er war erst einundzwanzig; er war einer unwürdigen Frau blind verfallen; und sie verleitete ihn mit gnadenloser Arglist, bis es zu spät war, sich zurückzuziehen. Mit einem Wort: Er beging den verhängnisvollsten Fehler seines Lebens und heiratete sie.

      Sie war klug genug gewesen, in ihrem eigenen Interesse den Einfluss seiner Offizierskollegen zu fürchten; deshalb überredete sie ihn, die geplante Verbindung zwischen ihnen bis zur Zeit der Eheschließungszeremonie geheim zu halten. Das gelang ihr auch, aber sie konnte keine Vorkehrungen gegen die Folgen eines Zufalls treffen. Es waren kaum drei Monate vergangen, da


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