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Heute bei uns zu Haus. Ханс ФалладаЧитать онлайн книгу.

Heute bei uns zu Haus - Ханс Фаллада


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ausrechnen. Dürfen wir es Ihnen schreiben?«

      »Schön, schreiben Sie mir das möglichst bald. Ich besorge Ihnen dann eine Stellung, abgemacht!«

      »Aber denken Sie bitte daran, daß ich sechs Wochen vor dem Quartalsersten kündigen muß!«

      »Natürlich, natürlich! Wird gemacht! Verlassen Sie sich nur auf mich! Und nun Hals- und Beinbruch!«

      Schon in der Bahn fingen wir beide zu rechnen an. Wir rechneten noch, als wir in Altholm waren. In der Wohnung rechneten wir weiter, und bis in den Traum hinein verfolgten uns Zahlenkolonnen unter den Titeln: Inventar – Wäsche – Brot – Fleisch – Gemüse – Kolonialwaren – Licht – Fahrgeld … Es war gar nicht so einfach. Schon war uns klar geworden, daß die Hulemule nicht unser einziges Kind bleiben würde. Im nächsten Frühjahr …

      Das komplizierte die Rechnung außerordentlich, wir würden zwei möblierte Zimmer brauchen. Was kosteten in Berlin zwei möblierte Zimmer? Wir setzten den Mietspreis auf hundert Mark fest und kamen endlich auf ein Bruttogehalt von zweihundertfünfzig Mark. Es schien uns eine unverschämte Forderung, aber billiger war es nicht zu machen. Wir mußten ja soviel anschaffen, besonders auch für das Baby – wir hatten rein nichts! Mit Zittern und Zagen setzte ich die Zahl 250 in meinen Brief, mit Bangen steckten wir ihn in den Kasten – und nun warteten wir auf die Antwort. Wir warteten eine Woche, zwei Wochen, wir warteten auch länger. Am 15. August hätten wir auf den 1. Oktober kündigen müssen, aber ich wagte es nicht: Berlin schwieg. Weiter rannte ich auf der Jagd durch die Straßen Altholms, und nach den Tagen überwältigenden Hoffens überfiel mich die schwärzeste Verzweiflung.

      Der Oktober ging vorüber, grau und naß empfing uns der November, immer grauer wurde meine Stimmung. Manchmal horchte ich drauf hin, wenn Suse bei ihrer Arbeit sang. Sie hoffte immer noch, die Arme! Es gab gar nichts mehr zu hoffen, weiter hieß es durch die Straßen Altholms zu traben, auf der Jagd nach den immer seltener werdenden Abonnenten. In Kürze würde unsere Zeitung dahinsterben – und was dann? Ich kann es auf meinen Eid nehmen, daß ich in diesen Monaten kein sehr fröhlicher junger Ehemann war. Suse lernte es gleich von Anfang an kennen, was trübe Stimmungen waren.

      Der 15. November, der Kündigungstermin auf den 1. Januar, nahte. Ich entschloß mich zu einem zweiten Brief, den ich hinter Suses Rücken absandte. Dieser Brief war schon beweglicher gehalten, auch erniedrigte ich meine Gehaltsforderung auf zweihundert Mark. Ein Zimmer tat es schließlich auch – trotz Baby.

      Neues Warten – und nichts erfolgte! Langsam verblaßten unsere einst so goldenen Hoffnungen. Meine Stimmung wurde wieder besser. Ich mußte mich eben mit meinem Schicksal abfinden. Auch in Altholm ließ es sich leben. Wenn die Zeitung einging, würde sich schon etwas anderes finden.

      Dann, am 23. Dezember, als wir überhaupt nicht mehr an Berlin dachten, kam ein Brief in grünem Umschlag, auf grünem Papier. Es kam der Brief. Kurz und bündig: ab 1.1. hätte ich eine Stellung für zweihundertfünfzig Mark in Berlin, am 2. Januar hätte ich mich um acht Uhr morgens auf dem Verlag zu melden.

      Suse und ich, wir waren wie mit der Keule erschlagen! Da war das Glück, die große Chance, die hundertfach ersehnte, auf die wir längst nicht mehr zu hoffen gewagt hatten – und wir hatten nicht gekündigt! Eine gute Woche nur noch bis zum Antrittstermin!

      »Ach!« sagte Suse. »Sie werden dich hier schon gehen lassen. Erzähle ihnen nur alles, sie werden deinem Glück schon nicht im Wege stehen!«

      »Hätte er nur sechs Wochen früher geschrieben!« stöhnte ich.

      »Er hat uns eben eine Weihnachtsfreude machen wollen«, meinte Suse.

      »Natürlich, aber …«

      Später lernte ich, daß mein Verleger nicht im geringsten an Weihnachtsfreude gedacht hatte. Vielmehr hatte er die Einrichtung des Komposthaufens: alle Dinge, die er nicht gleich erledigen konnte oder wollte, kamen auf einen ständig wachsenden Haufen und lagerten dort ab. »Sie haben keine Ahnung«, sagte er mir später oft, »wieviel Sachen sich durch bloßes Lagern von selbst erledigen! Mein Komposthaufen ist eine wunderbare Einrichtung!«

      Nahte aber irgendein verlegerischer Urlaub (in diesem Fall ein längerer Weihnachtsurlaub), so trat des Verlegers Sekretärin in Tätigkeit. Schon seit Jahrzehnten war sie bei ihm. Im Verlage hieß sie nur Anita, die Holzkuh, und sie war stolz auf diesen Namen. Mit unerschütterlicher Ruhe ertrug sie das ganze Jahr hindurch alle Temperamentsschwankungen ihres Chefs. Und ebenso unerbittlich hielt sie ihn zur Erfüllung seiner Pflichten an. Vor jedem Urlaub mußte der Komposthaufen abgetragen werden, da half ihm gar nichts. Anita war von zähem Holz.

      Vor diesem Urlaub hatten auch meine beiden Briefe im Komposthaufen gelegen. Letzten Endes verdanke ich also die Änderung meiner Lebensumstände und meinen Wiedereintritt in die deutsche Literatur Anita, der Holzkuh …

      Ich ging also meinen schweren Gang zu dem derzeitigen Altholmer Brötchengeber. Schließlich konnte der Gang so schwer nicht sein. Der Mann hatte mir oft genug versichert, daß ich der überflüssigste Mensch unter der Sonne sei und daß er keine Ahnung habe, warum er mir eigentlich mein Gehalt zahle. Aber nun hörte ich es natürlich ganz anders, ich hatte schon das Richtige geahnt. Plötzlich war ich vollkommen unersetzlich. Jawohl, ich konnte gehen, aber erst nach ordnungsmäßiger Kündigung, am 1. April. Oder ich besorgte einen Stellvertreter, einen Ersatzmann, zu den gleichen Bedingungen, unter denen ich gearbeitet hatte, mit meinen plötzlich so ausgezeichneten Fähigkeiten …

      Nun, nachdem ich Ängste genug ausgestanden hatte, gab er mich frei. Schließlich war er doch nicht »so«, Suse hatte es richtig geahnt, er wollte meinem Glück nicht im Wege sein. Am letzten Dezember, am Silvestertag, trafen wir in Berlin ein, mit sehr wenig Geld und mit zwei Handkoffern. Den letzten Tag des alten und den ersten des neuen Jahres verbrachten wir auf der Zimmersuche. Sie erwies sich als erstaunlich schwierig. Sobald eine Vermieterin – und leider waren es alles Frauen – meiner lebhaft gerundeten Frau ansichtig wurde, waren die Verhandlungen schon am Ende. Wir wurden nicht einmal zur Besichtigung der Räumlichkeiten zugelassen. Kindergeschrei? Windelwäsche? Danke bestens – nicht für uns!

      Schließlich – Suse konnte schon keine Treppen mehr steigen – fanden wir zwei alte Leutchen in der Gegend von Alt-Moabit, die entweder keinen Blick für den Zustand meiner Frau oder gegen Kinder nichts einzuwenden hatten, wahrscheinlich weil sie selbst nie Kinder gehabt hatten. Es waren sogar zwei Zimmer, anständige große Räume; die Brandmauer des Hauses zeigte gegen den Bahnhof Bellevue, noch heute ist sie mit einer Reklame für »Kupferberg Gold« bemalt.

      Noch heute, wenn ich auf dieser Strecke fahre, betrachte ich nachdenklich diese Malerei. Hinter »Gold« haben wir über ein Jahr gehaust, aber das war auch das einzige Gold, das wir in diesem Jahr zu sehen kriegten. Denn die beiden Zimmer kosteten einhundertvierzig Mark im Monat, und netto bekam ich etwa zweihundertzwanzig Mark. Achtzig Mark blieben uns fürs Leben. Wir haben es ja irgendwie geschafft, wir haben sogar noch die Aussteuer für das Baby gekauft, aber wie wir das fertiggebracht haben, ist mir heute noch ein Rätsel. Ich weiß nur, daß wir immerzu rechneten, und daß ein fehlender Groschen zu langen Diskussionen führte.

      Am 2. Januar war ich natürlich pünktlich um acht Uhr auf dem Verlag; wenn wir privatim schwerste Sorgen hatten, dort sollte man nichts davon merken! Noch hatte ich keine Ahnung von der Art der Arbeit, die mich erwartete, ich wußte nicht einmal, ob ich auf dem Verlag selbst arbeiten sollte.

      Aber nun war es doch der Verlag selbst. Ein bleichgesichtiger, etwas fetter Herr mit einer schwarzen Zigarre im Mund, die er halb rauchte, halb kaute, jedenfalls aber auch beim Sprechen nicht aus dem Munde nahm, führte mich mit ein paar genuschelten Worten in meine Tätigkeit ein: ich sollte das Besprechungswesen neu ordnen. Der Verleger selbst war noch in Urlaub.

      Kommt in einem Verlag ein neues Buch heraus, so werden Besprechungsexemplare an Zeitungen und Zeitschriften versandt. Manche Blätter, die und deren Kritiker der Verlag kennt, erhalten die Bücher von selbst, andere fordern sie sich an. Nun möchte der Verlag natürlich gerne, daß seine Neuerscheinungen auch wirklich besprochen werden. Damit haperte es aber oft. Es schlichen sich auch Büchermarder dazwischen ein, die überhaupt nicht daran dachten, die Bücher


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