Anthroposophische Leitsätze. Rudolf SteinerЧитать онлайн книгу.
aus den Weltenweiten in das Irdische hereinzieht, hat er einen ätherischen oder Lebensleib. Diesen Gegensatz zwischen dem Irdischen und Ätherischen hat die Erkenntnisrichtung der neueren Zeit ganz unberücksichtigt gelassen. Sie hat gerade aus diesem Grunde über das Ätherische die unmöglichsten Anschauungen entwickelt. Die Furcht davor, sich in das Phantastische zu verlieren, hat davon abgehalten, von diesem Gegensatz zu sprechen. Ohne ein solches Sprechen kommt man aber zu keiner Einsicht in Mensch und Welt.
Leitsätze Nr. 8 bis 10
(9. März 1924)
8. Man kann die Wesenheit des Menschen betrachten, insofern diese aus seinem physischen und seinem ätherischen Leib sich ergibt. Man wird finden, dass alle Erscheinungen am Menschen, die von dieser Seite ausgehen, nicht zum Bewusstsein führen, sondern im Unbewussten verbleiben. Das Bewusstsein wird nicht erhellt, sondern verdunkelt, wenn die Tätigkeit des physischen und des Ätherleibes erhöht wird. Ohnmachtszustände kann man als Ergebnis einer solchen Erhöhung erkennen. Durch die Verfolgung einer solchen Urteilsorientierung gelangt man dazu, anzuerkennen, dass in die Organisation des Menschen – und auch des Tieres – etwas eingreift, das mit dem Physischen und Ätherischen nicht von der gleichen Art ist. Es ist wirksam nicht, wenn das Physische und Ätherische aus seinen Kräften heraus tätig ist, sondern wenn diese aufhören, auf ihre Art wirksam zu sein. Man kommt so zum Begriffe des Astralleibes.
9. Die Wirklichkeit dieses Astralleibes wird gefunden, wenn man durch die Meditation von dem Denken, das durch die Sinne von außen angeregt wird, zu einem innerlichen Anschauen fortschreitet. Man muss dazu das von außen angeregte Denken innerlich ergreifen und es in der Seele als solches, ohne seine Beziehung auf die Außenwelt, intensiv erleben; und dann durch die Seelenstärke, die man in solchem Ergreifen und Erleben sich angeeignet hat, gewahr werden, dass es innere Wahrnehmungsorgane gibt, die ein Geistiges schauen da, wo in Tier und Menschen der physische und der ätherische Leib in ihren Schranken gehalten werden, damit Bewusstsein entstehe.
10. Das Bewusstsein entsteht nicht durch ein Fortführen derjenigen Tätigkeit, die aus dem physischen und dem Ätherleib als Ergebnis kommt, sondern diese beiden Leiber müssen mit ihrer Tätigkeit auf den Nullpunkt kommen, ja noch unter denselben, damit »Platz entstehe« für das Walten des Bewusstseins. Sie sind nicht die Hervorbringer des Bewusstseins, sondern sie geben nur den Boden ab, auf dem der Geist stehen muss, um innerhalb des Erdenlebens Bewusstsein hervorzubringen. Wie der Mensch auf der Erde einen Boden braucht, auf dem er stehen kann, so braucht das Geistige innerhalb des Irdischen die materielle Grundlage, auf der es sich entfalten kann. Und so wie im Weltenraum der Planet den Boden nicht braucht, um seinen Ort zu behaupten, so braucht der Geist, dessen Anschauung nicht durch die Sinne auf das Materielle, sondern durch die Eigenkraft auf das Geistige gerichtet ist, nicht diese materielle Grundlage, um seine bewusste Tätigkeit in sich rege zu machen.
Leitsätze Nr. 11 bis 13
(16. März 1924)
11. Das Selbstbewusstsein, das im »Ich« sich zusammenfasst, steigt aus dem Bewusstsein auf. Dieses entsteht, wenn das Geistige in den Menschen dadurch eintritt, dass die Kräfte des physischen und des ätherischen Leibes diese abbauen. Im Abbau dieser Leiber wird der Boden geschaffen, auf dem das Bewusstsein sein Leben entfaltet. Dem Abbau muss aber, wenn die Organisation nicht zerstört werden soll, ein Wiederaufbau folgen. So wird, wenn für ein Erleben des Bewusstseins ein Abbau erfolgt ist, genau das Abgebaute wieder aufgebaut werden. In der Wahrnehmung dieses Aufbaues liegt das Erleben des Selbstbewusstseins. Man kann in innerer Anschauung diesen Vorgang verfolgen. Man kann empfinden, wie das Bewusste in das Selbstbewusste dadurch übergeführt wird, dass man aus sich ein Nachbild des bloß Bewussten schafft. Das bloß Bewusste hat sein Bild in dem durch den Abbau gewissermaßen leer Gewordenen des Organismus. Es ist in das Selbstbewusstsein eingezogen, wenn die Leerheit von innen wieder erfüllt worden ist. Das Wesenhafte, das zu dieser Erfüllung fähig ist, wird als »Ich« erlebt.
12. Die Wirklichkeit des »Ich« wird gefunden, wenn man die innere Anschauung, durch die der Astralleib erkennend ergriffen wird, dadurch weiter fortbildet, dass man das erlebte Denken in der Meditation mit dem Willen durchdringt. Man hat sich diesem Denken zuerst willenslos hingegeben. Man hat es dadurch dazu gebracht, dass ein Geistiges in dieses Denken eintritt, wie die Farbe bei der sinnlichen Wahrnehmung in das Auge, der Ton in das Ohr eintritt. Hat man sich in die Lage gebracht, dasjenige, das man auf diese Art, durch passive Hingabe, im Bewusstsein verlebendigt hat, durch einen Willensakt nachzubilden, so tritt in diesen Willensakt die Wahrnehmung des eigenen »Ich« ein.
13. Man kann auf dem Wege der Meditation zu der Gestalt, in der das »Ich« im gewöhnlichen Bewusstsein auftritt, drei weitere Formen finden:
1 In dem Bewusstsein, das den Ätherleib erfasst, erscheint das »Ich« als Bild, das aber zugleich tätige Wesenheit ist und als solche dem Menschen Gestalt, Wachstum, Bildekräfte verleiht.
2 In dem Bewusstsein, das den Astralleib erfasst, offenbart sich das »Ich« als Glied einer geistigen Welt, von der es seine Kräfte erhält.
3 In dem Bewusstsein, das eben als das zuletzt zu erringende angeführt worden ist, zeigt sich das »Ich« als eine von der geistigen Umwelt relativ unabhängige, selbständige geistige Wesenheit.
Leitsätze Nr. 14 bis 16
(23. März 1924)
14. Die zweite Gestalt des »Ich«, die in der Darstellung des dritten Leitsatzes angedeutet worden ist, tritt als »Bild dieses Ich auf. Durch das Gewahrwerden dieses Bildcharakters wird auch ein Licht geworfen auf die Gedankenwesenheit, in der das »Ich« vor dem gewöhnlichen Bewusstsein erscheint. Man sucht durch allerlei Betrachtungen in dem gewöhnlichen Bewusstsein das »wahre Ich«. Doch eine ernstliche Einsicht in die Erlebnisse dieses Bewusstseins zeigt, dass man in demselben dieses »wahre Ich« nicht finden kann; sondern dass da nur der gedankenhafte Abglanz, der weniger als ein Bild ist, aufzutreten vermag. Man wird von der Wahrheit dieses Tatbestandes erst recht erfasst, wenn man fortschreitet zu dem »Ich« als Bild, das in dem Ätherleibe lebt. Und dadurch wird man erst richtig zu dem Suchen des Ich als der wahren Wesenheit des Menschen angeregt.
15. Die Einsicht in die Gestalt, in der das »Ich« im Astralleibe lebt, führt zu einer rechten Empfindung von dem Verhältnisse des Menschen zu der geistigen Welt. Diese Ich-Gestalt ist für das gewöhnliche Erleben in die dunklen Tiefen des Unbewussten getaucht. In diesen Tiefen tritt der Mensch mit der geistigen Weltwesenheit durch Inspiration in Verbindung. Nur ein ganz schwacher gefühlsmäßiger Abglanz von dieser in den Seelentiefen waltenden Inspiration aus den Weiten der geistigen Welt steht vor dem gewöhnlichen Bewusstsein.
16. Die dritte Gestalt des »Ich« gibt die Einsicht in die selbständige Wesenheit des Menschen innerhalb einer geistigen Welt. Sie regt die Empfindung davon an, dass der Mensch mit seiner irdisch-sinnlichen Natur nur als die Offenbarung dessen vor sich selber steht, was er in Wirklichkeit ist. Damit ist der Ausgangspunkt wahrer Selbsterkenntnis gegeben. Denn jenes Selbst, das den Menschen in seiner Wahrheit gestaltet, wird sich der Erkenntnis erst offenbaren, wenn er vom Gedanken des Ich zu dessen Bilde, von dem Bilde zu den schöpfenden Kräften dieses Bildes, und von da zu den geistigen Trägern dieser Kräfte fortschreitet.
Leitsätze Nr. 17 bis 19
(30. März 1924)
17. Der Mensch ist ein Wesen, das in der Mitte zwischen zwei Weltgebieten sein Leben entfaltet. Er ist mit seiner Leibes-Entwicklung in eine »untere Welt« eingegliedert; er bildet mit seiner Seelen-Wesenheit eine »mittlere Welt«, und er strebt mit seinen Geisteskräften nach einer »oberen Welt« hin. Seine Leibes-Entwicklung hat er von dem, was ihm die Natur gegeben hat; seine Seelen-Wesenheit trägt er als seinen eigenen Anteil in sich; die Geisteskräfte findet er in sich als die Gaben, die ihn über sich selbst hinausführen zur Anteilnahme an einer göttlichen Welt.
18. Der Geist ist in diesen drei Weltgebieten schaffend. Die Natur ist nicht geistlos. Man verliert