Die 50 besten Morde oder Frauen rächen anders. Birgit EbbertЧитать онлайн книгу.
Kündigungsschutzklage einreichen, bekommen Sie Ihren Arbeitsplatz vielleicht zurück, solange sind Sie nicht arbeitslos, haben also keinen Anspruch auf Leistung des Arbeitsamtes.«
So einfach ist das. Aber nicht mit mir.
»Und wovon soll ich leben?«, will ich wissen und zeige ihm meine weiß blinkenden Zähne. Zusammen mit meinen funkelnden, braunen Augen, die durch die Kurzsichtigkeitsgläser riesig wirken, flößen sie ihm wohl Angst ein.
Er fängt jedenfalls an zu stottern, steht in seinen Birkenstocks auf und huscht ins Nachbarbüro. Er wirkt geradezu erleichtert, als er mir nach seiner Rückkehr mit einem zuversichtlichen Lächeln mitteilt, dass ich natürlich Geld bekäme, dieses allerdings von einer Abfindung eventuell abgezogen würde und wenn ich wieder eingestellt würde, müsste ich es selbstverständlich zurückzahlen.
Aha! Ich darf also den Anwalt zahlen und das Arbeitsamt kassiert.
Der Leistungsberechner empfiehlt mir eine Anwältin gleich um die Ecke und vereinbart einen Termin für mich. Ob er dafür eine Provision erhält? Steuerfrei. Aber vermutlich geht es vielen wie mir. Sie sind einfach froh, dass sie nicht nach einem Anwalt suchen müssen.
Im Büro der Anwältin empfängt mich neben einer fülligen Mittfünfzigerin ein riesiger Hund, der sich sofort vor die Tür wirft, als ich Platz genommen habe. Ich werde den Verdacht nicht los, in einer Falle zu stecken.
Immerhin nimmt Frau Anwältin mir erst einmal die Grundlage für meine nächtlichen Alpträume seit dem Eisberg-Day.
Ich wache oft schweißgebadet auf, weil ich geträumt habe, dass ich vor dem Eisberg auf dem Boden kriechen muss, um ihm meine Arbeitskraft anzubieten.
Früher war das so. Da musste man im Betrieb erscheinen und erklären, dass man arbeiten will. Das wurde abgeschafft. Wenigstens etwas Positives in dem ganzen Schlamassel. Eine entsprechende Mitteilung eines Anwalts reicht.
Gleich stelle ich mir den Eisberg als Regenwurm vor, den ich genüsslich mit dem Fuß zermalme. Nicht barfuß natürlich, da müsste ich ihn berühren. Ich leihe mir so richtig schöne Springerstiefel. Bestimmt gibt es einen Springerstiefelverleih, in der man die leihen kann. Mit diesem Stiefel werde ich genüsslich auf den Eisbergwurm treten und nichts spüren, er dafür umso mehr.
Ein bisschen peinlich wird mir sein, wenn ich den Stiefel ungeputzt zurückgebe. Das gehört sich natürlich nicht. Aber schon die Vorstellung, dass ich seine Reste von der Sohle abkratzen müsste, sorgt für Unruhe in meinem Magen. Leider gelingt es mir nicht, die Mordfantasien ins nächtliche Traumland zu retten.
Stattdessen sehe ich mich in der Fußgängerzone auf der Kuscheldecke aus meiner Kindheit sitzen. Wie dieser Klarinettenspieler, der ständig völlig falsch das Loreley-Lied spielt. Neben mir in Ermangelung eines Hundes mein grüner Plüschfrosch, vor mir die Blechdose mit einer Katze auf dem Deckel, die ich von Johannes zum letzten Geburtstag bekommen habe. Wenn jemand Geld hineinwirft, klingt sie blechern. Aber es fällt kein einziger Cent in die Dose.
Die Menschen gehen vorbei und sehen mich verächtlich an; wenn mehrere gemeinsam an mir vorbeihasten, höre ich wie sie sagen: »Die soll es mit Arbeit versuchen«.
An der Stelle wache ich stets auf und grüble, was ich tue, wenn ich keinen Job finde.
Ich habe eine Liste gemacht mit positiven und negativen Eigenschaften, mit Stärken und Schwächen.
Das habe ich in dem Buch Kündigung – Ihre Chance gelesen. Na, den Autoren geht es gut. Sie haben an meinem Kauf ihres Buches schon etwas verdient.
Wenn ich über den Eisberg und die Möglichkeiten, ihn umzubringen, nachdenke, überlege ich mir manchmal, ob ich mich vielleicht freiberuflich als Profikillerin verdingen soll.
So ein Quatsch: freiberuflich. Es wird keine Killer-Agentur geben oder Töten als Franchisesystem. Eigentlich eine Marktlücke. Sicher gibt es viele Leute, die jemanden umbringen möchten und nicht wissen, wie sie das machen sollen.
Vielleicht sollte ich eine Mordberatungsstelle eröffnen. An der Idee werde ich weiterarbeiten.
Och nee, nicht schon wieder dieses elende Telefon.
»Ja«, knurre ich in das eingebaute Mikrofon des modernen Gerätes, von Sprechmuschel kann man da nicht reden.
Am liebsten hätte ich nicht abgenommen, aber vielleicht bietet mir jemand einen Job an oder verkündet, dass ich eine Million im Lotto gewonnen habe.
Nicht einmal das kann einem heute noch passieren.
Die Lottozentrale weiß nicht, wer genau gewonnen hat. Man ist nur ein anonymer, codierter Einzahler und jeder kann mit dem Einzahlungsbeleg den Gewinn abholen. Da ist der Kriminalität Tür und Tor geöffnet.
»Frau Junker, sind Sie das?«
Ist das nicht die gelegentlich sexy klingende Stimme meines zweiten zukünftigen Mordopfers?
»Karsten Denker, bitte legen Sie nicht auf!«
Was bildet der sich eigentlich ein? Wieso wagt er es, hier anzurufen? Weiß er nicht, dass er die Nummer Zwei auf meiner Tötungsliste ist?
»Ich wollte mich für meinen gestrigen Anruf entschuldigen.«
Was ist das jetzt für eine Masche? Wenn, müsste ich mich entschuldigen, weil ich das Gespräch abgebrochen habe.
»Selbstverständlich steht Ihnen unser Forum rund um die Uhr für beliebig lange Beiträge zur Verfügung. Ich dachte nur, eine eigene Website ist manchmal für Bewerbungen ganz nützlich.«
Ist das jetzt eine Falle? Er hat nicht Unrecht, das muss ich leider zugeben. Den Hinweis habe ich in einem der schlauen Bewerbungsratgeber gelesen.
»Störe ich Sie gerade?«
Nanu, plötzlich so fürsorglich? Was ist nur in den Mann gefahren? Interessiert er sich etwa für mich?
»Wissen Sie, Frau Junker, ich war selbst einige Monate arbeitslos.«
Oho, jetzt wird er persönlich. Diese jungen Verkäufer von heute schrecken vor nichts zurück. Ob das stimmt?
Mir ist bisher kein Mensch begegnet, der arbeitslos war und dann wieder einen Job gefunden hat.
»Echt?« Ein bisschen Neugier kann ich zeigen, das wird meinem Image nicht schaden. Und wer weiß, was daraus wird.
»Ja. Meine Firma hat damals pleite gemacht und ich hatte plötzlich keinen Job mehr. Das war schrecklich. Ich hatte mich bis dahin nur über die Arbeit definiert. Meine Frau hat sich deswegen scheiden lassen.«
Aha, er ist geschieden, also vermutlich nicht mehr ganz so jung. Gut zu wissen.
»So schlimm wie Sie Ihre Kündigung in dem Forum schildern, war es bei mir nicht, aber den ganzen Arbeitsamts- und Gerichtskram musste ich auch hinter mich bringen. Ich war in meiner früheren Firma für die Internetprojekte zuständig, deswegen lag die Idee einer eigenen Website natürlich nahe. Bei Bewerbungsgesprächen ist das immer gut angekommen. Daher wollte ich Sie auf unser Angebot aufmerksam machen.«
Ich sage erst einmal nichts. Gemeinsames Schweigen ist oftmals der Anfang einer wunderbaren Beziehung.
»Ich könnte Ihnen bei der Erstellung der Seite helfen.«
Hoppla, ganz schön zielstrebig der Herr. Vermutlich hat er nur Mitleid mit mir.
»Überlegen Sie es sich. Schauen Sie sich einfach meine Seite an: www.karsten-denker.de, dort finden Sie auch meine E-Mail-Adresse.« Schaden kann ein Blick auf die Seite nicht.
»Das ist aber nett, vielen Dank«, verabschiede ich mich. Vielleicht mit einem bisschen zu viel Überschwang in der Stimme, das ärgert mich. Deshalb lasse ich den Zettel mit seinem Namen an der Wand mit den Mordarten hängen. Sicher ist sicher!
7 - Gassi gehen
»Kommst du wohl!« Vindicta zerrte an der Leine, an der sie einen Mann hinter sich her zog.