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Heilpädagogischer Kurs - Rudolf Steiner


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      LUNATA

Heilpädagogischer Kurs

      Heilpädagogischer Kurs

      © 1924 by Rudolf Steiner

      © Lunata Berlin 2020

      Inhalt

       Erster Vortrag

       Zweiter Vortrag

       Dritter Vortrag

       Vierter Vortrag

       Fünfter Vortrag

       Sechster Vortrag

       Siebenter Vortrag

       Achter Vortrag

       Neunter Vortrag

       Zehnter Vortrag

       Elfter Vortrag

       Zwölfter Vortrag

       Über den Autor

      Zwölf Vorträge für Heilpädagogen und Ärzte

      Dornach, 25. Juni bis 7. Juli 1924

      Erster Vortrag

      Dornach, 25. Juni 1924

      Nun, meine lieben Freunde, wir haben ja eine ganze Anzahl von Kindern, die aus einer unvollständig gebliebenen Entwicklung heraus erzogen werden sollen, beziehungsweise, soweit es möglich ist, geheilt werden sollen. Eine Anzahl dieser Kinder haben wir hier im Klinisch-Therapeutischen Institut, und eine Anzahl haben Sie im Lauenstein. Wir werden das, was wir hier zu besprechen haben, so einrichten, dass es möglichst auf die praktische Anwendung sogleich hinzielt. Wir werden dann auch in der Lage sein, dadurch dass uns Frau Dr. Wegman die hier befindlichen Kinder – wir können das ja unter uns – zur Demonstration zur Verfügung stellen wird, wir werden da auch einige Fälle unmittelbar ad oculos auseinandersetzen können. Zunächst möchte ich aber heute von dem Wesen solcher Kinder sprechen. Es ist ja natürlich, dass vorangehen soll bei jedem, der unvollständig entwickelte Kinder erziehen will, eine Erkenntnis, eine wirklich eindringliche Erkenntnis der Erziehungspraxis für gesunde Kinder. Das ist dasjenige, was sich jeder, der solche Kinder erziehen will, aneignen müßte. Denn man muss sich ganz klar darüber sein, dass all dasjenige, was eigentlich bei unvollständig entwickelten Kindern, bei krankhaften Kindern auftreten kann, in intimerer Art auch im sogenannten normalen Seelenleben bemerkbar ist, man muss nur entsprechend das normale Seelenleben beobachten können. Man möchte sagen, irgendwo in einer Ecke sitzt bei jedem Menschen im Seelenleben zunächst eine sogenannte Unnormalität. Nur so etwas wie, sagen wir, eine kleine Gedankenflucht oder eine Unfähigkeit, die Worte beim Sprechen in die richtigen Abstände zu stellen, sodass man entweder im Sprechen sich überschlägt, oder aber dass der Zuhörer spazieren gehen kann zwischen zwei Worten, die man herausbringt, oder ähnliche Unregelmäßigkeiten, die auch im Willensleben und Gefühlsleben auftreten können, die sind, wenigstens in einer geringfügigen Anlage, bei der größten Anzahl von Menschen bemerkbar. Und man wird schon über solche Unregelmäßigkeiten dann später noch einiges zu sprechen haben, weil sie demjenigen, der namentlich auf die großen Unregelmäßigkeiten erzieherisch oder heilend eingehen will, als Symptom gelten müssen. Man muss in diesen Dingen seine Symptomstudien machen können, wie der Arzt bei Krankheitsfällen von Symptomen spricht, an denen er die Krankheiten erkennt, auch wohl von dem Symptomenkomplex spricht, an dem er das Krankhafte überschauen kann, aber niemals dasjenige verwechseln wird, was im Symptomenkomplex liegt, mit demjenigen, was eigentlich der substantielle Inhalt der Krankheit ist. So sollte man auch nicht beim unvollständig entwickelten Kinde das, was man am Seelenleben bemerkt, für etwas anderes als für Symptome halten. Die sogenannte Psychographie ist eigentlich nichts anderes als eine Symptomatologie. Und wenn heute die Psychiatrie nichts anderes tut, als die abnormen Seelenerscheinungen nach Denken, Fühlen und Wollen zu beschreiben, so bedeutet das nicht viel anderes, als dass sie Fortschritte gemacht hat in der genauen Beschreibung der Symptomenkomplexe, dass sie aber, da sie nicht hinausgehen kann über solche Psychographie, absolut unfähig ist, in das Substantielle der Krankheiten einzudringen. Man muss hineinkommen ins Substantielle des Krankseins. Und da wird Ihnen eine Vorstellung nützlich sein können, die ich Sie bitte festzuhalten. Nehmen wir an, wir hatten hier den physischen Leib des Menschen, so wie er uns entgegentritt im Wachsen des kleinen Kindes. Wir haben dann gewissermaßen aufsteigend, herausdringend aus diesem physischen Leib des Menschen das Seelenleben. Dieses Seelenleben, das uns eben als die Äußerungen der kindlichen Seele entgegentreten kann, das kann nun normal oder abnorm sein. Wir haben ja im Grunde genommen gar kein weiteres Recht, über die Normalität oder Abnormalität des kindlichen Seelenlebens oder menschlichen Seelenlebens überhaupt zu reden, als indem wir hinschauen auf dasjenige, was durchschnittsmäßig »normal« ist. Es gibt kein anderes Kriterium als dasjenige, was allgemein üblich ist vor einer Gemeinschaft von Philistern. Und wenn diese Gemeinschaft irgendetwas für vernünftig oder gescheit ansieht, so ist alles dasjenige »abnormes« Seelenleben, was nach Ansicht dieser Philister nicht »normales« Seelenleben ist. Ein anderes Kriterium gibt es zunächst nicht. Daher sind die Urteile so außerordentlich konfus, wenn man anfängt, indem man eine Abnormität konstatieren kann, dann alles Mögliche zu treiben, und damit abzuhelfen glaubt – stattdessen treibt man ein Stück Genialität heraus. Mit solch einer Beurteilung ist überhaupt nicht viel anzufangen, und das Erste, was eintreten sollte, ist, dass der Arzt und Erzieher eine solche Beurteilung ablehnt, dass er hinauskommt über die Aussage: das oder jenes ist gescheit oder vernünftig nach den Denkgewohnheiten, die man so gewöhnlich hat. Gerade auf diesem Gebiete ist es von eminentester Notwendigkeit, überhaupt keine Kritik zu üben, sondern die Sachen reinlich anzuschauen. Denn was liegt eigentlich beim Menschen vor? Sehen wir jetzt ganz ab von diesem Seelenleben, das ja ohnedies erst nach und nach herauskommt, an dem manchmal höchst zweifelhafte Erzieher einen Anteil haben, sehen wir ab von diesem Seelenleben, dann haben wir hinter der Körperlichkeit ein anderes Geistig-Seelisches, ein Geistig-Seelisches, das heruntersteigt zwischen Konzeption und Geburt aus den geistigen Welten. Jenes Seelenleben ist nicht dasjenige, was heruntersteigt aus den geistig-seelischen Welten, sondern es ist ein anderes Seelenleben, das zunächst für das irdische Bewusstsein nicht äußerlich sichtbar ist. Ich will es schematisch dahinterzeichnen. Dieses ganze Seelenleben, das da heruntersteigt, das bemächtigt sich des Körpers, der vererbungsgemäß aufgebaut wird aus der Generationenfolge heraus. Wenn also dieses Seelenleben so geartet ist, dass es eine kranke Leber konstituiert, wenn es die Lebersubstanz ergreift, oder vererbungsgemäß im physischen und Ätherleib Krankhaftes findet und daher eine Krankheitsempfindung entsteht, dann liegt eben eine Erkrankung vor. Ebenso kann jedes andere Organ oder jeder andere Organkomplex falsch eingeschaltet sein in dasjenige, was aus dem seelisch-geistigen Kosmos heruntersteigt. Und erst wenn nun diese Verbindung hier da ist, diese Verbindung zwischen dem, was heruntersteigt und dem, was vererbt ist, wenn dieses Seelisch-Körperliche sich gebildet hat, dann entsteht – mehr aber nur als Spiegelbild –dasjenige, was unser Seelenleben ist und was gewöhnlich beobachtet wird als Denken, Fühlen und Wollen (violett). Dieses Denken, Fühlen und Wollen ist überhaupt nur da wie Spiegelbilder, richtig wie Spiegelbilder, löscht aus, wenn wir einschlafen. Das eigentlich dauernde Seelenleben ist dahinter, steigt herunter, das geht durch die wiederholten Erdenleben und sitzt in der Organisation des Leibes darinnen.


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