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Weihnacht von Karl May. Karl MayЧитать онлайн книгу.

Weihnacht von Karl May - Karl May


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»Zehn Kreuzer ohne Brot.«

       »Und das Brot?«

       »Zehn Kreuzer ohne Kaffee.«

       »So bestellst du Kaffee für dich, und ich laß mir Brot für mich geben; dann teilen wir und

       zahlen bloß zwanzig Kreuzer. Was wir hier sparen, können wir dem Mittagessen zulegen. Bist

       du einverstanden?«

       »Ja. Nobel ist das zwar nicht, aber wir machen dann schnell, daß wir fortkommen und nicht

       lange bekrittelt werden.«

       »Bekrittelt? Willst du dich nicht für akademisch gebildete Kapitalisten eines bessern

       Ausdruckes bedienen? Diese Böhmen werden alles, was wir thun, für vornehm halten, wenn

       sie es auch nicht begreifen können.«

       Wir frühstückten also für zwanzig Kreuzer, ließen uns für vornehm halten und reisten dann

       ab. Unser heutiges Ziel war Falkenau, wo wir gegen Abend lebendig ankamen, obgleich mein

       Freund das Unglück gehabt hatte, seinen Eissporn zu verlieren; wie das zugegangen war, das

       wußte er selber nicht und ich noch viel weniger. Er war nicht nur schmerzlich bewegt,

       sondern sogar tief betrübt über diesen ebenso schweren wie unersetzlichen Verlust, und ich

       gab mir ihm zuliebe den Anschein, als ob der Eisenstachel auch meinem Herzen teuer

       gewesen sei. Wir blickten ihm voll Trauer in die Vergangenheit nach und wendeten uns dann

       mit männlicher Resignation einer einfachen Herberge zu, deren Aussehen mit unserm

       heutigen Budget zu harmonieren versprach.

       Eben wollten wir eintreten, da kam ein Gendarm heraus, der sich darüber zu wundern schien,

       daß wir dahinein wollten. Er grüßte höflich und fragte dann:

       »Sie sind doch wohl Studenten, meine Herren, nicht?«

       Ich nickte; Carpio aber zog seinen Schülerpaß aus der Brusttasche, schob ihn dem

       Sicherheitsbeamten in die Hand und antwortete:

       »Ja, wir sind Studenten. Bitte, überzeugen Sie sich!«

       Der Gendarm öffnete den Paß, las ihn und gab ihn mit einem eigentümlichen Lächeln und den

       Worten zurück:

       »Wenn Sie das alles sind, was hier verzeichnet steht, so sind Sie ein gemachter Mann, lieber,

       junger Herr!«

       »Das alles bin ich allerdings!« versicherte mein Busenfreund in stolzem Tone. »Es ist sogar

       der Gymnasialstempel daraufgedrückt.«

       »Den sehe ich nicht!«

       Carpio sah den Paß nun selbst auch an und fand, daß das, was er in der Hand hatte, ein

       Verzeichnis der Regierungsjahre der deutschen Kaiser von Karl dem Großen bis auf Franz

       den Zweiten war. Er suchte eine ganze Zeit lang nach dem Passe und rief, als er ihn nicht

       fand, entrüstet aus:

       »Das ist nun wieder einmal ein Versehen von meiner Schwester, die mir diese Tabelle anstatt

       des Passes in die Tasche gesteckt hat. Solche Tollheiten können doch unbedingt nur bei

       Personen vorkommen, welche keine Masculina, sondern entweder Feminina oder Neutra

       sind!«

       »Machen Sie sich darüber keine Sorgen!« tröstete ihn der Polizist. »Ich habe nicht nach Ihrem

       Paß gefragt; man sieht es Ihnen ja an, daß Sie das sind, wofür Sie sich ausgeben, und wenn es

       unter besonderen Umständen nötig sein sollte, so wird Ihr Kollege seinen Paß besitzen,

       welcher Sie dann beide legitimiert.«

       »Hast du denn deinen?« fragte mich Carpio.

       »Ja, denn ich verlaß mich nicht auf meine Schwestern, die übrigens ihre Sinne stets

       beisammen haben. – Kann vielleicht unsereins hier in diesem Hause auch wohnen, Herr

       Unteroffizier?«

       »Hm,« brummte der Mann. »Ich wunderte mich schon darüber, daß Sie hinein wollen, denn

       es ist eine Herberge für Handwerksburschen. Kommen Sie lieber mit zum Franzl! Ich gehe

       eben hin und werde Sie führen.«

       Diese Aufforderung war jedenfalls recht gut gemeint, aber Carpio fiel schnell ein:

       »Hat er ein Hotel, einen Gasthof? Ist es teuer bei ihm?«

       Da schlug der Beamte eine breite, behäbige Lache auf und antwortete:

       »Der Franzel? Teuer? Zumal gegen die Herren Studenten? Hahahaha! Da müssen Sie ihn

       kennen lernen! Er ist auch Student gewesen; er hat auf Schulmeister studiert, die Sache aber

       aufgegeben, weil ihn die reiche Wirtin zum Mann genommen hat. Nun spricht er von nichts

       lieber als von seinem Studium und hat keine größere Freude als wenn Studenten bei ihm

       einkehren. Wenn sie ihm gefallen, so ist es dann sein Gaudi, daß er sich nichts bezahlen läßt.

       Kommen Sie nur; die Sache läßt sich wohl machen!«

       Er ging voran, und wir beide folgten ihm; dabei hielt mich mein Freund ein wenig zurück und

       fragte besorgt:

       »Du, ob wir diesem famosen Wirte Franzl wohl gefallen werden?«

       »Warum sollten wir denn nicht?«

       »Weil jeder Mensch seinen besonderen Geschmack hat. Wenn er seinen Narren an uns frißt,

       so ist es wohl möglich, daß wir nichts zu bezahlen brauchen; aber wenn er uns erst fein und

       teuer traktiert und dann hinterher nicht leiden mag, so können wir leicht mit einem einzigen

       Schlage um dein und mein ganzes Vermögen kommen!«

       »Das steht nicht zu befürchten. Man bezahlt doch nichts, was man nicht selbst bestellt hat,

       und wir werden uns wohl hüten, eine große Rechnung auflaufen zu lassen. Es giebt derartige

       Menschen, wie der Gendarm den Franzl beschreibt – Schulmeister studirt! – sie besitzen

       keine akademische Bildung, denken aber vielleicht, noch mehr als das zu können. Wenn man

       sie bei dieser ihrer Meinung läßt, fließen sie vor lauter Freundschaft über. Dieser Franzel ist

       vielleicht ein hübscher, junger Mensch gewesen und hat nur aus diesem Grunde eine reiche

       Frau bekommen. Wir werden ja sehen.«

       »Höre, Sappho, du sprichst ja wie ein Buch, und noch dazu gar wie ein gedrucktes! Das hast

       du während unserer jetzigen Reise noch nicht gethan!«

       Sappho! Da kommt es doch ans Tageslicht, was ich verschweigen wollte! Man weiß, daß fast

       kein Student oder Gymnasiast ohne Spitznamen bleibt; ich war bis vor kurzem so glücklich

       gewesen, nur bei meinem gewöhnlichen Namen genannt zu werden, aber das war seit meinem

       Weihnachtsgedichte anders geworden. Man hatte nach einem Dichternamen für mich gesucht,

       und da dieser doch einen scherzhaften Anstrich haben mußte, war man auf den sonderbaren

       Gedanken gefallen, mich nicht nach einem Dichter, sondern nach einer Dichterin zu nennen.

       Man hing mir den Namen Sappho an, und als ich mich sträubte, dies zu dulden, bewies man

       mir, daß es keinen bezeichnenderen geben könne, weil Sappho


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