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Edgar Allan Poe - Gesammelte Werke. Edgar Allan PoeЧитать онлайн книгу.

Edgar Allan Poe - Gesammelte Werke - Edgar Allan Poe


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krachendes Geräusch aufgeschreckt, das ich mir in keiner Weise zu erklären wußte. Es war von sehr kurzer Dauer, ließ sich aber mit keinem mir von der Erde her bekannten Geräusch vergleichen. Es ist überflüssig, zu sagen, daß ich ungemein in Bestürzung geriet und im ersten Moment glaubte, der Ballon sei zerplatzt. Ich untersuchte alsbald meine sämtlichen Apparate mit großer Aufmerksamkeit, konnte jedoch nichts Ungewöhnliches entdecken. Verbrachte einen großen Teil des Tages in Betrachtungen über das so außerordentliche Ereignis, vermochte aber nicht die geringste Ursache zu finden, der es zuzuschreiben gewesen wäre. Begab mich unbefriedigt und in großer Unruhe und Besorgnis auf mein Ruhelager.

      11. April. Fand eine verblüffende Abnahme des Erddurchmessers und nun zum erstenmal eine beträchtliche Zunahme des Durchmessers des Mondes, der in wenigen Tagen seine volle Rundung erreichen mußte. Es bedurfte jetzt recht langer und anstrengender Arbeit, um die zur Erhaltung meines Lebens nötige Atmosphärendichtigkeit in meiner Kautschukzelle zu erzielen.

      12. April. Die Richtung des Ballons erfuhr eine eigenartige Veränderung, die zwar von mir vorausgesehen worden war, die mir aber trotzdem unvergleichliches Entzücken bereitete. Nachdem er in seinem bisherigen Lauf etwa den zwanzigsten südlichen Breitengrad erreicht hatte, wandte er sich plötzlich in scharfem Winkel nach Osten und behielt diese Richtung den ganzen Tag bei, indem er sich nun fast, wenn nicht sogar ganz genau, innerhalb der Mondbahn hielt. Bemerkenswert ist, daß als Folge des veränderten Kurses eine sehr auffällige Schwankung in der Gondel eintrat, die, teils stärker, teils schwächer, viele Stunden andauerte.

      13. April. Wurde von neuem sehr erschreckt durch eine Wiederholung des lauten, krachenden Geräusches, das mich am Zehnten so sehr beunruhigt hatte. Dachte lange über die Sache nach, konnte aber zu keinem befriedigenden Schluß gelangen. Große Abnahme im Erddurchmesser, der nun zum Ballon einen Winkel von kaum mehr als fünfundzwanzig Grad bildete. Der Mond, der fast in meinem Zenith stand, war überhaupt nicht zu erblicken. Ich glitt weiter in der Bahn der Ellipse dahin, machte aber nur geringen Fortschritt nach Osten.

      14. April. Außerordentlich schnelle Abnahme des Erddurchmessers. Heute hatte ich den ganz deutlichen Eindruck, daß der Ballon tatsächlich die Kreisbahn entlang zur Mondnähe eilte – mit andern Worten, den direkten Kurs einhielt, der ihn gerade an der Stelle auf den Mond zuführte, wo er in seiner Bahn der Erde am nächsten kam. Der Mond selbst stand mir genau zu Häupten und blieb daher meinem Blick entzogen. Angestrengte und andauernde Arbeit war nötig, um genügend kondensierte Luft zu bekommen.

      15. April. Jetzt zeichneten sich auf der Erde nicht einmal mehr die Umrisse von Meer und Festland ab. Gegen zwölf Uhr vernahm ich zum drittenmal das beunruhigende Krachen, über das ich mich schon früher gewundert hatte. Diesmal jedoch hielt es einige Augenblicke an und wurde sogar immer stärker. Schließlich, als ich bestürzt und entsetzt in Erwartung irgendeiner furchtbaren Katastrophe dastand, wurde die Gondel gewaltig erschüttert, und eine kolossale, flammende Masse von unbestimmbarer Natur kam mit einem Getöse wie von tausend Donnern vorbeigesaust. Nachdem Angst und Erstaunen in mir etwas nachgelassen hatten, erriet ich ohne Mühe, daß es ein ungeheures vulkanisches Auswurfstück aus eben jenem Weltkörper gewesen sein müsse, dem ich mich so eilends näherte, und zwar höchstwahrscheinlich eine jener eigenartigen Substanzen, die gelegentlich auf Erden gefunden und in Ermangelung einer treffenden Bezeichnung Meteorsteine genannt werden.

      16. April. Als ich heute, so gut ich konnte, nacheinander durch jedes der Seitenfenster nach oben blickte, sah ich zu meiner größten Freude auf allen Seiten über den mächtigen Umkreis des Ballons hinaus einen ganz schmalen Rand der Mondscheibe hervorstehen. Ich war in gewaltiger Aufregung; denn nun zweifelte ich kaum noch, bald an das Ende meiner gefahrvollen Reise zu gelangen. Die am Kondensator zu leistende Arbeit hatte erdrückend zugenommen und gestattete kaum die geringste Rast zur Erholung. Ich wurde ganz elend, und mein Körper zitterte vor Erschöpfung. Es war ausgeschlossen, daß die menschliche Natur diesen Zustand höchster Leiden noch lange ertragen konnte. In der jetzt kurzen Dunkelheitsperiode kam wieder ein Meteorstein in meiner Nähe vorüber, und die Häufigkeit dieser Erscheinung verursachte mir viel Besorgnis.

      17. April. Dieser Morgen bedeutet einen Abschnitt in meiner Reise. Man wird sich erinnern, daß die Erde am Dreizehnten eine Winkelbreite von fünfundzwanzig Grad ergab. Am Vierzehnten hatte die Breite sich sehr verringert; am Fünfzehnten war eine noch schnellere Abnahme bemerkbar, und als ich mich in der Nacht zum Sechzehnten zur Ruhe legte, konnte ich einen Winkel von nicht mehr als etwa sieben Grad und fünfzehn Minuten feststellen. Wie groß wurde daher meine Bestürzung, als ich morgens beim Erwachen aus einem kurzen und unruhigen Schlummer die Fläche drunten so plötzlich und wunderbar vergrößert sah, daß sie nicht weniger als neununddreißig Grad Winkeldurchmesser hatte! Ich war wie vom Donner gerührt! Keine Worte können auch nur eine annähernde Vorstellung von dem ungeheuren Staunen und Grauen geben, das mich ergriff, beherrschte und vollkommen überwältigte. Meine Knie wankten – meine Zähne schlugen aufeinander – mein Haar stand zu Berge. »Der Ballon ist geplatzt!« das war der erste tolle Gedanke, der mir durch den Kopf schoß: »der Ballon ist tatsächlich geplatzt!« – Ich fiel – fiel mit unerhörter, nie dagewesener Schnelligkeit! Nach der in solcher Schnelligkeit zurückgelegten fabelhaften Strecke zu schließen, konnte es höchstens noch zehn Minuten dauern, bis ich drunten auf der Erde ankam und in Atome zermalmt wurde.

      Doch schließlich dachte ich ruhiger über die Dinge nach, und da befielen mich denn doch wohlbegründete Zweifel. Es war ja ganz unmöglich! Wie konnte ich denn so schnell gefallen sein! Und ferner, wenn ich auch tatsächlich der Fläche drunten schnell näher kam, so geschah dies doch keineswegs mit der Geschwindigkeit, die sich mit der zuerst empfundenen auch nur vergleichen ließ. Diese Betrachtung diente meinem verwirrten Hirn zur Beruhigung, und ich kam schließlich dahin, mir die Erscheinung richtig zu erklären. Wahrhaftig, die heftige Bestürzung mußte mich zunächst meiner gesunden Sinne beraubt haben, sonst hätte ich sofort erkennen müssen, welch ein gewaltiger Unterschied zwischen dem Weltkörper unter mir und der Oberfläche meiner Mutter Erde bestand. Die Erde befand sich jetzt tatsächlich mir zu Häupten und wurde durch den Ballon völlig verdeckt, während der Mond – der Mond selber in all seinem Glanze – unter mir, zu meinen Füßen lag!

      Diese verblüffende Änderung im Stand der Dinge war aber schließlich vielleicht von allen meinen Abenteuern das, das am wenigsten ein Erstaunen rechtfertigte und einer Erklärung bedurfte. Denn das » bouleversement« an sich war nicht nur selbstverständlich und unvermeidlich, sondern längst von mir erwartet – für den Zeitpunkt nämlich, wo die Anziehungskraft des Planeten von der des Trabanten aufgehoben werden – oder, genauer ausgedrückt, die Gravitation des Ballons zur Erde weniger stark sein würde als seine Gravitation zum Monde. Aber wie schon erwähnt, war ich gerade aus einem tiefen Schlummer erwacht, meine Sinne hatten ihre volle Klarheit noch nicht erlangt, und ich sah mich plötzlich einer überraschenden, vollendeten Tatsache gegenüber, die, wenn auch erwartet, doch nicht in diesem Augenblick von mir erwartet wurde. Die Umdrehung selbst mußte natürlich ruhig und allmählich vor sich gegangen sein, und selbst wenn ich zur Zeit des Ereignisses wachgewesen wäre, so ist es keineswegs sicher, daß ich an irgendeinem Vorgang die Umkehrung gemerkt hätte – etwa an irgendeiner besonderen Unbequemlichkeit oder an einer auffallenden Veränderung an meinen Apparaten.

      Es ist wohl überflüssig, zu sagen, daß meine Aufmerksamkeit sich, sobald ich die Lage richtig erfaßt und das lähmende Entsetzen überwunden hatte, in erster Linie einer Betrachtung der allgemeinen Gestaltung des Mondes zuwandte. Er lag dort unten wie eine Landkarte, und obgleich er mir noch immer sehr weit entfernt schien, so zeigten sich die Unebenheiten seiner Oberfläche doch überraschend und geradezu unerklärlich deutlich. Das gänzliche Fehlen von Meeren, Seen, ja sogar Flüssen oder sonstigen Wasserstrecken fiel mir sogleich als der eigenartigste Zug seiner geologischen Beschaffenheit auf. Dennoch bemerkte ich sonderbarerweise riesige Flächen von entschieden alluvialem Charakter; der weitaus größte Teil der sichtbaren Hemisphäre war jedoch mit zahllosen vulkanischen Bergen von konischer Form bedeckt, die mehr künstlich aufgerichteten als natürlichen Erhebungen glichen. Der bedeutendste von ihnen erreichte nicht mehr als dreidreiviertel Meilen senkrechter Höhe; übrigens würde eine Karte des vulkanischen Gebietes der Campi Phlegräi Euren Exzellenzen eine bessere Vorstellung des allgemeinen Mondbildes geben als mein


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