BUSREISEN MACHEN GLÜCKLICH. Jens BergmannЧитать онлайн книгу.
zwei leere Flaschen hatten die Damen schon vor der Pause geleert und sie dann im hinteren Mülleimer entsorgt, den ich dann ja entleert hatte. Dieses „Clübchen“ entspricht auch einem der typischen Klischees. Bei der Kaffeeausgabe während unserer Pause war nicht zu überhören, dass die Spielkasse (welches Spiel auch immer gespielt wird) für die Finanzierung dieser Reise herangezogen wurde. Macht ja auch Sinn. Auffällig waren alle Vier durch die, wohl scheinbar eigens für diese Reise angefertigten, selbst bedruckten T-Shirts. Die Wortführerin dieses Gespanns, die wohl auch die gemeinsame Spielkasse verwaltet, schaute mir bei der Zubereitung von Kaffee, Tee und Cappuccino argwöhnisch auf die Finger mit der Bemerkung, sie habe das auch schon viele hundert Mal getan, da Ihr Ex-Mann oder ehemaliger Freund oder was auch immer ebenfalls Busfahrer gewesen sei….Aber ich denke mir „Mädel du kannst mir viel erzählen…“. Solche Dinge hört man in ähnlicher Form einige Male im Jahr.
Bei dem was Fahrgäste immer wieder gern von sich geben, gibt es eine nennenswerte Ausnahme auf die ich eingehen möchte. Viele Männer kommen zu mir – meistens am ersten Reisetag – und oftmals gleich mehrere, z.B. während der Kaffeepausen, um mir zu erzählen, dass sie ja vor ihrer Pensionierung auch große Fahrzeuge gefahren hätten und deshalb genau einschätzen könnten, was das für den Busfahrer bedeuten würde und wie schwierig dies doch sei. Für den außenstehenden Leser folgt ein kurzer Beispieldialog. Fahrgast 1: „Hätte ich zu meinem LKW-Schein damals nochen Personenbeförderungsschein gemacht, dann hätte ich Ihren Bus jetzt auch fahren können junger Mann! Wir krichten die ja damals vonner Wehrmacht so umjeschrieben“ – Fahrgast 2 daraufhin: „Ja ja, ich auch, wie viele Pferdchen hat ihr Bus denn so unter der Haube?“ – Fahrgast 3 dazu (mit dem Spazierstock auf den Vorderreifen schlagend): „Also wenn ich mir den Bus so genau begucke – bestimmt 280 oder sogar 300! Und der macht doch sicher 120 Sachen oder?“ Nun mischt sich die Ehefrau von Fahrgast 2 ins Gespräch: „Haben se nich gesehn wie schnell wir vorhin anne LKWs vorbei sind? Mindestens 140, auf jeden Fall schneller als wie mein Mann wenn wa sonst nachen Schwarzwald gefahrn sind! Sagen se mal – wann müssen wir denn woll das erste Mal tanken? Nachn Schwarzwald hin ham wir sonst immer hinter Würzburch das erste Mal getankt. Da war der Sprit immer billiger als anderswo. Karl-Heinz wie hieß das doch noch wo wa immer getankt haben?“ Nun auch noch die Frau von Fahrgast 1:“ Fährt so`n Bus mit Benzin oder Diesel? Ach und Werner – warste schon pillern? Der Bus fährt gleich wieder los“ – Wieder Fahrgast 1: „Och, dat is gar nich so tragisch. Bei 30 oder 40 Litern Verbrauch - da kommen wir noch nen ganzes Stück. So ein Bus hat ja nen größeren Tank als euer Jetta!“
So oder ähnlich könnte es sein auf Ihrer nächsten Busreise. Ich möchte nur in aller Kürze dazu Stellung nehmen:
1 Man benötigt einen richtigen Busführerschein, da der sogenannte Personenbeförderungsschein nicht zum Fahren eines Omnibusses berechtigt. Auch umgeschriebene Wehrmachtsdokumente bilden da keine Ausnahme. Es wäre möglich, dass dies bis vor 40 Jahren mal möglich war – da möchte ich mich nicht festlegen.
2 Die Busse der „Neuzeit“ haben in der Regel 400 – 500 „Pferdchen“ unter der Haube, je nach Modell und Ausfertigung und Anspruch des Betreibers.
3 Die Geschwindigkeit ist heutzutage exakt auf 100 km/h begrenzt und dies ist auch gut so und völlig ausreichend. Diese Geschwindigkeit ermöglicht ein angenehmes, zügiges und vor allem sicheres Reisen und kann schon rein technisch nicht überschritten werden!
4 Die Generation der heutigen Busse begnügt sich je nach Größe, Motorisierung, Ausladung und Strecke mit durchschnittlich – sagen wir mal 25-32 Litern DIESELKRAFTSTOFF je hundert Kilometer Fahrtstrecke und so ein Tank kann von 300 bis 900 Litern fassen.
5 Und wenn Werner in der Pause nicht „pillern“ war ist das nicht so schlimm, da unser Bus eine bequeme Bordtoilette hat!
Wir haben zwischenzeitlich den sogenannten „Weißwurstäquator“ und damit also die Grenze zum Freistaat Bayern passiert und ich gönne mir einen leckeren Joghurt-Drink aus meiner Kühlbox. Wir kommen gleichmäßig voran und unsere Bordnavigation verheißt uns freie Fahrt ohne verkehrstechnische Behinderungen auf der Strecke in den Raum München. Beste Aussichten also für eine pünktliche und angenehme Ankunftszeit heute Abend und sogar das Wetter spielt mit. Zügig passieren wir Würzburg-Nürnberg und erreichen zur Mittagszeit das angepeilte Ziel, einen netten Landgasthof für die Mittagsrast. Hier ist es jedem selbst überlassen ob er einfach, üppig oder auch gar nicht zu Mittag isst und stattdessen einen Spaziergang macht. Meine Empfehlung ist immer der hausgemachte Jägerhackbraten mit hausgemachten Knödeln – ein echter Genuss! Wenigstens einmal am Tag gönne ich mir dann eine Auszeit und nehme an einem räumlich separaten Tisch Platz, um in Ruhe zu essen. Diese „Ecke“ wurde extra für Busfahrer eingerichtet. Doch es ist, als hätte ich einen Köder in der Tasche oder jemand hätte Hinweisschilder aufgestellt-„zum Busfahrer - da entlang“– einige meiner Gäste finden mich selbst dort. Zunächst pirschen sie sich langsam heran, aber tun dabei so, als hätten sie mich noch gar nicht gesehen und täuschen vor, die Toilette zu suchen, solang bis sie sich dann bis auf wenige Zentimeter meinem Tisch genähert haben um anschließend voller Erstaunen zu sagen: „Och, ja guck…das is ja unser lieber Fahrer. Das haben se aber schööön ausgesucht hier. Essen se denn auch das wasse uns empfohlen haben…? Was war das doch noch maaal…wann sind wer denn woll an unser Hotel is das noch weit?“
Würden wir in den guten alten Zeiten des „Wilden Westens“ leben, so hätte mancher Busfahrer spätestens in diesem Augenblick seinen Colt gezogen…Doch ich bleibe entspannt und frage „wollen sie sich nicht zu mir setzen?“
Ziemlich genau eine Stunde später setzen wir gut gesättigt unsere Fahrt fort und lassen Ingolstadt, München und das Inntaldreieck hinter uns. Kurz vor Kufstein verlassen wir dann die Zivilisation und erreichen Österreich. Pflichtbewusst lasse ich natürlich das „Kufsteinlied“ über die Lautsprecher meiner Musikanlage erklingen und stoße damit auf allgemeines Wohlgefallen bei fast allen Gästen, mit Ausnahme der vier Grazien der letzten Reihe, deren Wortführerin bereits im Raum Ingolstadt bei ihren Clubdamen brillieren musste, indem sie sie laut hörbar darüber aufklärte, dass wir in Kürze Europas zweitlängsten Fluss, die Donau überqueren würden und das dort das Deutsche Reinheitsgebot im Jahre 1516 ins Leben gerufen worden sei. Na ja, ihr Ex-Mann war ja Busfahrer – vermutlich daher…
Es sind immer wieder einzelne Charaktere die aus einer solch gemischten Gruppe hervorstechen –jeder auf seine ihm eigene Art und Weise. Ganz hinten die Partystimmung durch unsere T-Shirt-Grazien, im Mittelfeld unsere „Kaffeetante“ deren Mann nichts zu melden hat und etwas weiter vor ihr „Elfriede“, die auf dieser Fahrt eine andere gleichaltrige Dame wiedergetroffen hat, Hildegard, mit der sie wohl einen Großteil ihres Arbeitslebens verbracht hat. Aus der anregenden Konversation der beiden konnte ich dann eben auch die Vornamen entnehmen und weiß jetzt, dass Elfriede besonders den Gynäkologen in der Lessingstraße empfehlen kann da dieser ja eine viel sorgfältigere Vorgehensweise seinen Patientinnen gegenüber an den Tag legt. Seit etwa einer Stunde wiederholt sie zum etwa fünften Male, dass Hildegard doch künftig auch zu „ihrem“ Gynäkologen gehen möge und am besten sofort einen Termin machen solle. Ich war zwischenzeitlich versucht, Hildegard zwecks sofortiger Terminabsprache mein Handy zur Verfügung zu stellen, damit sich die beiden einem anderen Thema zuwenden können.
Einzige Ausnahme und damit besonders auffällig ist die ältere Dame auf Sitzplatz Nummer 2 (somit nennen wir sie nun fortan zur Vereinfachung „Nr. 2“), also direkt hinter mir. Diese – so konnte ich heraushören – reist mit ihrer Cousine und ihre ruhige, nur sehr gelegentliche Konversation scheint sehr leise, dezent aber auch sehr bestimmt. Kann sich der Leser darunter etwas vorstellen? Eigentlich klingt das doch relativ angenehm, wäre da nicht dieses beängstigende Ereignis am frühen Morgen gewesen und ihr Hut…….
Drehen wir die Zeit um einige Stunden zurück, nämlich genau zum dritten Zustiegsort. Dort standen dann auch erwartungsvoll jene Damen – mit ihren Koffern und was sehr außergewöhnlich war – einer großen, fast mannshohen Hutschachtel. Besagte Koffer waren geradezu nebensächlich und „Nr. 2“ kam mit der Hutschachtel zwischen ihren ausgestreckten Armen und Händen majestätischen Schrittes wie ein Gardesoldat auf mich zu mit den Worten „Bitte finden Sie mir einen besonders