Orangen und Datteln. Karl MayЧитать онлайн книгу.
er kommt und geht, keiner weiß, woher und wohin. Ich aber werde dich zu ihm bringen, damit dein Name so groß werde, wie der seinige.«
Das war ja eine wirkliche Hymne, gesungen auf meinen braven Emery Bothwell! Dieser Tebu hatte jedenfalls ein mutigeres Herz, als der große Hassan, und ich konnte mich seiner Führung ohne Sorge anvertrauen.
»Wie weit ist es noch bis zum Bab-el-Ghud?« fragte ich.
»Einen Tag und noch einen Tag; wenn dann dein Schatten nach Osten geht, dreimal so lang wie dein Fuß, wird dein Bischarin unter dem Bab-el-Hadjar (Thor der Steine) niederknieen, damit du im Schatten Ruhe findest.«
Der Bewohner der Wüste kennt weder Kompaß noch Uhr oder Bussole. Die Sterne zeigen ihm den Weg, und nach der Länge des Schattens bestimmt er seine Zeit. Und darin besitzt er eine solche Fertigkeit, daß er sich nur selten irrt.
»So komm, damit wir meine Leute treffen!«
»Mein Wasser geht zur Neige, Sihdi!«
»Du findest bei mir, soviel du dessen bedarfst.«
Er folgte mir. In kurzer Zeit stießen wir auf Josef und Hassan, welche mein Zeichen verstanden und ihre Richtung beibehalten hatten. Sie verwunderten sich nicht wenig über die Gesellschaft, welche ich hier mitten in der Wüste aufgegriffen hatte.
»Maschallah, tausend Schwerebrett,« meinte der Staffelsteiner, »is dos hübsch, daß Gesellschaft kommt! Wer is denn halt der Schwarze, Herr?«
»Das ist Abu billa Beni, der uns nach dem Bab-el-Ghud führen wird.«
Da zogen sich die Brauen Hassans finster zusammen.
»Wer ist dieser Tebu, daß er den Weg besser kennen will, als Hassan el Kebihr, den alle Kinder der Wüste Djezzar-Bei, den Menschenwürger, nennen? Welche Mutter hat ihn geboren, und wie viele Väter sind ihm vorangegangen? Er kann gehen, wohin er will, Sihdi; ich werde dich nach dem Babel-Ghud bringen auch ohne ihn! Sieh sein Gesicht und sein Haar, seine Wange und seinen Mund; ist er ein echter Nachkomme Ismails, welcher der wahre Sohn des Erzvaters Abram war?«
Der Tebu sah ihm ruhig lächelnd in die Augen.
»Du nennst dich Hassan el Kebihr und Djezzar-Bei, den Menschenwürger? Das Ohr meines Djemmels hat noch niemals diese Namen vernommen. Wie heißt dein Stamm und deine Ferkah?«
»Ich bin ein Kubaschi vom Ferkah en Nurab. Wir haben den Panther mit seiner Frau und Assad-Bei, den Löwen, getötet. Wen aber hast du getötet? Du bist der Vater ohne Söhne und der Tebu ohne Mut und Heldenthat. Ich werde den Sihdi führen; du aber kannst dich am Schwanze meines Djemmels halten!«
Der Tebu blieb auch bei dieser Beleidigung gleichmütig.
»Wie ist dein Name?« fragte er.
»Größer als die Zahl deiner Verwandten und länger als dein Gedächtnis. Ich heiße Hassan-Ben-Abulfeda-Ibn-Haukal al Wardi-Jussuf-Ibn-Abul-Foslan-Ben-Ishak al Duli.«
»Nun gut, Hassan-Ben-Abulfeda-Ibn-Haukal al Wardi-Jussuf-lbn-Abul-Foslan-Ben-Ishak al Duli, steige von deinem Djemmel, denn ich habe ein kleines mit dir zu reden!«
Er stieg ab, zog sein Messer und setzte sich in den Sand.
Ein arabisches Duell! Das hatte ich erwartet und aus diesem Grunde den kleinen Zank ruhig gestattet; ich wußte, daß den großen Hassan eine Demütigung erwartete. Dieser merkte jetzt, was ihm drohte, und meinte:
»Wer hat dir erlaubt, vom Kamele zu steigen? Weißt du nicht, daß hier keiner zu befehlen hat als nur der Sihdi, der Eile hat, nach dem Bab-el-Ghud zu kommen?«
»Ich erlaube es euch, abzusteigen, Hassan,« antwortete ich ihm. »Du bist ein tapferer Kubaschi en Nurab und hast ein scharfes Kussa (Messer); wahre deine Ehre!«
»Aber wir haben keine Zeit, Sihdi; die Schatten werden immer länger!«
»Darum steige ab, und beeile dich!«
Jetzt konnte er nicht anders; er stieg ab, setzte sich dem Tebu gegenüber und zog sein Messer ebenfalls.
Ohne ein Wort weiter zu verlieren, entfernte der Tebu sein Beinkleid von der Wade, setzte die Spitze des Messers an dieselbe und bohrte sich die Klinge bis an das Heft in das Fleisch. Dann blickte er Hassan still und erwartungsvoll in das Angesicht.
Der Kubaschi mußte, um seine Ehre zu retten, denselben Stich auch bei sich anbringen. Auf diese Weise zerfleischen sich zwei Kämpfer oft viele Muskeln ihres Körpers, ohne bei diesen höchst schmerzhaften Verwundungen mit der Wimper zu zucken; wer am längsten aushält, hat gesiegt. Die Söhne der Wildnis halten es für eine Schande, sich vom Schmerze beherrschen zu lassen.
Hassan entblößte höchst langsam seine Wade und setzte sich die Messerspitze auf die Haut. Diese bog sich unter einem leisen, ganz leisen Versuch, die Klinge einzustoßen, aber Djezzar-Bei, der Menschenwürger, merkte, daß dies wehe thue; er schnitt ein recht schauderhaftes Gesicht und stand schon im Begriffe, die Waffe wieder abzusetzen, als ein Intermezzo eintrat, auf welches er am allerwenigsten vorbereitet war. Josef Korndörfer war nämlich ebenfalls abgestiegen, um sich den Zweikampf in Bequemlichkeit betrachten zu können; er stand hart hinter dem Kubaschi, und als dieser jetzt Miene machte, das Duell aufzugeben, bog er sich, einer augenblicklichen Malice folgend, vor und schlug mit der Faust so kräftig auf das Heft des noch über dem Beine schwebenden Messers, daß der scharfe, spitze Stahl zur einen Seite der Wade hinein und zur andern wieder heraus fuhr.
Mit einem fürchterlichen Schrei sprang Hassan empor.
»Be issm lillahi ia Kir, um Gottes willen, Kerl, bist du verrückt? Was hast du mit meinem Beine zu schaffen? Gehört diese Wade mir oder dir, du Laus, du Floh, du Igel, du Vater von einem Igel, du Vetter und Oheim von einem Igelsvater? Habe ich dir etwa mein Bein geborgt, daß du mit meiner Wade zeigen sollst, wie tapfer du bist, du Giaur, du Sohn und Enkel einer Giaurin, du – du – du Jussef Koh-er-darb-BenKoh-er-darb-Ibn-Koh-er-darb-Abu-Koh-er-darb el Kah-elbrunn!«
Es war ein fürchterlicher Wutausbruch, aber ich konnte wirklich nicht anders, ich mußte lachen über den tragikomischen Anblick des Riesen, welcher – das Messer stak noch immer in der Wade – auf einem Bein die wunderlichsten Kraftsprünge ausführte und trotz seines Grimmes nicht den Mut besaß, sich an dem Staffelsteiner zu vergreifen.
»Maschallah, so schäm' dich doch in die Seel' hinein, Djezzar-Bei, du Menschenwürger,« antwortete dieser. Er hatte es jedenfalls nur auf einen kleinen Ritz abgesehen gehabt und war infolge seiner Körperstärke um einige Grade zu kräftig gekommen. »Geh' her; das Messer soll sogleich wieder 'raus!«
Er faßte den Kubaschi und zog unter einem erneuten Gebrüll desselben das Messer aus der Wunde. Als Hassan das rinnende Blut bemerkte, fiel er, so lang und breit er war, in den Sand. Er kam erst wieder zur Besinnung, als er bereits verbunden war. Der Anblick des rinnenden Blutes hatte einen solchen Eindruck auf ihn gemacht, daß, vielleicht auch infolge einer stillen Beschämung, der laute Zorn einem schweigsamen Groll gewichen war.
Natürlich bekam der Staffelsteiner einen Verweis, den er allerdings nicht sehr reuevoll hinnahm; dann wurde der so eigentümlich unterbrochene Weg wieder fortgesetzt.
Am Abend machten wir zwischen den Dünen Halt; die Zelte wurden aufgespannt, die Matten ausgebreitet, die Tiere gefüttert, und dann legten wir uns nach einem frugalen Abendbrote, welches aus einer Handvoll Mehl, einigen Monakhirdatteln und einem Becher Wasser bestand, zur Ruhe.
Daß ich eine Wache ausstellte, verstand sich ganz von selbst. Hassan hatte sich, wie gewöhnlich so auch heute, den letzten Teil derselben ausgebeten. Die Hoffnung, mit Emmery nun bald zusammenzutreffen, ließ mich früher als sonst munter werden. Ich erhob mich und trat aus dem Zelte, um mir aus dem Schlauche eine Handvoll Wasser zum Waschen zu nehmen.
Ein wunderlicher Anblick bot sich mir dar. Bei den abgeladenen Effekten saß nämlich, mir den Rücken zukehrend, der lange Kubaschi von Ferkah en Nurab und hielt – – mein Spiritusfäßchen an den Mund. Ich führte das sorgfältig in Bastmatten gehüllte Fäßchen bei mir, um in der konservierenden Flüssigkeit allerlei für meine Sammlungen bestimmtes Getier