Orangen und Datteln. Karl MayЧитать онлайн книгу.
du bist wacker und treu; ich werde Sihdi Emir davon erzählen. Werden wir im Bab-el-Ghud Wasser finden?«
»Es giebt dort zwei verborgene Quellen, aus denen zehn Kamele trinken können.«
»So kann sich die Kaffilah halten, bis ihr Hilfe wird, wenn sie nicht der Hedjahn-Bei vernichtet.«
»Was wirst du thun, um sie zu erretten?«
»Ich muß erst meine Seele fragen. Sihdi Emir ist am Bab-el-Ghud?«
»Er wartet dort, doch er weiß nicht, wann du kommst; er kann für kurze Zeit gewichen sein.«
»Wird die Kaffilah das Dünenthor erreichen?«
»Nein. Der Khabir wird sie zur Seite in die Dünen führen, wo sie überfallen wird.«
Auch ich stimmte aus gewichtigen Gründen dieser Vermutung bei und sann über die sicherste Weise nach, die Karawane zu erretten und zugleich den Räuber in meine Hand zu bekommen.
Ich hätte einfach den Khabir und den Schech el Djemali niederschießen können; das aber wäre, so lange ich nicht zweifellos beweisen konnte, daß er mit dem Hedjahn-Bei verbündet sei, den Arabern gegenüber für mich gefährlich gewesen und hätte mich doch nicht zum rechten Ziele geführt. Ich mußte den Bei fangen, um Rénald Latréaumont zu befreien, und, ehe ich ungezwungen einen entscheidenden Schritt that, danach trachten, mit Emery zusammenzutreffen.
Unterdessen holten uns Josef und Hassan ein. Ich wies sie an, einen Wasserschlauch für uns zu verbergen und den übrigen Vorrat an die Kaffilah zu verteilen. Der große Hassan hatte sich bald mit den Gliedern derselben in ein gutes Einvernehmen gesetzt, rühmte sich und seinen Namen und ließ auch, wie ich bemerkte, nichts unversucht, mich in den gehörigen Respekt zu bringen. Korndörfer dagegen hielt sich zu mir und dem Tebu.
Da hielt der Führer sein Tier an und ließ den Zug an sich vorüberpassieren, bis ich bei ihm angelangt war.
»Kennst du den Namen dessen, der dir dein Djemmel schenkte, Sihdi?« fragte er, mit mir allein hinter den übrigen zurückbleibend.
»Der Christ hilft seinem Nächsten, ohne nach dem Namen zu fragen.«
»So weißt du auch nicht, was er ist?«
»Ich weiß es.«
»Sage es!«
»Er ist, was du bist.«
»Und du auch, Sihdi. Du hast seine Anaïa und mußt für seinen Schutz thun, was er befiehlt. Kennst du den Pfad, den ich euch führe?«
Der Mann sprach hier eine Meinung aus, welche mit meiner Ansicht allerdings nicht sehr harmonierte. Für die Anaïa des Hedjahn-Bei mußte ich sein Mitschuldiger sein? Dazu hatte grad ich die allerwenigste Lust. »Du hast seine Anaïa,« hatte er gesagt. Sollte dieses ›seine‹ vielleicht bedeuten, daß der, von welchem ich sie bekommen hatte, der Bei selbst sei? Dann hätte ich mir allerdings einen ausgezeichneten Fang entgehen lassen. Erst jetzt leuchtete mir diese Möglichkeit ein, denn ein untergeordneter Räuber war wohl schwerlich berechtigt, die Andia zu vergeben, und hatte wohl auch nicht die Mittel, ein kostbares Bischarinhedjihn zu verschenken. Ich mußte den Khabir ausforschen.
»Ich kenne ihn. Er geht nicht nach Safileh, sondern in das Bab-el-Ghud.«
»Wir werden das Bab nicht erreichen, sondern heute, wenn die Sonne sinkt, im Sandmeer lagern. Dann kommt der Bei.«
»Der Bei? Wartet er nicht im fernen Duar, wo er unter dem Herrn mit dem dicken Kopfe lag?«
»Hat er dir nicht gesagt, daß es zwei Hedjahn-Bei giebt, Sihdi, die Brüder sind?«
Das also war das Geheimnis, daß der Räuber mit solcher Schnelligkeit an verschiedenen Gegenden auftauchen konnte! Ich hatte den einen Bruder in meiner Macht gehabt und ihn mir wieder entgehen lassen; den andern mußte ich desto sicherer zwischen die Hände nehmen.
»Wir hatten keine Zeit zu vielen Worten,« antwortete ich. »Weiß der Bei, wo er die Kaffilah trifft?«
»Er wartet auf sie schon mehrere Tage. Wenn alles schläft, wird er kommen, um mit mir zu reden, damit ich ihm sage, wie viele Männer die Kaffilah zählt. Die Gum ist stark, Sihdi, und sie wird keinen Widerstand finden. Doch es kann ein Feind kommen, der größer ist, als alle andere Gefahr; wirst du uns auch gegen ihn deinen Arm leihen?«
»Mein Arm gehört meinen Freunden zu aller Zeit,« antwortete ich zweideutig. »Wer ist dieser schlimme Feind?«
»Der Behluwan-Bei. Hast du von ihm gehört, Sihdi?«
»Wer ist er?«
»Niemand weiß es. Reite durch die Serir, durch das Belad-el-Ghud, das Land der Dünen, durch die Sahel, und du wirst die Gebeine der Unseren finden, die seine Kugel traf. Er ist an jedem Orte, und doch sieht ihn niemand; sein Djemmel hat acht Füße und vier Flügel; es ist schnell wie der Blitz und läßt keine Spur zurück; er braucht weder Speise noch Trank und ist dennoch ein Riese, dessen Leib so hoch ist, wie drei Männer. Er ist der Scheitan, er ist Eblis, der widerspenstige Engel, der sich nicht vor Adam niederwerfen wollte und nun auf der Erde weilt, um die Seelen der Gläubigen zu morden.«
Es war spaßhaft, mit welchen Eigenschaften der Aberglaube und das böse Gewissen dieser Araber den guten ›Englishman‹ ausstaffierten, doch hütete ich mich sehr, die Meinung des Khabir zu bekämpfen. Behluwan-Bei, der ›Oberste der Helden‹, war ein Name, welcher zur Genüge sagte, in welchen Respekt sich Emery bei den Bewohnern der Wüste gesetzt hatte.
»Denkst du, daß er kommt?« fragte ich.
»Ich weiß es nicht; er naht, wenn seine Kugel fertig ist, die in der Dschehenna gegossen wird. Er kennt jedes Tier und jeden Mann der Gum, er weiß alle unsere Brunnen und Halteplätze; nur auf EI Kasr (dem Schloß) war er noch nicht, weil es ein frommer Marabut gefeit hat gegen alle bösen Geister.«
Das war mir eine höchst wertvolle Mitteilung; die Andia that eine größere Wirkung, als ich jemals hatte erwarten können. Im Vertrauen auf sie ließ sich der unvorsichtige Khabir zu Enthüllungen hinreißen, welche seinem Gebieter mehr als gefährlich waren.
Die alten Römer drangen weiter in die Sahara vor, als man gewöhnlich anzunehmen pflegt, und zur Zeit, in welcher die kriegerischen Horden der Khalifen über die Landenge von Suez stürmten, ergoß sich eine wahre Völkerwanderung über die Wüste. In jenen alten und mittelalterlichen Zeiten wurde in stiller Uah oder im einsamen, sichern Warr manches Bauwerk errichtet und später wieder verlassen, so daß es nun vom Flugsande bedeckt wird oder in Trümmern liegt, die immerhin noch geeignet sind, dem räuberischen Gesindel der Wüste als Versteck zu dienen. Ich hatte schon mehrere solche Kasr oder Ksur gesehen und dabei stets gefunden, daß zwischen ihren Mauern oder doch in ihrer Nähe ein Brunnen oder sonstiges Wasser war.
Besaß die Gum hier einen solchen Zufluchtsort, so war derselbe wohl schwerlich im Bahr-el-Ghud, sondern jedenfalls im Serir zu suchen, und es ließ sich beinahe mit Gewißheit erwarten, daß sich nirgends anders als dort der gefangene Rénald Latréaumont befand.
»Ich werde bei dem Bei im Kasr sein,« meinte ich daher. »Wie lange braucht ein Hedjihn, um es zu erreichen?«
»Wenn du am Bab-el-Hadjar, am Thor der Steine, stehst, Sihdi, und du reitest grad in der Richtung deines Schattens, wenn er gegen Aufgang zweimal so lang ist wie der Lauf deines Gewehres, so kommst du am Abend des andern Tages an den Dschebel (Berg) –Serir, der die Mauern unsers Kasr trägt.«
Ich wollte weiter fragen, doch wurde seine Gegenwart bei der Kaffilah erforderlich, wo Hassan der Große ein ganz bedeutendes Unheil angerichtet hatte. Trotz meines Befehles nämlich, die Leute über die Richtung ihres Weges bis auf weiteres im unklaren zu lassen, hatte er geplaudert und sich mit dem Schech el Djemali in einen Streit eingelassen, zu dessen Schlichtung der 11,habir herbeigerufen wurde.
»Hast du nicht gesagt, daß du zu den Kubabisch gehörst?« verteidigte sich der Oberste der Kameltreiber. »Diese haben ihre Duars in Kordofan. Wie willst du den Weg nach Safileh besser kennen, als ein Tuareg, der ihn hundertmal geritten ist? Kubabisch heißt Schafhirten;