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Der blaurote Methusalem. Karl MayЧитать онлайн книгу.

Der blaurote Methusalem - Karl May


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      Inhaltsverzeichnis

       Erstes Kapitel – Im Pfeffergäßchen.

       Zweites Kapitel – »Tsching tsching tschin!«

       Drittes Kapitel – Ein Dauerlauf in der Sänfte.

       Viertes Kapitel – Mijnheer Willem van Aardappelenbosch.

       Fünftes Kapitel – Auf der »Schui-heu« nach Kanton.

       Sechstes Kapitel – »Kong-pit«.

       Siebentes Kapitel – Unter Piraten.

       Achtes Kapitel – In Not und Gefahr.

       Neuntes Kapitel – Das Ende der Raubdschunke.

       Zehntes Kapitel – Tsche ta-ping, Tur-ning sti-king kuo-ngan ta-fu-tsiaug, keng hiang-schaug tsien ful.

       Elftes Kapitel – Landeinwärts.

       Zwölftes Kapitel – Der Götterraub.

       Dreizehntes Kapitel – Der Tempelbesuch und seine Folgen.

       Vierzehntes Kapitel – Hinter Schloß und Siegel.

       Fünfzehntes Kapitel – Zu Wasser und zu Lande nach Hu-nau.

       Sechzehntes Kapitel – Hao-Keu und ihre Töchter.

       Siebenzehntes Kapitel – Unter dem Schutze des Bettlerkönigs.

       Achtzehntes Kapitel – Bei Onkel Daniel.

       Neunzehntes Kapitel – Wieder im Pfeffergäßchen.

       Fußnoten

      Karl May

      Der blaurote Methusalem

      Zuerst erschienen:

      1892

      Mein lieber Leser, hast du vielleicht den »blauroten Methusalem« gekannt? Ganz gewiß, nämlich wenn du in der betreffenden Universitätsstadt geboren bist oder, wenn auch nur für einige Tage, als Gast dort geweilt hast. Er war das lebendige Wahrzeichen der dortigen Alma mater. Niemand konnte an ihm vorüber sehen, und wer ihn einmal erblickt hatte, dem war es unmöglich, ihn jemals wieder zu vergessen.

      Er wohnte seit wer weiß wie vielen Semestern im Pfeffergäßchen und studierte – ja, wer konnte das wohl sagen! Wem es eingefallen wäre, ihn danach zu fragen, dem hätte er mit der Klinge geantwortet, und er war als der beste Schläger bekannt und gefürchtet.

      Zur ganz bestimmten Minute trat er aus dem Hause, in dessen Parterre der chinesische Theehändler Ye-Kin-Li einen prächtig eingerichteten Verkaufsladen besaß, schritt, gefolgt von seinem Wichsier, die Straße entlang, bog rechts in die Humboldtstraße ein und verschwand dort in der Thüre des »Geldbriefträgers von Ninive«. So nämlich nannten die Studenten dieses vielbesuchte Bierlokal. Genau zu einer ebenso bestimmten Minute verließ er dasselbe, um nach seiner Wohnung zurückzukehren.

      Das geschah täglich dreimal: Vormittags, Nachmittags und des Abends, und zwar mit solcher Regelmäßigkeit, daß die Anwohner der Humboldtstraße und des Pfeffergäßchens es sich angewöhnt hatten, ihre stehen gebliebenen oder falsch gehenden Uhren nach ihm zu richten.

      Eines Tages aber warteten sie vergeblich auf sein Erscheinen. Man wunderte sich; man schüttelte den Kopf. Als er auch am nächsten Tage nicht erschien, begann man, bedenklich zu werden. Am dritten Tage beschloß man, Frau Stein, seine Wirtin, zu interviewen, und erfuhr auf diesem Wege, daß er die Miete auf zwei Jahre vorausbezahlt habe und dann verschwunden sei. Wohin? Das war nicht zu erfahren. Erst später sprach es sich herum, daß er den Sohn der Wirtin mitgenommen habe. Diese mußte das Ziel der Reise kennen, und da sie sich nicht ein darauf bezügliches Wort entlocken ließ, so handelte es sich jedenfalls um ein Geheimnis, dessen Enthüllung man der Zukunft überlassen mußte.

      An jenem Vormittage, an welchem der »blaurote Methusalem« zum letztenmal im »Geldbriefträger von Ninive« gesehen worden war, hatte er selbst keine Ahnung davon gehabt, daß er am Nachmittage nicht wiederkommen und sogar für viele Monate sich fern von hier befinden werde.

      Wie gewöhnlich schritt er in gravitätischer, bärenhafter Langsamkeit die Humboldtstraße zurück und ergötzte sich im stillen über die Aufmerksamkeit, welche er heute wie stets erregte. Seine Erscheinung war freilich auffallend genug.

      Er war von hoher, breiter, wahrhaft hünenartiger Gestalt und trug sein Hektoliterbäuchlein mit dem Anstande eines chinesischen Mandarinen erster Klasse. Sein Gesicht war von einem dunklen, wohlgepflegten Vollbarte eingerahmt und zeigte die Fülle und Farbe eines braven Germanen, der sich darüber freut, daß die deutschen Biere längst ihren Triumphzug um die Erde vollendet haben. Quer über dieses Gesicht zog sich eine breite Narbe, die Nase in zwei ungleiche Hälften teilend – aber was für eine Nase! Ursprünglich war sie wohl das gewesen, was man eine Habichtsnase nennt; nach und nach aber hatte die Schärfe ihres Schnittes sich gemildert, um einer Fülle zu weichen, die von Semester zu Semester bedenklicher geworden war. Dazu war eine Färbung getreten, welche mit der Zeit alle zwischen dem lieblichen Fleischrot und einem tiefen Rotblau liegenden Nuancen durchlaufen hatte. Der Besitzer dieser Nase behauptete freilich, daß die Säbelwunde an dieser Färbung schuld sei; seine Corpsbrüder hingegen waren andrer Meinung. O Jugend, bewahre dich vor ähnlichem Ungefähr!

      Mag dem nun aber sein, wie es wolle; dieser Nase und der Anzahl seiner Semester hatte er den Namen der »blaurote Methusalem« zu verdanken.

      Er trug einen blausamtenen Schnurenrock, eine rote Weste, weiße Lederhosen und hohe, lacklederne Stulpenstiefel, an denen ungeheure Sporen klirrten, welche mexikanischen Ursprunges waren und deren Räder einen Durchmesser von drittehalb Zoll besaßen. Aus den lang herabwallenden, dichten Locken saß ein rotgoldenes Cerevis.

      Die Hände trug er weltverächtlich in den Hosentaschen. Zwischen den Zähnen hielt er das Mundstück einer persischen Wasserpfeife, deren Rauch er in dicken Schwaden von sich stieß.

      Vor ihm her schritt gewichtig ein riesiger Neufundländer, welcher das zwei Liter fassende Stammglas seines Herrn im Maule trug.

      Hinter dem letzteren folgte der Wichsier, in der linken Hand die Wasserpfeife tragend, deren Kopf wenigstens ein Pfund Knaster faßte. Ihr vier Ellen langer Gummischlauch führte nach dem Munde des qualmenden Studenten. In der rechten Hand, geschultert wie ein Schießgewehr, hielt der Wichsier einen langen, dünnen Gegenstand, in welchem die Begegnenden zu ihrem Erstaunen eine – – Oboe erkannten.

      Dieser Pfeifen- und Oboenträger schien, ganz ebenso wie sein Herr, ein Original zu sein. Er hatte eines jener Gesichter, deren Alter sich nicht bestimmen läßt. Es war von unzähligen kleinen Runzeln und Furchen durchzogen, so daß von eigentlichen Zügen keine Rede sein konnte. Sah man ihn in stolzem Ernste, nur auf seinen Herrn achtend, hinter diesem herschreiten, so war man versucht, ihn für weit über vierzig Jahre alt zu halten. Fand man jedoch privatim die Gelegenheit, das listige Blinzeln seiner kleinen Aeuglein zu beobachten, seine gewandten Bewegungen zu bemerken und sich von seiner stets schlagfertigen geistigen Munterkeit zu überzeugen, so schätzte man ihn nicht viel über zwanzig Jahre. Auf darauf bezügliche Fragen antwortete er nie. Er hielt sein Alter ebenso wie die Semester seines Herrn und Gebieters in ein undurchdringliches Dunkel gehüllt.

      Seine lange, schmale Gestalt war fast genau so gekleidet wie der »Methusalem«, nur daß ihm anstatt des Cerevis eine weißleinene,


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