El Sendador I. Lopez Jordan. Karl MayЧитать онлайн книгу.
»Als Sie unter der Türe des Hotels standen. Und nun ist dieser Paß allerdings geeignet, mich vollständig irre zu machen. Sie kommen wirklich aus New York?«
»Allerdings. Mit der »Sea-gall«, welche noch jetzt vor Anker liegt. Sie können sich bei dem Kapitän erkundigen.«
Da rief er zornig:
»So hole Sie der Teufel! Warum sagten Sie das nicht sogleich?«
»Weil Sie nicht fragten. Ihr Auftreten ließ mit Sicherheit schließen, daß Sie mich kennen. Erst als Sie von den Gewehren sprachen, erkannte ich, wie die Sache stand. Dann habe ich Sie sofort auf Ihren Irrtum aufmerksam gemacht, was Sie mir hoffentlich bestätigen werden.«
»Nichts bestätige ich, gar nichts! Sie hatten mir nach meinem Eintritte bei Ihnen sofort und augenblicklich zu sagen, wer Sie sind!«
Er wurde grob. Darum antwortete ich in sehr gemessenen Ton:
»Ich ersuche Sie um diejenige Höflichkeit, welche jedermann von jedermann verlangen kann! Ich bin nicht gewöhnt, mir in das Gesicht sagen zu lassen, daß mich der Teufel holen solle. Auch bin ich nicht allwissend genug, um sofort beim Eintritt eines Menschen mir sagen zu können, was er von mir will. Übrigens müssen Sie doch bei dem Wirte oder den Bediensteten des Hotels gefragt haben, bevor Sie zu mir kamen, und da muß man Sie unbedingt berichtet haben, daß ich ein Fremder bin.«
»Das hat man mir allerdings gesagt; aber ich glaubte es nicht, da ich den Verhältnissen nach mir sagen mußte, daß der Sennor, für welchen ich Sie hielt, sich incognito hier aufhalten werde. Dazu kam dann Ihre Aussprache des Spanischen, welcher man es nicht anhört, daß Sie ein Fremder, ein Alemano sind.«
Dieses letztere war sehr schmeichelhaft für mich. Als ich vor mehreren Jahren nach Mexiko kam, hatte ich mich in Beziehung auf diese Sprache der grausamsten Radebrecherei schuldig machen müssen. Aber das Leben ist der beste Lehrmeister. Während der langen Wanderung durch die Sonora und den Süden von Kalifornien hatte ich mich nach und nach in die Lenguage espa¤ola finden müssen, ahnte aber bis heute nicht, daß ich gar ein solcher Sancho Pansa geworden sei.
»Und endlich«, fuhr er fort, »warum tragen Sie den Bart genau in der Weise, wie er von den Bewohnern unserer Banda Oriental getragen wird?«
»Weil ich, wenn ich reise, mich den Gewohnheiten der betreffenden Bevölkerung anzubequemen pflege und nicht überall und immer als Fremder erkannt werden will.«
»Nun, so tragen Sie eben die Schuld daran, daß ich Sie für einen andern hielt. Kein Ausländer hat das Recht, uns nachzuahmen. Man kennt eine gewisse Art von Tieren, welche diesen Nachahmungstrieb in hohem Grade besitzen, und jeder verständige Mann wird sich hüten, mit denselben verglichen zu werden.«
»Für diesen Wink bin ich Ihnen unendlich dankbar, Sennor; doch bitte ich Sie dringend, die Lektion nicht etwa noch weiter auszudehnen. Bis jetzt habe ich dieselbe gratis entgegen genommen; geben Sie sich aber noch weitere Mühe, so würde ich mich gezwungen sehen, Ihnen ein Honorar auszuzahlen, welches Ihren Verdiensten angemessen ist.«
»Sennor, Sie drohen mir!«
»Nein. Ich mache Sie nur aufmerksam.«
»Vergessen Sie nicht, wo Sie sich befinden!«
»Und ziehen Sie selbst in Betracht, daß Sie nicht in einem Zimmer Ihrer Hazienda stehen, sondern in einem Raume, welcher gegenwärtig mir gehört! Und nun mag es genug sein. Bitte, machen Sie mir das Vergnügen, Ihnen Lebewohl sagen zu dürfen!«
Ich ging zur Türe, öffnete dieselbe und lud ihn durch eine Verbeugung ein, von dieser Öffnung Gebrauch zu machen. Er blieb noch einige Augenblicke stehen und starrte mich groß an. Es erschien ihm jedenfalls als etwas ganz Ungeheuerliches, von mir hinauskomplimentiert zu werden. Dann schoß er schnell an mir vorüber und hinaus, rief mir aber dabei zu:
»Auf Wiedersehen! Man wird mit Ihnen abzurechnen wissen!«
Er schüttelte die Faust drohend gegen mich und eilte dann die Treppe hinab. Das war meine erste Unterredung mit einem Eingeborenen, ein Anfang, von welchem ich keineswegs erbaut sein konnte. Freilich, irgend eine Befürchtung zu hegen, das fiel mir nicht ein. Der Mann hatte mich beleidigt und war deshalb von mir hinausgewiesen worden, etwas so Einfaches und Selbstverständliches, daß gar keine Veranlassung vorhanden war, weiter daran zu denken. Auch hatte dieser Haziendero auf mich gar nicht den Eindruck gemacht, als ob ich ihn weiter zu beachten oder gar zu fürchten habe.
Bevor ich ging, mir die Stadt anzusehen, nahm ich die paar Empfehlungsschreiben her, welche ich mitgebracht hatte. Ich bin prinzipiell gegen diese Art und Weise, fremden Leuten Pflichten aufzuerlegen oder ihnen gar zur Last zu fallen. Man wird selbst in seinen Handlungen und Bewegungen sehr gehindert. Aus diesem Grunde mache ich, wenn ich reise, meine Bekanntschaften lieber aus freier Hand, bewege mich und wähle ganz nach meinem persönlichen Geschmack und gebe etwaige Briefe erst kurz vor der Abreise ab. Hundertmal habe ich da beobachtet, wie befriedigt die Betreffenden davon waren, daß es nun keine Zeit mehr zu gesellschaftlichen Ansprüchen und Forderungen gab.
Heute hatte ich vier solche Schreiben in der Hand. Eins derselben war von dem Chef eines New Yorker Exporthauses an seinen Kompagnon, welcher die Filiale dieses Geschäftes in Montevideo leitete. Ich hatte Gelegenheit gehabt, dem Yankee einen nicht ganz unwichtigen Dienst zu leisten, und von ihm das Versprechen erhalten, daß er mich seinem Teilhaber auf das allerbeste empfehlen werde. Dieses eine Schreiben mußte ich sofort abgeben, da der Wechsel, dessen Betrag mein Reisegeld bildete, von dem Kompagnon honoriert werden sollte.
Die drei andern Schreiben steckte ich wieder in die Brieftasche; dieses eine aber legte ich auf den Tisch oder vielmehr, ich wollte es auf den Tisch werfen. Es traf mit der Kante auf und fiel auf die Diele herab. Als ich es aufhob, sah ich, daß das dünne Siegel zersprungen war und die Klappe des Couverts offen stand. In dieser Weise konnte ich den Brief unmöglich übergeben. Ich mußte ihn wieder schließen, und zwar so, daß man nicht sehen konnte, daß er offen gewesen war; ich wäre sonst in den Verdacht gekommen, ihn mit Absicht geöffnet und dann gelesen zu haben.
Gelesen? Hm! Konnte ich das nicht dennoch tun? Ein Unrecht, eine Verletzung des Briefgeheimnisses, eine große Diskretion war es, aber ich hatte doch vielleicht eine Art von Recht dazu, da ich es ja war, auf den der Inhalt sich bezog. Ich nahm also den Bogen aus dem Couverte und öffnete ihn.
Der Inhalt lautete, abgesehen von der Anrede, folgendermaßen:
»Habe Ihr Letztes empfangen und bin mit Ihren Vorschlägen vollständig einverstanden. Das Geschäft ist ein gewagtes, bringt aber im Falle des Gelingens so hohen Gewinn, daß wir den Verlust riskieren können. Das Pulver kommt mit der Sea-gall. Wir haben dreißig Prozent Holzkohle darunter gemischt, und da ich hoffe, daß es Ihnen gelingen werde, es heimlich an das Land zu bringen und also den Zoll zu sparen, so machen wir ein vorzügliches Geschäft. Ich ermächtige Sie hiermit, die Kontrakte zu entwerfen und an Lopez Jordan zur Unterschrift zu senden. Letzteres ist eine höchst gefährliche Angelegenheit, denn wenn die Nationalen den Boten erwischen und die Kontrakte bei ihm finden, so ist es um ihn geschehen. Glücklicherweise kann ich Ihnen ganz zufällig einen Mann bezeichnen, welcher sich zu dieser Sendung ganz vortrefflich eignet.
Der Überbringer dieses Briefes hat sich mehrere Jahre lang unter den Indianern umhergetrieben, ein verwegener Kerl, dabei aber stockdumm und vertrauensselig, wie es von einem Dutchman auch gar nicht anders zu erwarten ist. Er will, glaube ich, nach Santiago und Tucuman und wird also durch die Provinz Entre-Rios kommen. Tun Sie, als ob Sie ihm ein Empfehlungsschreiben an Jordan geben, welches aber die beiden Kontrakte enthalten wird. Findet man sie bei ihm und er wird erschossen, so verliert die Welt einen Dummkopf, um welchen es nicht schade ist. Natürlich dürfen die Dokumente Ihre Unterschrift nicht enthalten; Sie unterzeichnen vielmehr erst dann, wenn Sie dieselben durch einen Boten Jordans zurückerhalten.
Im übrigen wird der Dutchman Ihnen nicht viele Beschwerden machen; er ist von einer geradezu albernen Anspruchslosigkeit. Ein Glas sauren Weins und einige süße Redensarten genügen, ihn glücklich zu machen.«
Dies war, so weit er sich auf mich bezog, der Inhalt dieses merkwürdigen ›Empfehlungsschreibens‹.