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Rudyard Kipling - Gesammelte Werke. Rudyard KiplingЧитать онлайн книгу.

Rudyard Kipling - Gesammelte Werke - Rudyard Kipling


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unter sich tief den wirbelnden Lauf des Waingunga und einen flachen, diamantgeformten Kopf in dem Wasser. Da sprang er mit aller Kraft vorwärts, sah noch den schwanzlosen Dolen in der Luft nach seiner Schulter schnappen – dann stürzte er, Füße voraus, in die Tiefe und erreichte atemlos und triumphierend den rettenden Strom. Nicht ein Stich war an seinem Körper; der Knoblauchgeruch hatte das kleine Volk gerade für die wenigen Sekunden zurückgehalten, die er brauchte, um über die Felsen hinwegzukommen. Als er hochstieg, umfaßten ihn Kaa's Ringe und stützten ihn. Über den Rand aber der Klippen stürzten schwarze Massen hernieder – große Klumpen schwärmender Bienen, die wie Senkblei fielen; aber ehe ein Klumpen das Wasser berührte, flogen die Bienen auf, und der Körper des Dolen wirbelte stromabwärts. Von oben hörte man wütende, kurze Schreie, die im gewaltigen Brausen erstickten – dem Getöse der Flügel des kleinen Volkes von den Felsen. Viele Dolen waren auch in die Spalten geraten, die zu den unterirdischen Höhlen führten, zappelten, schnappten und erstickten unter den ausfließenden Honigwaben; tot wurden sie dann hochgedrückt von den schwellenden Bienenwogen unter ihnen und schossen an irgendeinem Loch an der Stromseite hervor, um aufklatschend in die schwarzen Schutthaufen zu fallen. Andere Dolen sprangen zu kurz, blieben im Gesträuch an der Felswand hängen und waren bald über und über von Bienen bedeckt. Die Mehrzahl aber, durch Stiche rasend gemacht, stürzte sich in den Fluß und – wie Kaa sagte: ein hungriges Wasser war der Waingunga. Kaa hielt Mogli fest, bis der Knabe wieder zu Atem kam.

      »Hier dürfen wir nicht bleiben«, sagte er dann, »wahrlich, die kleinen Völker sind schwer gereizt. Komm!«

      Tief schwimmend und untertauchend, so oft er konnte, trieb Mogli stromabwärts, das Messer in der Hand.

      »Sachte, sachte!« rief Kaa. » Ein Zahn kann nicht Hunderte töten, es sei denn der Zahn einer Kobra. Viele Dolen stürzten sich rasch ins Wasser, als sie das kleine Volk aufbrausen sahen, und die sind unverletzt.«

      »Um so mehr also Arbeit für mein Messer. Hai! Wie die kleinen Völker folgen.« Mogli tauchte unter. Über der ganzen Wasserfläche schwebten Wolken tückisch summender Bienen, die alles stachen, was sie fanden.

      »Schweigen hat noch niemals geschadet«, sagte Kaa – kein Stachel konnte durch seine Haut dringen –, »und du hast die ganze lange Nacht zur Jagd. Hör, wie sie heulen!«

      Beinahe die Hälfte des Packs hatte die Falle rechtzeitig bemerkt, in die ihre Gefährten fielen. Sie bogen rasch seitwärts ab und stürzten sich ins Wasser, da, wo die Schlucht jäh zum Fluß abfiel. Wutgeschrei, Drohung gegen den Baumaffen, der ihnen diese Schande angetan, mischten sich mit dem Geheul und Gejaul derer, die von dem kleinen Volk gepeinigt wurden. Am Ufer zu bleiben, bedeutete sicheren Tod, das wußte jeder Dole. Das Pack wurde von der Strömung fortgerissen, den tiefen Strudeln des Friedensfelsens zu, doch selbst dorthin folgte ihnen das wütende kleine Volk und zwang sie bei Landungsversuchen wieder ins Wasser. Mogli konnte die Stimme des schwanzlosen Führers vernehmen, der den Dolenvölkern befahl, jeden Wolf in Sioni zu töten. Aber er verlor seine Zeit nicht mit Lauschen.

      »Hinter uns mordet einer im Dunkeln«, keuchte ein Dole. »Das Wasser hier ist rot gefärbt.«

      Mogli war der Otter gleich vorwärts getaucht und zerrte einen zappelnden Dolen unter Wasser, bevor dieser den Rachen zu öffnen vermochte; dunkle, ölige Kreise zeigten sich auf dem Wasser, als der Körper wieder hochkam und, sich drehend, davontrieb. Die Dolen versuchten umzuwenden, die Strömung jedoch war stärker; das kleine Volk stürzte sich auf ihre Köpfe und Ohren; von fern her aber scholl der Schlachtruf des Sionipacks immer lauter und tiefer mit wachsender Dunkelheit. Wieder tauchte Mogli, wieder sank ein Dole unter und stieg tot nach oben; abermals brach das Klagegeschrei aus im Nachtrab der Dolen – manche rieten heulend zur Landung, andere brüllten dem Führer zu, sie heimwärts zu führen, zum Dekkan, wieder andere drohten Mogli Mord und Tod.

      »Zum Kampfe kommen sie mit zwei Wänsten und vielen Stimmen«, bemerkte Kaa spöttisch. »Den Rest mögen deine Brüder dort unten besorgen. Das kleine Volk kehrt heim, um zu schlafen. Weit hetzten sie uns. Nun kehre auch ich um, denn mit keinem Wolf bin ich von einer Haut. Gute Jagd, kleiner Bruder, und denke daran, die Dolen beißen immer tief, nicht hoch.«

      Ein Wolf lief am Ufer entlang auf drei Läufen, sprang auf und nieder, legte sich flach auf die Seite, krümmte den Rücken und warf sich hoch in die Luft, als ob er mit seinen Jungen spielte. Der Auslieger war es, Won-tolla, er sprach kein Wort und fuhr fort mit dem grausigen Spiele neben den Dolen. Lange waren diese nun schon im Wasser, schwammen ermüdet, ihr Fell war durchweicht und schwer, ihre buschigen Schwänze tropften wie vollgesogene Schwämme – so müde und matt waren sie, daß auch sie schwiegen und nach dem funkelnden Augenpaar starrten, das sie am Ufer begleitete.

      »Das ist keine gute Jagd«, keuchte ein Dole.

      »Gute Jagd!« rief Mogli, an der Flanke des Tieres hochsteigend, und rannte ihm das lange Messer zwischen die Schultern, stieß kraftvoll nach, um dem Todesschnappen zu entgehen. »Bist du da, Menschenjunges?« rief Won-tolla über das Wasser hin.

      »Frage die Toten, Auslieger!« antwortete Mogli. »Sind etwa keine den Strom herabgekommen? Ich habe diese Hundemäuler mit Dreck gefüllt, habe am hellen Tage meine Possen mit ihnen getrieben, und ihr Führer braucht dringend einen neuen Schweif. Einige aber sind noch für dich übriggeblieben, wohin soll ich sie hetzen?«

      »Ich will warten«, sagte Won-tolla. »Die tiefe Nacht kommt, dann sehe ich scharf.«

      Näher und näher drang der Schlachtruf der Sioniwölfe. »Für das Pack, für das volle Pack! Wir sind alle dabei!« Um eine weitere Biegung des Stromes trieben die Dolen und stießen nun auf die Sandbänke und Untiefen gegenüber den Höhlen der Sioniwölfe.

      Nun erst erkannten sie ihren Fehler. Sie hätten eine halbe Meile stromaufwärts an Land gehen müssen, um die Wölfe auf trockenem Boden zu überrumpeln. Zu spät war das jetzt. Überall am Ufer blinkten flammende Augen, lautlos lag die Dschungel, nur der furchtbare Phialschrei durchschnitt unaufhörlich die Luft seit Sonnenuntergang. Won-tolla schien sie an Land zu locken, und: »Wendet und packt zu!« befahl der Führer den Dolen. Das gesamte Pack drängte sich dem Ufer zu, preschte und sprühte durch seichtes Gewässer, bis die Fläche des Waingunga weißschäumend von Ufer zu Ufer wogte, wie Wellen um den Bug eines Schiffes. Mogli folgte dem Schwarm, stach und tötete. Wie eine breite Woge ergossen sich die Dolen über den Uferrand.

      Dann begann der schwere Kampf. Anschwellend, tosend, sich zusammendrängend und wieder auseinanderstrebend, tobte die Schlacht über roten nassen Sand, über und zwischen verschlungenen Baumwurzeln, durch dichtes Gestrüpp und über Grashügel; denn auch jetzt noch kamen auf jeden Wolf zwei Dolen. Aber Wölfe trafen sie, die für das Leben des Packs kämpften. Nicht nur die kurzen, hohen, breitbrüstigen, weißzähnigen Jäger des Rudels waren dabei, sondern auch die bangäugigen Lahinis, die Wölfinnen von den Lagern, fochten mit für den Wurf; hier und da auch ein Jährlingswolf, im ersten wolligen Fell noch, zerrte und schnappte an ihrer Seite. Wie man weiß, packt der Wolf die Kehle an oder schnappt nach der Flanke, während der Dole mit Vorliebe tief unten in den Leib beißt. So waren die Wölfe im Vorteil, solange die Dolen, aus dem Wasser strebend, die Köpfe hochhalten mußten. Auf trockenem Boden aber hatten die Wölfe mehr zu leiden.

      Ohne Unterlaß arbeitete Moglis Messer im Wasser wie auf dem Lande. Seine vier Wölfe hatten sich bis zu ihm durchgeschlagen. Graubruder kauerte zwischen den Knien des Knaben und beschützte so seinen Leib; die anderen deckten ihm Rücken und Seiten oder standen über ihm, wenn der Anprall eines heulenden, springenden Dolen, der sich blindlings in die Klinge stürzte, ihn niederwarf. Alles übrige war verwickelter Wirrwarr, ein verbissenes, verhaktes, schwankendes Knäuel, das sich von rechts nach links, von links nach rechts am Ufer schob und sich langsam rund um sich selbst drehte. Hier hob sich ein lebendiger Hügel, wie eine Wasserblase auf dem Strudel, platzte dann und spie vier oder fünf verstümmelte Hunde aus, die sich erneut in den Kampf warfen. Dort wurde ein einzelner Wolf von drei Dolen niedergerungen, schleifte sie aber zähe mit sich, bis er umsank; oder ein Jährlingswolf, bei Beginn des Kampfes getötet, wurde durch den Druck emporgehoben, während die Mutter, irrsinnig vor Wut, sich schnappend überschlug und weitergezerrt wurde. In der Mitte der Ballung stand manchmal ein einzelner Wolf gegen einen einzelnen Dolen:


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