Auf fremden Pfaden. Karl MayЧитать онлайн книгу.
fragen, Sir, wer die Leute sind, mit denen Ihr Euern Schöps verspeist habt?«
»No, no! Das ist nichts für Euch. Ruft diesen Menschen von dem Tiere zurück; es gehört mir. Und dann geht Eures Weges!«
»Meint Ihr, Sir Hilbert Grey?« fragte ich und fügte bei: »Dieser Eber gehört meinem Diener, denn er hat ihn erlegt, und das Recht, welches Euch Euer Schuß an dem Wilde geben könnte, ist recht gut abzutreten gegen den Umstand, daß er Euch das Leben gerettet hat.«
»Fudge! Ich behaupte, daß diese Sau mein Eigentum ist und werde – – –«
»Nichts werdet Ihr! Wenn sich Angehörige von zwei civilisierten Nationen in diesen Breiten begegnen, so pflegen sie sich freundlicher zu verhalten, als es bei Euch der Fall ist, Sir Hilbert Grey. Ihr verlangt, daß ich meines Weges gehen soll. Gut, ich folge Euch, aber dieser Weg geht grad dahin, wohin Euch der Eure führt: zu dem Orte, an welchem der edle Schöps verspeist wurde. Hier hat ein jeder das Recht und sogar die Pflicht, zu sehen, wer sich in seiner Nähe befindet, und will man ihn daran hindern, so gilt einfach das Recht des Stärkeren. Wollt Ihr mich zu Euren Genossen führen oder nicht?«
Der gute Mann blickte höchst verlegen zu mir hernieder.
»Ich darf nicht, Sir, denn es soll niemand wissen, daß wir uns hier befinden.«
Ich hatte einen allerdings noch unbestimmten Verdacht gefaßt, welcher durch das Verhalten des Engländers nichts weniger als gehoben werden konnte. Was that er hier in dieser Gegend, welche, wie ich wohl wußte, nur von einzelnen holländischen Boers bewohnt wurde, die den Engländern geradezu feindselig gesinnt waren? Ein geheimer Emissär der englischen Regierung konnte er unmöglich sein; dazu war er, wie es schien, geistig zu wenig befähigt, und was hätte er als solcher auch grad hier in diesem Walde zu thun gehabt? Zwar hatte Kees Uys gesagt, daß sich jenseits der Randberge die Zulus zusammenscharten – – ich mußte klar sehen und meinte daher:
»Wer soll es nicht wissen, Sir? Die Holländer oder auch ich als Fremder und Neutraler?«
»Niemand!«
»Und wenn ich es nun bereits wüßte?«
»Ihr? Impossible, unmöglich!«
»Und doch! Es sind Kaffern!«
Ich merkte es ihm sofort an, daß ich richtig geraten hatte, obgleich er mir auszuweichen suchte:
»Kaffern? Ihr irret Euch, Sir! Wo wollt Ihr sie gesehen haben?«
Quimbo war mit seiner Arbeit fertig geworden und erwartete neugierig das Resultat unserer ihm unverständlichen Unterredung. Ich wandte mich zu ihm:
»Laß das Tier einstweilen liegen. Wir müssen diesen Mann begleiten!«
»Quimbo laß' lieg' Sau? Oh, oh, Mynheer, Quimbo eß viel schön' Sau; Quimbo werd' trag' Sau, und Mietje werd' seh', daß Quimbo schön und tapfer!«
»Du sollst sie auch haben, nur später, denn – –«
Ein lautes Rascheln ließ mich umblicken – Sir Hilbert Grey hatte die Gelegenheit benutzt und war in das Gesträuch gesprungen. Er mußte wirklich die ernstesten Gründe haben, mit seinen Begleitern unentdeckt zu bleiben, hatte sich aber natürlich verrechnet. Ich verschmähte es, ihm nachzuspringen; er konnte sich mir nur für den Augenblick entziehen; seine Füße waren groß genug, um mir untrügliche Spuren zurückzulassen. Bei der geheimen Verfolgung derselben konnte mir Quimbo nichts nutzen; daher besann ich mich kurz und erteilte ihm die Erlaubnis, nach der Farm zurückzukehren. Die Art und Weise, seine Beute fortzubringen, mußte ich dabei ihm allein überlassen.
Mich nach der Richtung wendend, in welcher der Engländer entflohen war, fand ich eine Fährte, wie ich sie deutlicher mir nicht wünschen konnte. Sir Hilbert Grey war jedenfalls wenig erfahren in der Art und Weise, sich auf einem Territorium zu bewegen, auf welchem die Gefahr den Menschen in tausenderlei Gestalten umgiebt, und ebensowenig dachte er wohl auch daran, daß ich die Eindrücke seiner Gorillafüße benützen werde, ihm zu folgen.
Er schien sich vorerst selbst im unklaren über die Richtung befunden zu haben, welche er einzuschlagen gehabt hatte. Seine Spur führte im Zickzack bald rechts, bald links und nahm erst nach längerer Zeit eine grade Linie an. Nach einer guten halben Stunde gelangte ich nun an den Rand einer Bodenvertiefung, welche den oberen Teil eines sich von hier absenkenden Thales bildete und eine Quelle enthielt, die laut murmelnd zwischen zwei Sandsteinen hervorrieselte.
Da unten am Wasser saßen Sir Hilbert Grey und an seiner Seite vier Kaffern, welche ich an ihrer kriegerischen Ausrüstung als Zulus erkannte. Was hatten sie hier zu suchen, und welcher Umstand führte sie mit dem Engländer zusammen? Auf dem Boden lagen noch drei ledige Schilde, ein Beweis, daß sieben Kaffern zu zählen seien, von denen die Fehlenden aus irgend einem Grunde sich entfernt hatten. Die Straußenfedern an einem der Schilde und acht weiter abwärts weidende Pferde ließen vermuten, daß ich es hier nicht mit gewöhnlichen Kaffern zu thun hatte.
Der Engländer befand sich in einem lebhaften Gespräche mit den Wilden, doch selbst wenn ich die Sprache der letzteren verstanden hätte, wäre es mir nicht eingefallen, die Unterredung zu belauschen, da es Notwendigeres zu thun gab. Hier das Lager der Kaffern mit dem verdächtigen Engländer, dort die Farm, nur von einem jungen Mädchen behütet, und dabei drei der Wilden abwesend, darunter der Vornehmste von ihnen – das waren jedenfalls hinreichende Gründe, so schleunig wie möglich zurückzukehren.
Was konnte während meiner nun stundenlangen Abwesenheit nicht alles passiert sein und bis zu meinem Eintreffen noch geschehen! Ich warf jeden Skrupel beiseite und schlich mich längs des Randes hin bis zu den Pferden. Eine plötzlich in mir erwachte Angst sagte mir, daß ich eines derselben haben müsse, möge dies nun ein Diebstahl genannt werden oder nicht. Schwer war es allerdings nicht, aufzusitzen und davon zu reiten, aber dann wäre ich gesehen und verfolgt worden und hätte also die Gefahr für die Farm vergrößert, statt sie zu vermindern. Die Ausführung meines Vorhabens mußte so spät wie möglich bemerkt werden und darum benutzte ich eine Krümmung des Thales, um mich zu dem entferntesten der Tiere zu schleichen; zwar war dies nicht das beste, aber es stand so, daß es von den Kaffern nicht gesehen werden konnte.
Ich gewann ihm den Wind ab, schlich zwischen den Farnkräutern bis auf kaum fünf Fuß Entfernung heran und saß im nächsten Augenblick im Sattel. Das überraschte Tier stieß ein kurzes Schnaufen aus und ging in die Höhe, doch schnell hatte ich es scharf am Zügel, gab ihm einen vielleicht ungewohnten Schenkeldruck zu fühlen und lenkte es das Thal hinab, um dort, nach der Farm einbiegend, den Wald zu verlassen und die Höhe des Berges zu gewinnen.
Ich war noch nicht so weit gekommen, als ich Quimbo bemerkte. Er hatte aus starken Baumästen eine Art Schleife gebildet, den Eber darauf gelegt und sich selbst als Zugtier vorgespannt, um unter Schweiß und triefendem Öle die schwere Last bergan zu schleppen. Er war höchst erfreut, als er mich bemerkte, und ebenso erstaunt, mich als Reiter zu sehen. '
»Mynheer hab' Pferd?« fragte er. »Oh, oh, Pferd bin gut; Pferd werd' zieh' Sau für Quimbo!«
Und sofort spannte er sich aus, um seine wichtige Entdekkung durch die That nutzbar zu machen; ich aber wehrte ihm ab:
. »Wer wird die Sau essen? Das Pferd oder Quimbo? Wer sie ißt, der mag sie auch ziehen! Ich kann dir das Pferd nicht geben, denn ich brauche es selbst notwendig. Dort im Walde sind bewaffnete Zulus und dort auf der Farm werden noch einige sein. Ich muß hin, um Unglück zu verhüten. Nimm dich vor ihnen in acht, und spute dich, in Sicherheit zu kommen!«
»Zulu bei Mietje? Oh, oh, Quimbo werd' spring', und Sau werd' spring', daß schnell komm' bei gut' schön' Mietje. Quimbo schlag' tot all' ganz' Zulu!«
Er spannte sich wieder vor und stampfte davon, daß es dampfte; ich aber eilte ihm im Galopp voran.
Bald sah ich die Farm unten liegen. Trotz des schwierigen, abfallenden Terrains die gleiche Schnelligkeit beibehaltend, ritt ich abwärts, der hinteren Seite des Gartens zu. Wollte ich um denselben herumbiegen, um das vordere Thor zu erreichen, so verging mir zu viel Zeit; ich hielt also direkt auf den Zaun zu, nahm das Pferd empor und sprengte