Die Schlangentrommel. Ole R. BörgdahlЧитать онлайн книгу.
wandte sich an Halls. »Organisieren Sie das mit dem Sicherheitscode.«
*
Der rote Dodge Durango parkte vor der heruntergekommenen Bootshalle am Wallgraben. Sie stiegen aus dem Wagen. Der brackige Geruch der nahen Spree schlug ihnen entgegen. Martin Grenholm hatte Alex und Will zu dem Treffen begleitet. Alex kannte den Weg, der zu einem Seiteneingang der Halle führte. Die anderen folgten ihm. Will trug das Geld in einem Umschlag bei sich. Alex blieb vor der verschlossenen Tür stehen und klopfte. Ihnen wurde aufgemacht. Ein riesiger Kerl in Lederkluft öffnete, trat zur Seite und ließ sie mit einem Kopfnicken eintreten. Grenholm ging jetzt voran. Das Innere der Halle war nur schwach beleuchtet. An einem Tisch saßen drei Männer von gleicher Statur wie der Torwächter. Sie blickten kurz auf.
»Willkommen!«, rief jemand aus dem Hintergrund.
Grenholm wandte sich zur Seite. Zwei Männer kamen aus einem Büro, das sich in einer Ecke der Halle befand.
»Der Rechte ist Earl und der andere heißt Buzzcut«, flüsterte Alex Grenholm zu.
Earl und Buzzcut blieben zwei Meter vor Grenholm stehen. Earl verschränkte die Arme vor der Brust und grinste.
»Willkommen!«, wiederholte er. »Braucht Ihr uns jetzt doch? Hab’ ich ja gleich gesagt, wenn jemand in der Hauptstadt einen Job zu erledigen hat, muss er sich an Earl und Buzzcut halten. Hab’ ich das nicht gesagt, Buzz?«
»Doch das hast du.« Buzzcut reckte den Kopf vor und ließ seine Halswirbel knacken.
»Buzzcut, woher kenne ich den Namen?«, fragte Grenholm nachdenklich.
»Ist ’n Künstlername«, erwiderte Buzzcut mit einem kichernden Lachen.
»Stimmt, Buzzcut und Earl, Earl und Buzzcut«, Grenholm nickte anerkennend. »Beavis und Butt-Head, die Comic-Serie.«
»Genau Mann, passt zu uns«, johlte Earl. »Buzz war nämlich auch mal beim Militär, nur zu den Lederjacken hat er es nicht geschafft, nicht wahr Buzz?«
»Genau, hab’ mal ’nen Ranger vermöbelt, hab’ mehr drauf als diese Typen.«
»Tja, und ich bin hier der erste Boss, der Earl, mit mir müsst Ihr verhandeln.«
Grenholm blickte kurz zu Will. »Es geht in Ordnung, wir zahlen den vereinbarten Preis.« Will gab ihm den Umschlag.
»Moment, was heißt vereinbart?« Earl kratzte sich am Hinterkopf.
Grenholm wedelte mit dem Umschlag. »Die Hälfte jetzt, die andere Hälfte heute Abend, so lautet doch immer die Vereinbarung.«
»Wir haben nix vereinbart.« Earl grinste.
Grenholm warf ihm den Umschlag zu. Earl fing ihn auf und begann das Geld zu zählen. Er schien zufrieden zu sein und gab den Umschlag an Buzzcut weiter.
»Die andere Hälfte gibt es also heute Abend?«, Earl grinste wieder. »Habt Ihr die schon dabei?«
»Heute Abend!«, antwortete Grenholm ruhig.
»Buzz, wie wäre es, wenn du mit den Jungs mal nachschaust, wo der Rest des Zasters ist?«
»Oh ja, man kann ja nie vorsichtig genug sein«, grölte Buzzcut. »Nachher bescheißen uns die Typen noch.«
Er ging einen Schritt auf Grenholm zu. Sofort war Alex zur Stelle. Es ging blitzschnell. Er drehte Buzzcut den Arm auf den Rücken, zwang ihn so in die Knie und drehte ihm das Handgelenk um. Buzzcut schrie. Einer der Männer am Tisch ließ seine Karten fallen und erhob sich. Will war mit einem Sprung bei ihm, rammte ihm die Faust in den Magen. Der Mann sackte in sich zusammen. Will trat ihm von hinten in die Beine und der Angreifer fiel auf den Rücken. Ein zweiter Mann am Tisch wollte eingreifen, hielt aber in der Bewegung inne. Er sah zu Grenholm, der seine Pistole gezogen hatte und die Mündung auf Buzzcuts Kopf drückte.
»Klick!«, sagte Grenholm schnalzend. »Bleiben noch zwölf Kugeln. Wer will der Nächste sein?«
Earl begann zu lachen. »Toll, da haben wir ja mal ein paar richtige Profis. Also, wer gibt uns heute Abend die Moneten?«
»Sie werden es bekommen, wenn Sie uns den Wagen übergeben«, antwortete Grenholm. »Können Sie das Fahrzeug besorgen? Ach ja, und wir brauchen auch die passende Kleidung dazu.«
Grenholm sicherte seine Pistole und steckte sie zurück ins Holster. Alex lockerte den Griff und ließ Buzzcut dann ganz los, der sofort einen Schritt zurückwich und sich das Handgelenk rieb.
Earl nickte. »Geht klar, die Klamotten sind inklusive. Wir werden mit fünfzehn Mann auftauchen, sind auch ein paar Hertha-Fans dabei.« Er legte wieder sein Grinsen auf. »Reicht Ihnen das?«
»Perfekt!«, stimmte Grenholm zu.
»Dann sehen wir uns heute Abend?«, fragte Earl.
Grenholm schüttelte langsam den Kopf. »Meine Leute werden sich zu erkennen geben.«
*
Der blaue Linien-Bus bremste hinter dem Lincoln Navigator und hupte. John Boold starrte auf sein Mobile, das in der Mittelkonsole steckte. Der Lincoln rollte nur noch über die Budapester Straße. Der Bus hupte ein zweites Mal. Boold lenkte seinen Wagen auf den Fußweg und hielt zwischen zwei Begrenzungspfählen. Der Bus scherte aus und überholte ihn endlich. Auf dem Breitscheidplatz standen zwei Polizisten vor der Ruine der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche und sahen zu dem Lincoln hinüber. John Boold nahm das Mobile und drückte die Tastenkombination, um die eingegangene SMS abzurufen. Die Polizisten setzten sich in Bewegung. Ein weiteres Fahrzeug fühlte sich durch den Lincoln behindert und hupte ebenfalls. Boold überflog den Text der SMS. Es war eine Adresse und der Hinweis auf ein Dossier. Boold ließ sich das Dossier senden und steckte sein Mobile zurück in die Aufnahmeschale. Einer der Polizisten klopfte an die Scheibe der Beifahrertür. Boold tat so, als wenn er es nicht bemerkt hätte, und reihte sich wieder in den Verkehr ein. Er fuhr weiter, bog nach rechts in die Nürnberger Straße, dann wieder rechts in die Tauentzienstraße, um den Breitscheidplatz in entgegengesetzter Richtung zu passieren. Als er den Kurfürstendamm erreichte, hatte er die Adresse aus der SMS bereits in das Navigationsgerät seines Wagens eingetippt. Die Strecke wurde mit knapp zehn Kilometern angezeigt.
Er brauchte zwanzig Minuten bis nach Zehlendorf. Er fuhr das letzte Stück direkt durch den Grunewald. Das Navi lenkte ihn schließlich in eine Seitenstraße. Die Nummer 29 war ein frei stehendes Mehrfamilienhaus. Boold parkte hinter einem roten Dodge Durango auf einem schmalen Streifen zwischen Gehweg und Fahrbahn. Bevor er ausstieg, öffnete er das Handschuhfach. Ein DIN-A5-breiter Papierstreifen kräuselte sich hinter der Klappe. Boold riss das Thermopapier aus dem Drucker und schloss das Handschuhfach wieder. Das Dossier war knappgehalten. Es gab zwei Namen, Rin Mura und Louk Bourey, zwei Männer, beide südostasiatischen Ursprungs. Rin Mura war der Gesuchte. Louk Bourey der Wohnungsinhaber. Boold verschloss den Navigator mit der Fernbedienung der Zentralverriegelung.
Der Vorgarten des Mehrfamilienhauses war gepflegt, es roch nach frisch gemähtem Gras. Der Zuweg war von einer Buchsbaumhecke gesäumt, die unmittelbar vor der Eingangstür endete. Boold besah sich das Klingelschild. Es war ein Vierparteienhaus. Louk Boureys Name stand ganz oben auf dem Schild, seine Wohnung musste sich im zweiten Stock befinden. Boold prüfte die Haustür, die nicht verschlossen war. Er betrat einen kleinen Flur, an den sich direkt eine kurze Treppe hinauf in die Parterrewohnung anschloss. Das Treppenhaus führte weiter in den ersten Stock. Hier gab es zwei Wohnungen. Aus einer waren die Geräusche eines Staubsaugers zu hören. Boold blieb nur kurz stehen. Er ging weiter hinauf. Boureys Wohnung nahm den gesamten zweiten Stock ein und lag schon unter dem Dach des Hauses. Auf dem Türschild gab es zwei Einträge. Neben dem Namen des Wohnungsinhabers auch der Hinweis auf eine Handelsgesellschaft, der LouBouSpice OHG.
Boold sah noch einmal auf das Dossier. Laut der Informationen war Louk Bourey alleinstehend. Boold horchte nach Geräuschen. Unter ihm war das leise Summen des Staubsaugers noch immer zu hören. In Boureys Wohnung schien es dagegen ruhig zu sein. Das Türschloss war nicht sehr aufwendig. Boold entriegelte es in zehn Sekunden. Er sah noch einmal nach unten ins Treppenhaus, bevor er die Wohnungstür