Die Schlangentrommel. Ole R. BörgdahlЧитать онлайн книгу.
jetzt sah Nhean den geschlossenen Bahnübergang. Der Zug war noch nicht durch. Es wäre zu auffällig gewesen, wenn Nhean mit zu großem Abstand gehalten hätte und er konnte weder rechts noch links abbiegen. Er fuhr weiter, blieb hinter der Limousine stehen. Sie waren allein. Arun sah sich um, niemand sonst wartete an dem Bahnübergang. Es dauerte zwei Sekunden, bis er den Entschluss gefasst hatte. Nhean ahnte, was sein Freund vorhatte.
»Gib mir meine Pistole.«
Arun zögerte eine Sekunde, nickte, holte das Holster mit der zweiten Waffe aus dem Handschuhfach und reichte es Nhean.
»Ich nehme mir den Fahrer und den Beifahrer vor.« Nhean zog die Pistole aus dem Holster, prüfte das Magazin und entsicherte die Waffe. »Wenn ich geschossen habe, dann musst du dich sofort um die Frau kümmern. Ich werde aufpassen, dass er uns nicht entwischt. Es muss aber schnell gehen, sehr schnell.«
Nhean hatte den Türhebel schon in der Hand, als der Zug vorbeidonnerte. Es dauerte zwanzig Sekunden. Der Bahnübergang war wieder frei, die Schranken blieben aber unten. Arun sah nach rechts aus der Gegenrichtung näherte sich ein Güterzug.«
»Jetzt!«, rief Nhean.
Er zog den Türhebel durch und wollte die Fahrertür gerade aufdrücken, als sein Blick in den Außenspiegel fiel. Es standen plötzlich zwei Fahrzeuge hinter ihnen. Der vordere stellte gerade den Motor ab. Der Wagen war voll besetzt.
»Was ist?«, fragte Arun, der Nheans Zögern bemerkt hatte.
»Verdammt!«, zischte Nhean.
Arun blickte sich um. Dann sah er wieder nach vorne und versank ein Stück in seinem Sitz. Das Rumpeln des Güterzuges nahm er nicht mehr wahr. Es dauerte fast fünf Minuten, bis sich die Schranken endlich öffneten. Der Volvo gab Gas, schoss davon. Nhean überquerte den Bahnübergang sehr langsam. Der Wagen hinter ihm hupte und überholte dann schnittig. Sie konnten den Volvo gerade noch sehen, als auch Nhean wieder schneller fuhr. Sie holten auf und sahen, wie die schwarze Limousine nach rechts in ein Industriegebiet einbog. Sie fuhren an mehreren Autohäusern vorbei, dann blinkte der Volvo erneut und fuhr auf das Gelände einer großen Autowaschstraße.
*
Erik passierte vor einem silbernen Subaru Forester das Hallentor der Waschstraße. Er rollte langsam durch die Sprinkleranlage. Die Flüssigkeit aus den Düsen schäumte, als sie auf Motorhaube und Windschutzscheibe auftraf. Es roch scharf nach Chemie. Der automatische Scheibenwischer setzte sich in Bewegung und schob Schaum und eine Dreckspur über die Windschutzscheibe. Sie erreichten den Waschplatz. Erik ließ die Scheibe der Fahrertür herunter. Ein Mitarbeiter der Waschstraße war sofort zur Stelle. Erik wählte das Programm, bezahlte und schloss dann die Scheibe wieder sorgfältig. Ein weiterer Mitarbeiter kam hinzu. Zu zweit begannen sie die Schweller und Felgen einzuschäumen. Die Männer bewegten sich eilig um das Fahrzeug herum. Eine Bürste glitt über die Seitenscheiben, hinterließ auch hier eine Schaumschicht. Erik bekam das Zeichen, vorzufahren. Er wurde auf eine Schiene dirigiert, lenkte gegen, bis der Mann seine Hand hob. Die Vorderräder wurden von einem Greifer erfasst, das Fahrzeug machte einen Ruck und wurde in die Waschstraße gezogen.
Gunnar richtete sich den Rückspiegel aus. Hinter ihnen wurden gerade die Scheinwerfer des silbernen Subaru Forester eingeschäumt. Dann nahmen die rotierenden Bürsten Gunnar die Sicht. Einige Minuten später tauchte der silberne Subaru wieder im Rückspiegel auf. Beide Fahrzeuge befanden sich schon im Trocknerbereich.
»Jetzt!«, sagte Gunnar.
Erik öffnete die Fahrertür. Er beugte sich vor und erreichte den Notausschalter. Ein Knall hallte durch die Waschstraße. Das Gebläse vor ihnen verstummte. Hinten nahm die Rotation der Bürsten schlagartig ab. Das Geräusch von tropfendem und fließendem Wasser klang durch die Halle. Rin Mura und Hanna waren vorbereitet. Fast gleichzeitig öffneten sich auch die Türen des Subaru. Fahrer und Beifahrer sprangen heraus, liefen nach vorne zur Limousine. Gunnar und Erik standen bereits neben dem Wagen, ließen die beiden Männer einsteigen. Sie selbst nahmen ihre Plätze in dem Subaru ein. Dann waren Rin Mura und Hanna an der Reihe. Sie stiegen beide auf der linken Seite aus und gingen nach hinten. Rin Mura reckte sich und schaute über die Reling des Subaru. Auf der rechten Seite waren ein Mann und eine Frau ausgestiegen und strebten der Limousine zu. Der Mann trug einen Hut und hatte Rin Muras Statur. Hanna zog Rin Mura in den Geländewagen. Er schloss die Tür. Dann kam jemand von hinten durch den Seitengang der Waschstraße und kontrollierte im Gehen die Anlage. Als der Mann auf Höhe des Subarus war, ließ Erik die Seitenscheibe herunter.
»Sorry, meine Schuld. Ich dachte der Außenspiegel reißt ab.« Erik hatte den Blick gesenkt, als er sprach.
Der Angestellte nickte. »Schon in Ordnung.« Er griff an den Außenspiegel, bis das Gelenk einrastete.
»Danke!«, sagte Erik und ließ die Seitenscheibe wieder hochfahren.
Der Angestellte wandte sich ab, kontrollierte noch einmal den Fahrweg und ging dann in die Richtung zurück, aus der er gekommen war. Es dauerte noch ein, zwei Minuten, bis die Waschstraße wieder ansprang. Die Gebläse heulten auf, die Fahrzeuge setzten sich langsam in Bewegung. Kurze Zeit später erreichte der schwarze Volvo das Ende der Waschstraße. Hier schloss sich eine überdachte Halle an. Es gab Boxen mit Staubsaugerstation und Kästen zum Ausschlagen der Fußmatten. An einem Stand konnte man Pflegemittel für die Wageninnenreinigung kaufen. Einige Boxen waren belegt. Die Limousine durchquerte die Halle und hielt neben einer der letzten Boxen. Der silberne Subaru Forester folgte unmittelbar darauf.
Gunnar stieg aus und ging zu dem Verkaufsstand. Er sah sich das Sortiment an, las sich ein Informationsblatt durch. Erik stieg ebenfalls aus. Er zog seine Zigarettenschachtel aus der Jackentasche, sah dann aber das Verbotsschild.
*
Arun und Nhean standen mit ihrem Wagen auf dem Parkplatz des Mc-Donald’s-Restaurants, das direkt an das Gelände der Waschstraße grenzte. Neben ihnen parkte ein alter Opel Rekord, in dem vier Jugendliche saßen und sich über ihre Fresstüten hermachten. Der Beifahrer sah Nhean an, während er am Strohhalm seiner Cola sog. Dann musste jemand einen Witz gemacht haben. Der Colatrinker lachte heftig verschluckte sich und beugte sich nach vorne. Nhean richtete seinen Blick wieder auf die Ausfahrt der Waschstraße.
»Wie lange?«, fragte Arun, der in seinem Sitz versunken war.
»Achtzehn Minuten.« Nhean stutzte. »Da stimmt irgendetwas nicht.«
Er deutete nach links. In der Einfahrt zur Waschstraße hatte sich eine Autoschlange gebildet. »Der gelbe Porsche steht schon eine Ewigkeit vor dem Einfahrtstor.«
»Und was heißt das?«, fragte Arun.
»Weiß nicht, vielleicht machen die Pause oder es gab eine Störung.« Nhean reckte sich zur Seite. »Jetzt geht es weiter, der Porsche fährt rein und gleich auch der Wagen dahinter.«
Nhean blickte wieder zur Ausfahrt, weil sich dort das Tor öffnete. Ein dunkelblauer Mercedes fuhr ins Tageslicht. Der Lack glänzte und reflektierte die Sonnenstrahlen.
»Das ist aber merkwürdig«, sagte Arun, er richtete sich in seinem Sitz auf, um besser sehen zu können.
»Was ist mit dem Mercedes? Sie fahren einen Volvo 940, keine E-Klasse.«
Arun schüttelte den Kopf. »Ein roter Golf, ein roter Astra, ein gelber Renault, ein dunkelblauer Mercedes, ein silberner Subaru, ein schwarzer Volvo.«
»Was?«, fragte Nhean.
»Das ist die Reihenfolge, das habe ich mir gemerkt«, erklärte Arun. »Hinter dem Volvo kam der silberne Geländewagen und dann erst der dunkelblaue Mercedes.«
Das Tor hatte sich gerade erst geschlossen, als es sich erneut öffnete. Der gelbe Renault fuhr heraus und hielt wenige Meter hinter dem Tor. Der Fahrer stieg aus und ging einmal um seinen Wagen herum. Er prüfte die Außenspiegel, stellte sich vor die Motorhaube und kratze mit dem Zeigefinger an einer Stelle auf dem Lack. Er holte sogar noch ein Taschentuch hervor und polierte das Blech.
»Und da ist der Renault, der hat sie auch überholt«, stellte Arun fest.
»Wie