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Der ungeliebte Mann. Ханс ФалладаЧитать онлайн книгу.

Der ungeliebte Mann - Ханс Фаллада


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passend, nachher, für Fritz und sie –, war niemand von den Wirtsleuten anwesend, und so durfte sie noch hoffen.

      Ein paar Bürger, der Uhrmacher, einer von der Stadtverwaltung, der Böttcher und jemand aus der Umgegend, den sie nur vom Ansehen kannte, saßen am runden Tisch und spielten Skat. Sie sahen nur flüchtig hoch, als Ilse hereinkam, und der Uhrmacher, der immer witzig sein mußte, rief: »Na, Fräulein Voß, er muß gleich wieder hier sein! Er hat schon dreimal nach Ihnen gefragt. Er rennt in einem Trab zwischen dem Wismarschen Hof und dem Adler hin und her. Ihm auch nicht genau zu sagen, wo Sie ihn treffen wollen!«

      »Halt den Betrieb nicht auf, Ernst!« sagte der Böttcher. »Hier sticht Schellen!«

      »Immer mit den jungen Mädchen!« brummte Herr Tock von der Stadtverwaltung. »Daß du es nicht lassen kannst, Ernst! – Jetzt zeig mal lieber, ob du Jungens hast!«

      Und das Spiel ging weiter, ohne daß die Spieler noch auf das Mädchen achteten.

      Ilse hatte sich ohne Antwort an ihren Tisch gesetzt und sah nach der Tür, durch die Fritz Bleesern kommen mußte.

      Eigentlich wünschte sie, daß er noch nicht käme, sie fühlte sich so zerschlagen und abgekämpft, und sie war doch fest entschlossen, all ihre Reize zu entfalten. Sie wußte ja doch, daß er sie gern hatte, er hatte es ihr manches Mal auf seine fischblütige Art zu verstehen gegeben – aber von einem einfachen Gernhaben bis zum Heiraten ist ein fast unmöglich weiter Schritt. Schließlich war sie ein ganz vermögensloses Mädchen von nirgendwo mit einem nicht mehr sehr guten Ruf, und er war der einzige Sohn des altangesehenen Bergaer Hotels zum Preußischen Adler. Es gab da – außer dem Fritz Bleesern selbst – noch manche Position zu erobern. Vor allem war da seine weithin für ihr Mundwerk gefürchtete Mutter – ach, sie mochte an all die Schwierigkeiten gar nicht denken! Am liebsten hätte sie erst in aller Ruhe ein oder zwei Schoppen Mosel getrunken, um ein bißchen in Gang zu kommen!

      Als Ilse soweit mit ihren Gedanken gekommen war, tat sich die Tür auf, und die unförmig dicke Frau Bleesern schob sich auf ihren immer geschwollenen, schmerzenden Füßen in die Gaststube.

      »Ach Gott! Ach Gott! Was ist das alles!« stöhnte sie.

      Sie war eine gewohnheitsmäßige Stöhnerin, meinte es aber gar nicht so.

      »Die Klingel ist vor fünf Minuten gegangen, und kein Mensch kommt und sieht nach der Kundschaft. Dabei hat man das ganze Hotel voll Personal, mehr Personal als Gäste! ’n Abend, Fräulein – was soll’s denn sein? – Und ihr vier sitzt auch wieder ohne Bier da, aber keiner meldet sich! Ihr könnt doch auch mal schreien; wenn einer ’nen Grand umgeschmissen hat, schreit ihr doch laut genug! – Also, was soll es sein, Fräulein? Einen Schoppen Mosel, schön, schön! – Sie sind aber noch spät unterwegs! Oder warten Sie auf jemand mit dem Zug?«

      »Jawohl!« log Ilse. »Wir erwarten einen Besuch von Herrn Siebenhaar …«

      »So, bekommt der auch mal wieder Besuch? Ich dachte, nach dem sieht kein Mensch mehr. Ich habe ihn neulich mal auf der Straße gesehen, sieht der Mann aber aus! Ihr seid doch drei Mädels im Haus und habt nur den einen Mann zu versorgen, ich würde mich an eurer Stelle was schämen, meinen Brotherrn so schmuddelig und vollgekleckert rumlaufen zu lassen!«

      Ilse wurde sehr rot – das war ein schlechter Auftakt für ihr Vorhaben! Um so mehr, als Frau Bleesern eigentlich vollkommen recht hatte …

      »Wir sagen es ihm auch hundertmal!« verteidigte sie sich. »Aber Sie ahnen ja nicht, wie widerspenstig Herr Siebenhaar sein kann!«

      »I wo!« sagte die Wirtin, war jetzt mit dem Bedienen fertig und kramte in ihrem Stehpult zwischen Papieren. »Widerspenstig – den kann man um den Finger wickeln, wenn man nur ein bißchen nett zu ihm ist! Aber freilich, wo das Interesse fehlt …!«

      Mit dieser Spitze versenkte sich Frau Bleesern endgültig in ihre Tankstellenabrechnung und ließ Ilse noch viel trübseliger mit ihrem Glas Mosel. Sie hätte es gerne auf einen Zug leer getrunken, aber sie wagte es nicht, denn dann hätte sie Frau Bleesern schon wieder um ein neues angehen müssen, und ihre heilsame Scheu vor deren Mundwerk war nur noch gestiegen …

      Überhaupt schien ihr auch dieses Unternehmen jetzt schon völlig verfahren. Seufzend sah sie auf die Wanduhr, die drei Viertel zehn zeigte – nun hatte sie sich festgelegt, daß sie zum Abendzug wollte, und der kam schon zehn Uhr zwanzig. Selbst wenn Fritz Bleesern hier noch auftauchte, war die Zeit viel zu kurz!

      Ohne die im Lebenskampf erworbene Hartnäckigkeit wäre Ilse Voß auf der Stelle ausgerissen und hätte ihre festen Entschlüsse samt und sonders unausgeführt gelassen …

      Aber so blieb sie dennoch sitzen, und nun ging wirklich die Tür auf, und Fritz Bleesern kam herein.

      »Mutter!« sagte er, ohne Ilse Voß noch zu sehen, »in der Küche fragen sie, ob sie das Essen für Zimmer 17 noch immer warm halten sollen? Es geht jetzt schon auf zehn Uhr …«

      Der Blick auf die Wanduhr brachte auch Ilse Voß in sein Gesichtsfeld.

      Sie nickte ihm lächelnd zu. Er lächelte ein ganz klein bißchen zurück, blieb aber bei seiner Mutter stehen.

      »I du meine Güte!« sagte die unwillig und sah von ihrer Tankrechnung auf. »Die Mamsell hat auch weniger Gedächtnis als ein Huhn! 17 ist doch zum Angeln gefahren und vergißt darüber natürlich wieder Zeit und Essen! Sicher bringt er Barsche oder Hechte mit und will sie noch gebraten haben. Sage der Mamsell …«

      Sie sah ihren Sohn ärgerlich an.

      »Ach, mach du lieber die Tankabrechnung fertig, morgen kommt der Kesselwagen. Ich geh selber in die Küche! Auf keinen Menschen kann man sich verlassen! Wie ich jung war, sah jeder selbst nach seiner Arbeit …«

      Mit solchen und noch anderen Klagen schob sich Frau Bleesern aus der Stube. Der Sohn sah ihr einen Augenblick nach, streifte dann mit einem raschen Seitenblick die einsam hinter ihrem Mosel sitzende Ilse Voß und wandte sich dann den Papieren zu, ihr den Rücken kehrend, korrekt, wortkarg und schmächtig.

      ›Das ist doch kein Mann, das ist bloß ein Männchen‹, dachte Ilse auch jetzt wieder mit Abneigung. Aber es half alles nichts, es gab keine Wahl mehr für sie, und so trank sie rasch ihren Schoppen aus und rief leise: »Herr Bleesern! Ach bitte!«

      Er drehte sich an seinem Pult um, seine Stirn war nachdenklich gerunzelt, entschieden war er ungehalten über diese Störung seiner wichtigen Rechnerei. Sie war wütend, daß ihr Lächeln so wenig Wirkung auf ihn tat – er hatte sich gefälligst zu freuen, wenn sie ihn anlächelte, dieses jämmerliche Männchen, das!

      »Darf ich vielleicht noch einen Schoppen Mosel haben?« fragte sie, innerlich vergehend vor Zorn, äußerlich aber immer noch liebreich lächelnd.

      »Aber gewiß doch, Fräulein Voß! Entschuldigen Sie nur – ich saß da ganz in meiner Abrechnung drin – diese elende Tankkasse stimmt nie! Ich habe zwar Anweisung gegeben, daß alles Tankgeld sofort hineingelegt wird, aber ewig kommt sie mit der Büfettkasse durcheinander. Oder mit der Zigarettenkasse. Und dann verkaufen wir ja auch etwas Schokolade, und dann die Telefonbenutzung …«

      »Ich sehe schon«, sagte Ilse gereizt, »Sie haben einen unendlich komplizierten Betrieb, der Sie völlig in Anspruch nimmt, Herr Bleesern! So viele Kassen – da muß der Mensch ja auch zur Kasse werden! Darf ich gleich zahlen, ich muß nämlich noch zum Zuge.«

      Wie seine Mutter, wie er selbst vorhin, warf er sofort auf die Wanduhr einen Blick, als wenn er es nicht mehr wissen könnte, wieviel die Uhr eben erst war! Auch dieses mechanische Hinsehen fand sie abscheulich.

      »Sie haben noch gut fünf Minuten Zeit, Fräulein Voß«, sagte er beruhigend. »Ja, danke, eine Mark zehn – vollkommen richtig.«

      Er stand noch einen Augenblick zögernd an ihrem Tisch, ungewiß, ob er gehen oder bleiben sollte. Sie sah ihn nicht an. Sie hielt den Stiel des Glases gefaßt und ließ den Wein sanft kreisen.

      Plötzlich sah sie hoch.

      »Ich möchte Sie nicht von Ihrer Kasse fernhalten, Herr Bleesern«,


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