Nesthäkchen und ihre Küken. Else UryЧитать онлайн книгу.
nu niß mehr fietend, Muttißen? Triegt miß nu noch Teile?« Hansi wagte es, den blonden Krauskopf verstohlen unter der Kaffeedecke hervorzustecken.
»Goldjunge – keiner darf dich anrühren. Onkel Klaus verteidigt dich vor allen mütterlichen Ohrfeigen mit Gefahr seines Lebens.« Klaus packte seinen kleinen Neffen, der ihm innerlich und äußerlich so ähnlich war, schützend zwischen seinen derben Landmannsfäusten.
»Wer spricht hier von Ohrfeigen? Der siebenjährige Krieg ist halt zu End heut. Was – der Hansi hat was ausg'fresse? Kannst unsere zwei gleich mit durchprügele, Annemie, die haben heut auch allerlei auf dem Kerbholz. Grüß euch Gott, alle beieinand'.« Unbemerkt waren während des Tumults der Amtsrichter Hans Braun und seine junge Frau Ola den Gartensteig heraufgekommen. »Mög dich deine Annemarie weiter so glücklich machen, gelt, Rudi?« Zärtlich packte die zartblonde Ola den Bruder beim Kopf und küsste ihn herzhaft.
Auch Hans und Annemarie begrüßten sich herzlich, während die Kinder Herbert und Waldemar sofort von Vronli in Beschlag genommen wurden. Jetzt kam auch der »Katzentisch« zu seinem Recht. Plötzlich wollten sie alle dort sitzen – selbst Klein-Ursel, die so energisch dagegen Front gemacht hatte. Omama ließ es sich nicht nehmen, den Vorsitz am Katzentisch zu fuhren. Frau Doktor Braun spiegelte sich in den Enkelkindern.
»Peter, alter Junge, sieht man dich auch mal wieder!« Erfreut schüttelte der Amtsrichter Hans dem Vetter die Rechte. »Wie schaut's aus da oben in deiner Polackei?«
»So wunderbar, daß ich Arnsdorf verkauft habe. Es ist ein zu unerfreuliches Leben jetzt bei der polnischen Wirtschaft. Ich beabsichtige, mich irgendwo anders anzukaufen, euer Klaus hat ja dieselben Absichten, wie ich hörte. Wir haben ein Zusammentreffen in Berlin verabredet, um uns gegenseitig fachmännisch bei der Einschätzung von Grund und Boden zu unterstützen.«
»Arnsdorf verkauft?« Frau Annemarie machte ein betrübtes Gesicht. »Meine schönsten Kindheitserinnerungen sind mit eurem Gut verknüpft. Wißt ihr noch, Jungs, wie wir alle im Nussbaum gesessen, während Tante Käthchens Kaffeekränzchen unter dem Baume tagte? Bis schließlich der Puppenschuh von meiner Gerda gerade in die Schlagsahne hineinsegelte – hahaha –, ich sehe heute noch die entsetzten Gesichter von all den Kaffeeschwestern.« Annemarie lachte hellauf in Erinnerung. Die »Jungs«, der Herr Amtsrichter und die beiden stämmigen Landwirte, stimmten ein.
»Also nun weiß ich halt, wo unsere drei Rangen herkommen!« neckte Rudi. »Gelt, Ola, ich war stets ein braves Büble?«
»Arg brav«, bestätigte die Schwester lachend. »Alle Unarten von euren Küken gehen auf Annemaries Konto.«
»Und wie ist's denn bei euch, Ola?« verteidigte sich Annemarie lustig. »Herbert und Waldemar sind auch, soviel ich weiß, mehr Bengel als Engel. Mein Hänschen aber war stets ein Musterknabe – – –«
»Du, Annemie, so was springt auch manchmal von Tante und Onkel auf Neffen über. Unsere Jungen sind von dir und Klaus höchstwahrscheinlich erblich belastet«, kam der Amtsrichter seiner Frau zu Hilfe.
»Pfui, Hans – da sieht man wieder, daß Bruderliebe bei der Heirat in die Brüche geht. Klaus, wann wirst du mich so enttäuschen?«
»Erst das Gut, dann die Kuh und zuletzt die Frau! Immer eins nach dem andern. Ein Gut habe ich bereits in Aussicht oder vielmehr zwei. Ein Zwillingsgut an der Waterkant, da oben irgendwo im Pommerschen. Vielleicht kann der Peter eins davon übernehmen. Wir haben uns als Kinder ja oft genug miteinander in allen Sommerferien auf Arnsdorf herumgeprügelt. Da werden wir jetzt, hoffe ich, nachbarlichen Frieden halten!«
»Das ist eine famose Idee!« rief Annemarie erfreut. »Nun müßt ihr euch noch zwei recht nette Frauen aussuchen – – –«
»Erst die Kuh, die ist wichtiger«, unterbrach Ilse Hermann die Freundin mit etwas erzwungener Lustigkeit.
»Die Ilse hat tatsächlich das Zeug zu einer Landwirtsfrau, sie weiß trotz ihrer lateinischen Bildung, was einem Landwirt not tut«, zog Klaus sie auf.
»Das tut einem Landwirt not, wenigstens so einem, wie du bist.« Ilse zauste ihn ärgerlich an dem blonden Kraushaar.
»Au – au – so weit sind wir noch nicht mit unseren Zärtlichkeiten, Ilse!« wehrte Klaus sich lachend.
»Also genau wie die Gören! Heute noch! Ist das nun ein achtunggebietender Gutsherr – eine Respekt einflößende Lehrerin?« ereiferte sich Marlene.
»Gouvernantchen, ärgere dein Inseparable nicht. Mit Ilse ist heute nicht gut Kirschen essen!« warnte Klaus, »übrigens auf euch beide sind wir Herren der Schöpfung Gott sei Dank nicht angewiesen. Da kommen ja noch mehr hübsche Mädchen.«
5. Kapitel
Kleine Kratzbürste
Wirklich, das Gartentor knarrte. Ein Herr mit grauem Vollbart, eine Schwarzhaarige und eine Braune an jeder Seite untergeärmelt, tauchte auf.
»Opapa – Opapa – – –«, in fünfstimmigem Chor erschallte es jubelnd vom Katzentisch. Stühle flogen um, kleine Beinchen in die Luft. Jedes wollte zuerst beim lieben Opapa sein.
Der Schwarzen und der Braunen wurde plötzlich der Laufpass gegeben. Beide Arme brauchte Doktor Braun dazu, die fünf Kleinen aufzufangen.
»Opapa, was mitdebingt?« Sämtliche Taschen wurden sofort einer gründlichen Revision unterzogen.
»Wie die Räuber fällt die kleine Bande über einen her!« Doktor Braun strahlte vor Großvaterstolz. Der eine hatte seine Uhr beim Wickel, der zweite die Brille, Hansi die vielgeliebte »Horche«. Das war das Stetoskop, das er beim Vater nicht anfassen durfte. Jetzt stand der kleine Kerl mit ernsthaftem Gesicht, das Hörrohr am Ohr. »Hier Dotter Hattenstein, – wer dott?« Zum größten Gaudium des Großvaters benutzte Hansi die »Horche« stets als Telefon.
Die beiden Mädel zeigten Evasschläue, die gingen aufs Eigentliche. Sie gruben in Opapas Rocktaschen nach Süßigkeiten.
»Hatte Lein-Usche niß mitdebingt?« Klein-Ursels Freude mit dem Opapa begann abzuflauen.
»Nein, Kinderchen, heute hatte ich wirklich keine Zeit – –«
»Oller Opapa!« Tiefste Verachtung lag in Klein-Ursels Kritik.
»Pfui, Ursel, ich hab' den Opapa auch lieb, wenn er gar nichts mitbringt.« Vronli ging mit gutem Beispiel voran. »Aber – der tut bloß immer so. Der hat bestimmt noch was in der Tasche.« Die Evastochter meldete sich schon wieder.
»Hatte destinnt nißt, Opapaßen?« erkundigte sich Ursel, in der wieder zärtlichere Gefühle erwachten.
»Destinnt nichts«, lachte der Großvater. »Bloß – ja richtig, das muß noch vom vorigen Mal hier in der Rocktasche stecken geblieben sein.« Aus einer Innentasche, die den kleinen Detektiven entgangen war, kam eine große Tüte zum Vorschein.
»Bomboms – Usche Bomboms, duter Opapa – – –.« Klein-Ursel war innigste Zärtlichkeit.
Aber schon hatte Vronli die Tüte an sich gerissen. »Mir gehört sie, es geht nach der Älte – – –«
»Nein, Vronli, sie gehört euch allen – – –.« Doktor Braun amüsierte sich köstlich. Denn jetzt gingen die drei kleinen Männer mit vereinten Kräften gegen das weibliche Geschlecht los.
»Herbertchen kratzt – au, Waldemar, nicht kneifen – Hansi, wenn du mit den Füßen stößt, bekommst du nichts.«
»Du hast dehaupt nißt zu saden – – –.« Der kleine Bruder wehrte sich gegen die schwesterliche Autorität.
»Höre, Vronli, ich habe das Vertrauen zu dir, daß du die Bonbons ehrlich unter euch fünf verteilst«, schlichtete der Opapa den Streit.
»Ja, immer der Älte nach, nicht, Opapa? Mit sechs Jahren kann man halt mehr Bonbons vertragen, als mit zwei«, gab Vronli zu bedenken.
»Usche