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Im Reich des silbernen Löwen I. Karl MayЧитать онлайн книгу.

Im Reich des silbernen Löwen I - Karl May


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war eine Bemerkung, welche ihn veranlaßte, die Unterhaltung nicht weiter fortzusetzen. Dafür begann Dschafar mir zu erzählen, wie er von den Roten überfallen ward. Er hatte sich verteidigt und mit seinen Kugeln zwei Indianer getroffen. Daher das Blut, welches wir gesehen hatten. Dafür war er viel fester gefesselt worden als die andern, und für einen qualvolleren Tod bestimmt. Hieran schloß er eine Beschreibung der Behandlung, welche ihm zu teil geworden war und eine Schilderung des Glückes, welches er nun empfand, wieder frei zu sein. Er sprach englisch, aber in einer so blumenreichen Weise, daß ich ihn für einen Orientalen gehalten hätte, auch wenn mir noch nichts über ihn gesagt worden wäre.

      Wir unterhielten uns längere Zeit miteinander. Ich hätte gern Näheres erfahren, da er aber seine Verhältnisse nicht von selbst berührte, so hielt ich es nicht für angezeigt, ihn nach denselben zu fragen. Ein gebildeter Mann war er jedenfalls, gebildet nicht nur nach orientalischem, sondern sogar nach europäischem Begriffe. Er mußte sich wohl längere Zeit im Abendlande aufgehalten haben.

      Später hielten sich beide zusammen, und während ich voranschritt, sprachen sie, wie es schien, von mir, denn sie dämpften zuweilen ihre Stimmen zum Flüstertone und blieben auch weiter hinter mir, als sie wohl gethan hätten, wenn ich nicht der Gegenstand ihres Gespräches gewesen wäre.

      Perkins bot mir einigemal mein Pferd an; da ich aber nicht müde war, konnte er es behalten. So verging die Nacht, und der Morgen brach an. Als es so hell geworden war, daß wir uns sehen konnten, sagte er:

      »Jetzt werden die Comantschen nach uns suchen und die Maultiere finden, Sir.«

      »Gewiß. Und da es feucht im Walde ist, sind unsere Fußstapfen nicht mehr zu sehen. Je feuchter das Gras oder Moos ist, desto eher richtet es sich wieder auf. Sehen die Roten keine Spur, so nehmen sie an, daß die Snuffles keine Begleiter gehabt haben, und forschen nicht weiter nach.«

      »Aber nach Mr. Dschafar werden sie suchen!«

      »Auch nicht allzulange. Sie könnten ihn doch nur in dem Falle wieder ergreifen, wenn sie seine Fährte fänden. Da dies aber, wie ich voraussetze, nicht der Fall ist, so werden sie nicht viele Zeit auf eine Mühe verwenden, von der sie sich sagen müssen, daß sie fruchtlos ist.«

      »Ich möchte bemerken, daß sie sein Verschwinden nicht begreifen können und darum ganz begierig darauf sein werden, eine Erklärung zu finden.«

      »Unter gewöhnlichen Verhältnissen würden sie allerdings wohl die ganze dortige Gegend nach ihm absuchen; aber wir wissen ja, was sie vorhaben und daß sie eilen müssen. Sie dürfen nicht warten, bis die Ansiedler, die sie überfallen wollen, dies ahnen oder gar davon Wind bekommen. Darum werden sie den ihnen auf eine so rätselhafte Weise entwischten Mann lieber laufen lassen, als daß sie eine lange, nutzlose Suche nach ihm veranstalten. Wie ich diese Roten und ihre Gewohnheiten kenne, werden sie höchstens die ersten zwei Tagesstunden darauf verwenden und dann den Ritt nach dem Makik-Natun fortsetzen.«

      »Wann werden sie im Walde am Regenbette ankommen?«

      »Da sie schneller reiten werden, als wir jetzt bei Nacht reiten konnten, werden sie wohl grad zu Mittag dort sein.«

      »Und wir?«

      »In vielleicht einer Stunde, wenn mich meine Vermutung nicht täuscht.«

      »So haben wir ja fast fünf Stunden Zeit, dort auf sie zu warten. Wenn wir ein Wild dort fänden! Wir haben nichts zu essen.«

      »Jagen dürfen wir leider dort nicht, denn wir müssen uns sehr hüten, sie ein Zeichen unserer Anwesenheit finden zu lassen. Aber – – – schau, da ist uns ja gleich geholfen!«

      Kaum hatte Perkins den Wunsch nach einem Wilde ausgesprochen, so sprangen zwei Prairiehasen vor uns auf. Ich nahm schnell den Henrystutzen vom Rücken und schoß sie nieder.

      »Allah!« rief Dschafar aus. »Was für ein Schütze seid Ihr! Ich sehe, daß Perkins mir vorhin doch die Wahrheit gesagt hat, als er mir von Old Shatterhand erzählte.«

      Diese kindliche Bewunderung nötigte mir ein fröhliches Lachen ab. Ich nahm die Hasen auf, hing sie mir an den Gürtel, und dann ging es weiter.

      Die zwei Schüsse schienen die Aufmerksamkeit Dschafars auf meine beiden Gewehre gelenkt zu haben. Er betrachtete sie wiederholt in einer Weise, welche auf ein ungewöhnliches Interesse schließen ließ, und endlich gab er diesem Interesse Ausdruck, indem er mich fragte:

      »Sir, hat dieses schwere Gewehr hier einen besonderen Namen?«

      »Ja.«

      »Welchen?«

      »Man nennt es einen Bärentöter.«

      »Allah! Sonderbar! Diesen Namen habe ich schon gehört, aber in arabischer Sprache. Giebt es mehr solche Gewehre?«

      »Ja, wenn auch nicht so alt und so schwer wie gerade dieses.«

      »Wievielmal könnt Ihr wohl mit dem kleineren schießen?« »Fünfundzwanzigmal.«

      »Allah! Auch das stimmt. Wie heißt es?«

      »Es ist ein Henrystutzen.«

      »Auch diesen Namen habe ich arabisch gehört. Ist es nicht ein außerordentlicher Zufall, daß Ihr grad zwei Gewehre der Arten besitzet, wie die waren, von denen man mir erzählte?«

      »Wo habt Ihr von ihnen gehört?«

      »Am Tigris.«

      »Am Tigris? Allerdings höchst sonderbar!«

      »Kennt Ihr diesen Fluß?«

      »Jawohl. Jedes Schulkind kennt ihn vom geographischen Unterrichte her. So seid Ihr also wohl dort gewesen, Mr. Dschafar?«

      »Ja.«

      »Wann?«

      »Vor zwei Jahren. Ich bin nämlich ein Perser, müßt Ihr wissen, und werde in der Heimat Mirza Dschafar genannt. Ihr werdet wohl nicht darüber unterrichtet sein, was das bedeutet?«

      »Doch.«

      »Nun, was?«

      »Mirza ist, dem Namen vorangesetzt, der Titel eines Gelehrten; steht das Wort aber dem Namen nach, so bedeutet es einen Prinzen von Geblüt.«

      »Wahrhaftig, Ihr wißt es! Also ich werde Mirza Dschafar genannt und reiste über Bagdad nach Konstantinopel. Diese Reise ging am Ufer des Tigris nach Mossul, und unterwegs war ich Gast beim Stamme der Hadeddihn, bei denen ich von den Gewehren hörte.«

      »Sollte es dort auch Henrystutzen und Bärentöter geben?« fragte ich, außerordentlich gespannt, ohne dies aber merken zu lassen.

      »Nein. Sie gehörten einem Fremden.«

      »Wer mag der gewesen sein?«

      »Er hieß Emir Kara Ben Nemsi Effendi.«

      »Das ist doch ein arabischer Name; also war dieser Mann doch wohl kein Fremder!«

      »Doch! Wenn Ihr arabisch verständet, so würdet Ihr wissen, daß Nemsi ein Deutscher ist. Der Scheik der Hadeddihn erzählte mir von ihm und von seinen Gewehren.«

      »Wie hieß dieser Scheik?«

      »Er war ein kleines, aber höchst tapferes und kluges Männchen und hieß Hadschi Halef Omar Ben Hadschi Abul Abbas Ibn Hadschi Dawud al Gossarah.«

      »Welch ein Name! Fast länger als eine Riesenschlange!«

      »Ja, in Euern Ohren klingt das wohl lächerlich, aber im Orient ist es Sitte, daß man dem eigenen Namen diejenigen der Ahnen nachfolgen läßt. Dadurch ehrt der Mann sich und seine Vorfahren zugleich. Uebrigens durfte dieser Hadschi Halef Omar gar wohl einen so langen Namen tragen, denn er war ein sehr berühmter Mann, der von vielen Heldenthaten erzählen konnte. Er hatte den Löwen und den schwarzen Panther gejagt und mit vielen Feinden gekämpft, die er alle besiegte.«

      Es versteht sich ganz von selbst, daß ich mich ganz außerordentlich freute, hier, was übrigens kaum glaublich war, etwas von meinem kleinen Hadschi Halef zu hören.


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