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Vom Menschenrätsel. Rudolf SteinerЧитать онлайн книгу.

Vom Menschenrätsel - Rudolf Steiner


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bei Fichte als den Beweis für eine dem unmittelbaren kraftvollen Erdenleben abgewandte, lebensfeindliche Gedankenrichtung anzusehen, wenn man seine ganze Art, sich zu diesem Leben zu stellen, und die lebensfreundliche, lebensfördernde Gesinnung, die all sein Wirken und Denken durchdringt, ins Auge fasst. In einem Briefe aus dem Jahre 1790 steht ein Satz, der gerade mit Bezug auf seinen Unsterblichkeitsgedanken auf diese Gesinnung bedeutungsvolles Licht wirft: »Das sicherste Mittel, sich von einem Leben nach dem Tode zu überzeugen, ist das, sein gegenwärtiges so zu führen, dass man es wünschen darf.«

      In der sich selbst erweckenden inneren Tätigkeit der Menschenseele liegt für Fichte die Kraft der Selbsterkenntnis. Und innerhalb dieser Tätigkeit findet er in der Seele auch die Stelle, wo Weltengeist im Seelengeist sich offenbart. Es webt und wirkt durch alles Sein für diese Weltanschauung der Weltenwille; und im Wollen des eigenen Wesens kann die Seele in sich diesen Weltenwillen darlegen. Das Ergreifen der Lebenspflichten, die in der Seele anders erlebt werden als die Wahrnehmungen der Sinne und der Gedanken, sind das nächste Beispiel dafür, wie der Weltenwille durch die Seele hindurchpulsiert.

      So muss ergriffen werden die wahre Wirklichkeit; und alle andere Wirklichkeit, auch die des Denkens, erhält ihre Gewissheit durch das Licht, das auf sie von der Wirklichkeit des in der Seele sich offenbarenden Weltwillens fällt. Dieser Weltenwille treibt den Menschen zur Tätigkeit, zum Handeln. Als Sinneswesen muss der Mensch das, was der Weltenwille von ihm verlangt, in einer sinnlichen Weise verwirklichen. Wie aber könnten die Taten des Willens ein wirkliches Dasein haben, wenn sie dieses Dasein in einer Traumwelt suchen müssten. Nein, die Welt kann kein Traum sein, weil in ihr die Taten des Willens nicht bloß geträumt, sondern verwirklicht sein müssen.

      Indem das Ich sich im Erleben des Weltwillens erweckt, erlangt es die feste Stütze der Gewissheit seines Seins. Fichte spricht sich darüber in seiner »Bestimmung des Menschen« aus: »Mein Wille soll schlechthin durch sich selbst, ohne alles seinen Ausdruck schwächende Werkzeug, in einer ihm völlig gleichartigen Sphäre, als Vernunft auf Vernunft, als Geistiges auf Geistiges wirken; – in einer Sphäre, der er jedoch das Gesetz des Lebens, der Tätigkeit, des Fortlaufens nicht gebe, sondern die es in sich selbst habe; also auf selbsttätige Vernunft. Aber selbsttätige Vernunft ist Wille. Das Gesetz der übersinnlichen Welt wäre sonach ein Wille ... Jener erhabene Wille geht sonach nicht abgesondert von der übrigen Vernunftwelt seinen Weg für sich. Es ist zwischen ihm und allen endlichen vernünftigen Wesen ein geistiges Band, und er selbst ist dieses geistige Band der Vernunftwelt ... Ich verhülle vor dir mein Angesicht und lege die Hand auf den Mund. Wie du für dich selbst bist und dir selbst erscheinest, kann ich nie einsehen, so gewiss ich nie du selbst werden kann. Nach tausendmal tausend durchlebten Geisterwelten werde ich dich noch ebensowenig begreifen als jetzt, in dieser Hütte von Erde.

      Was ich begreife, wird durch mein bloßes Begreifen zum Endlichen; und dieses lässt auch durch unendliche Steigerung und Erhöhung sich nie ins Unendliche umwandeln. Du bist vom Endlichen nicht dem Grade, sondern der Art nach verschieden. Sie machen dich durch jene Steigerung nur zu einem größeren Menschen, und immer zu einem größeren; nie aber zum Gotte, zum Unendlichen, der keines Maßes fähig ist.«

      Eine Weltanschauung erstrebte Fichte, die alles Sein bis zur Wurzel des Lebendigen verfolgt, und die in dem Lebendigen dessen Sinn erkennt durch das Zusammenleben der Menschenseele mit dem alles durchpulsenden Weltwillen, der die Natur schafft, um in ihr eine geistig moralische Ordnung wie in einem äußeren Leibe zu verwirklichen. Eine solche Weltanschauung war ihm die aus dem Charakter des deutschen Volkes entspringende. Ihm war eine Weltanschauung undeutsch, die nicht »an Geistigkeit und Freiheit dieser Geistigkeit glaubt«, und die nicht »die ewige Fortbildung dieser Geistigkeit und Freiheit will«.

      »Was an Stillstand, Rückgang und Zirkeltanz glaubt oder gar eine tote Natur an das Ruder der Weltregierung setzt«, widerstrebt für seine Anschauung nicht nur einer tiefer dringenden Erkenntnis, sondern auch der wahrhaft deutschen Wesensart.

      Der Idealismus als Natur- und Geistesanschauung: Friedrich Wilhelm Joseph Schelling

      Friedrich Wilhelm Joseph Schelling steht im Beginne seines Suchens nach einer Weltanschauung Fichte insofern nahe, als auch ihm die Vorstellung von der Seele, die sich in der Tätigkeit des Selbsterweckens als in der Gewissheit ihres Daseins ergreift, zur sicheren Stütze seiner Erkenntnis wird.

      Doch strahlen von dieser Grundempfindung in Schellings Geist andere Gedanken aus als in dem Fichtes.

      Für diesen leuchtet in die erwachende Seele der umfassende Weltenwille als ein geistiges Lichtreich hinein; und er will die Strahlen dieses Lichtes in ihrem Wesen erkennen. Für Schelling formt sich das Welträtsel dadurch, dass er sich mit der zum »Ich« erwachten Seele der scheinbar stummen, toten Natur gegenübergestellt sieht. Aus dieser Natur heraus erwacht die Seele. Dies offenbart sich der menschlichen Beobachtung. Und in diese Natur versenkt sich der erkennende, der fühlende Menschengeist und erfüllt sich durch sie mit einer inneren Welt, die dann in ihm geistiges Leben wird. Könnte dies so sein, wenn nicht eine dem Menschenerkennen zunächst verborgene tiefinnere Verwandtschaft bestände zwischen der Seele und der Natur? Aber die Natur bleibt stumm, wenn die Seele sich nicht zu ihrem Sprachwerkzeug macht; sie scheint tot, wenn der Geist des Menschen nicht aus dem Schein das Leben entzaubert. Aus den Tiefen der Menschenseele müssen die Geheimnisse der Natur herauftönen. Soll dies aber nicht eine Täuschung sein, so muss es das Wesen der Natur selbst sein, das aus der Seele spricht. Und wahr muss sein, dass die Seele nur scheinbar in ihre eigenen Untergründe hinabsteigt, wenn sie die Natur erkennt; in Wirklichkeit muss sie durch unterbewusste Gänge wandeln, um in den Kreislauf des Naturwebens mit dem eigenen Leben unterzutauchen, wenn sie die Natur finden will.

      Schelling sieht in der Natur, wie diese dem gewöhnlichen menschlichen Bewusstsein vorliegt, gewissermaßen nur einen physiognomischen Ausdruck der wahren Natur, wie man in einem menschlichen Antlitz den Ausdruck der übersinnlichen Seele sieht. Und wie man durch diesen physiognomischen Ausdruck hindurch sich in die Seele des Menschen einlebt, wenn man imstande ist, in das eigene Erleben das fremde aufzunehmen, so gibt es für Schelling eine Möglichkeit, die Erkenntnisfähigkeiten des Menschen so zu erwecken, dass diese in sich miterleben, was seelenhaft und geistig hinter dem äußeren Antlitz der Natur webt und wirkt. Weder also kann die Wissenschaft dieses äußeren Antlitzes für eine Offenbarung dessen gehalten werden, was in den Tiefen der Natur lebt; noch ist die in solcher Wissenschaft sich erschöpfende Erkenntniskraft des Menschen in der Lage, der Natur ihre wahren Geheimnisse zu entbinden. Schelling will daher eine hinter der gewöhnlichen menschlichen Erkenntniskraft liegende intellektuelle Anschauung in der Menschenseele zur Erweckung bringen. Diese Anschauungsart offenbart sich – in Schellings Sinne – als schöpferische Kraft im Menschen; aber so, dass sie nicht aus der Seele heraus Begriffe über die Natur schafft, sondern durch inniges Zusammenleben mit dem Seelenhaften der Natur die Ideenkräfte zur Erscheinung bringt, die in der Natur schaffend walten. Ängstliche Gemüter erbeben bei dem Gedanken einer Naturanschauung, die aus einer solchen »intellektuellen Anschauung« stammen soll. Und der Spott und Hohn, der über sie ergossen worden ist in der Zeit, die auf die Schellingsche folgte, waren groß. Für einen Menschen, der Einseitigkeit in diesen Dingen zu meiden versteht, gibt es gar nicht die zwiespältige Notwendigkeit: entweder sich den »Träumereien der Naturphantastik von der Art eines Schelling« hinzugeben und die sachgemäße, ernste Naturforschung des »groben Materialismus« anzuklagen; oder sich besonnen auf den Standpunkt dieser Forschung zu stellen und alle »Schellingsche Begriffsspielerei als Kinderei abzutun«.

      Man kann in rückhaltloser Art mit unter denen sein, welche der Naturforschung, wie sie das neueste »naturwissenschaftliche Zeitalter« fordert, die volle Geltung verschaffen wollen; und kann dennoch das Berechtigte des Schellingschen Versuches verstehen, über diese Naturforschung hinaus eine Naturanschauung zu schaffen, die auf dasjenige Feld sich begibt, welches diese Naturforschung gar nicht wird berühren wollen, wenn sie sich selbst richtig versteht. Unberechtigt ist nur der Glaube, dass es neben der mit den gewöhnlichen menschlichen Erkenntniskräften zu schaffenden Naturwissenschaft nicht eine Naturanschauung geben dürfe, die mit anderen Mitteln erlangt wird, als dieser Naturwissenschaft als solcher eigen sind. Warum sollte der Naturforscher glauben müssen, dass sein Feld nur ungefährdet ist, wenn neben ihm jeder


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