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Old Surehand I. Karl MayЧитать онлайн книгу.

Old Surehand I - Karl May


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mir Old Surehand, daß die Wachen alle drei Stunden gewechselt worden waren. Diese Ablösung geschah schwimmend; daher jetzt die beiden triefenden Gestalten, welche grad in diesem für mich so außerordentlich ungünstigen Augenblicke kamen, um an die Stelle der zwei Betäubten zu treten. Meine Überraschung währte nur einen Augenblick; im zweiten hatte ich den mir am nächsten stehenden Roten mit der linken Hand bei der Kehle und schmetterte ihn mit der rechten Faust zu Boden. Dann wollte ich den andern packen, kam aber nicht dazu, denn er sprang mit einem schrillen Hilferufe von der Insel in das Wasser und schwamm, immer brüllend, dem Lager zu.

      Da war keine Zeit zu verlieren. Ich sprang zu Old Surehand und schnitt die Arm- und Fußfesseln durch. Er war außerdem noch mit zwei Riemen an zwei in die Erde gerammte Pfähle gebunden; auch die durchschnitt ich.

      »Könnt Ihr Euch bewegen, Sir?« fragte ich, indem er aufstand. »Sagt es, schnell, schnell!«

      Ich sah diesen Mann jetzt zum ersten Male, hatte aber keine Zeit, ihn zu betrachten. Er streckte seine mächtigen Glieder, bückte sich, um einem der Betäubten das Messer zu nehmen, und antwortete so ruhig, als ob nun für ihn gar nichts zu fürchten sei:

      »Ich kann alles, was Ihr wollt, Sir.«

      »Auch schwimmen?«

      »Ja. Wohin?«

      »Da, grad hinüber werden wir von Weißen erwartet.«

      »So kommt! Es ist hohe Zeit. In weniger als einer Minute haben wir die Roten hier.«

      Er hatte recht. Die alarmirten Comantschen vollführten einen wahren Teufelslärm. Das war ein geradezu ohrenzerreißendes Schreien, Heulen, Rufen und Brüllen! Wir konnten sie nicht sehen; aber wir hörten am klatschenden Aufspritzen des Wassers, daß sie sich in den See stürzten, um nach der Insel zu schwimmen. Wir mußten fort. Wo aber war Old Wabble?

      »Mr. Cutter, Mr. Cutter!« überbrüllte ich beinahe den Höllenlärm. »Mr. Cutter, seid Ihr hier?«

      Old Surehand war an das Ufer gesprungen, um nach dem Lager hinüberzublicken. Er drehte sich zu mir um und fragte, nicht mehr ruhig, sondern hastig:

      »Mr. Cutter? Solltet Ihr Old Wabble meinen?«

      »Ja. Er schwamm mit nach der Insel, um Euch zu retten, ist aber nicht zu sehen.«

      »Sind noch mehr Weiße da?«

      »Nein.«

      »So denkt nicht an ihn! Ich kenne den Alten; der hat seine eigene Art und Weise.«

      »Aber er ist verloren!«

      »Denkt das nicht, Sir! Den bringt kein Satan um; er befindet sich in größerer Sicherheit als wir. Laßt ihn, und kommt fort! Die Roten sind alle, alle im Wasser; die ersten sind beinahe da. Vorwärts, schnell, schnell!«

      Er ergriff meinen Arm und zog mich fort. Vom Rande der Insel aus konnte ich mir seine Eile erklären. Das Wasser zwischen ihr und dem Lagerplatze wimmelte förmlich von roten Köpfen, deren Mäuler brüllend offen standen. Einer der Schwimmer, der allen voran war, hatte nur noch zehn oder zwölf Stöße zu thun, um die Insel zu erreichen. Ich durfte nicht an Old Wabble, sondern ich mußte an mich selbst und Old Surehand denken.

      »Ja, fort ins Wasser,« antwortete ich darum. »Folgt mir, so schnell Ihr könnt!«

      Wir sprangen hinein und griffen langsam aber kräftig aus, wie ein guter Schwimmer thut, der nicht ermüden will. Das Geheul der Indianer verdoppelte sich, es war ganz entsetzlich. Sie hatten uns gesehen und strengten sich an, uns einzuholen.

      Um mich hatte ich keine Sorge; mich erwischte gewiß keiner; aber Old Surehand! So ein Westmann wie er, schwamm gewiß vortrefflich; aber die Gefangenschaft hatte ihn angegriffen, und wie indianische Fesseln die Hände und Füße für größere Anstrengungen untauglich machen, das wußte ich am besten. Indem ich neben ihm herschwamm, beobachtete ich ihn. Er schwamm kaltblütig und mit jenem Doppelstoße, der die Arbeit gleichmäßig auf Arme und Beine verteilt. Das beruhigte mich anfänglich. Bald aber bemerkte ich, daß seine Bewegungen an Stetigkeit verloren.

      »Greift es Euch an, Sir?« fragte ich.

      »Nein,« antwortete er; »aber ich habe kein Gefühl in den Händen und Füßen; sie sind wie taub.«

      »Daran sind die Fesseln schuld. Werdet Ihr es aushalten bis an das jenseitige Ufer?«

      »Ich hoffe es. Unter gewöhnlichen Verhältnissen würde mich kein Indsman einholen; aber wenn man so lange Zeit mit zusammengeschnürten Gliedern, daß das Blut stehen bleibt, gelegen hat, dann läßt sich nichts mehr behaupten.«

      Nach einiger Zeit fühlte er ein Zerren in den Armmuskeln. Ich kannte dieses für einen Menschen, der um sein Leben zu schwimmen hat, höchst gefährliche Symptom und forderte ihn auf-

      »Legt Euch auf den Rücken und schwimmt nur mit den Füßen; da ruhen die Arme aus!«

      Er folgte diesem Rate, und unsre bisherige Schnelligkeit verminderte sich bedeutend. Ich schwamm nun auch auf dem Rücken, um unsre Verfolger zu sehen. Sie waren noch alle, doch in den verschiedensten Abständen, hinter uns. Der ganze rückwärts liegende Teil des Sees war so von schwimmenden Indianern belebt, daß höchst wahrscheinlich alle Comantschen in das Wasser gegangen waren; viele waren auf keinen Fall zurückgeblieben. Einer war uns auf ungefähr hundert Schritte nahe. Old Surehand sah ihn auch und sagte:

      »Wir müssen schneller machen; so geht es zu langsam; ich werde es wieder von vorn versuchen.«

      Er that es, machte mir aber bald das Geständnis:

      »Mir schlafen die Arme ein, Sir. Macht weiter fort, und laßt mich zurück!«

      »Old Surehand verlassen? Fällt mir nicht ein! Legt Euch quer über mich; ich trage Euch!«

      »Ich bin zu schwer!«

      »Für mich nicht.«

      »Aber dann geht es zu langsam, und die Roten holen Euch ein!«

      »Wollen es abwarten. Also bitte!«

      Er folgte meinem Wunsche nur nach mehrmaliger Wiederholung desselben. Er war freilich nicht leicht; aber es ging. Dennoch kam uns der eine Indianer immer näher. Er schien bisher nur gespielt zu haben und stieß sich jetzt mit einer Kraft, Geschmeidigkeit und Ausdauer vorwärts, daß ich einsah, er werde uns einholen. Er war aber der einzige; die andern blieben immer weiter zurück. Bei dem Dunkel des Abends wäre er nur schwer zu sehen gewesen, wenn die Lagerfeuer drüben nicht gebrannt hätten, Zwar konnte ihr Schein weder ihn noch uns erreichen, aber sie bildeten in dieser Entfernung Lichter, welche er von Zeit zu Zeit verdeckte. Er mußte ausgezeichnete Augen haben, daß er uns auf der weiten Fläche nicht verlor.

      Als wir ungefähr drei Viertel des Weges hinter uns hatten, war er höchstens noch dreißig Schritte von uns entfernt und stieß einen schrillen Schlachtruf aus.

      »Er holt uns ein!« sprach Old Surehand. »Daran bin ich schuld. Ihr seid ein Schwimmer, wie ich noch keinen gesehen habe, aber im Wasser ein Gewicht von zwei Zentnern zu tragen, das hält den stärksten Riesen auf.«

      »Pshaw! Das Wasser trägt Euch doch mit, und den einen Roten da fürchte ich nicht.«

      »Ich auch nicht. Wenn er herankommt, ist er verloren; ich habe ein Messer, und in meinen Armen ist wieder Gefühl.«

      »Überlaßt ihn mir! Ich bin nicht gefesselt gewesen.«

      »Wollt Ihr ihn erstechen? Ich liebe es nämlich nicht, Blut zu vergießen, wenn es nicht absolut nötig ist.«

      »Ganz meine Meinung. Ich gebe ihm einen Hieb vor den Kopf und nehme ihn mit an das Ufer.«

      »Sir, das bringt nur ein Jäger fertig, welcher Old Shatterhand heißt. Ich habe doch gewiß auch Muskeln und Sehnen, aber ich muß mehrmals schlagen, wenn ich jemand betäuben will.«

      »Die Kraft thut es nicht allein; es ist ein Vorteil dabei. Werdet Ihr wieder schwimmen können?«

      »Ja; laßt mich herab; es geht wahrscheinlich wieder.«


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