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Der Scout. Karl MayЧитать онлайн книгу.

Der Scout - Karl May


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eben als er am Ende derselben um die Ecke bog. Vorher aber drehte er sich abermals um, zog den Hut und schwenkte denselben gegen mich. Das ärgerte mich natürlich, und ich fiel, ohne zu fragen, ob die Passanten über mich lachen würden, in scharfen Trab. Kein Polizist war zu sehen. Privatpersonen um Hilfe zu bitten, wäre vergeblich gewesen; es hätte mir Keiner beigestanden.

      Als ich die Ecke erreichte, befand ich mich auf einem kleinen Platze. Mir zu beiden Seiten standen geschlossene Reihen kleiner Häuser; gegenüber erblickte ich Villen in prächtigen Gärten. Menschen gab es genug auf dem Platze; aber Gibson bemerkte ich nicht. Er war verschwunden.

      An der Thüre eines Barbierladens lehnte ein Schwarzer. Er schien schon lange dagestanden zu haben; der Flüchtige mußte ihm unbedingt aufgefallen sein. Ich trat zu ihm, zog höflich den Hut und fragte ihn, ob er nicht einen weißen Gentleman flüchtig aus der Gasse habe kommen sehen. Er fletschte mir seine langen, gelben Zähne lachend entgegen und antwortete:

      »Yes, Sir! Habe ihn schon. Lief sehr schnell, sehr. Ist da hinein.«

      Er deutete nach einer der kleinen Villen. Ich dankte ihm und beeilte mich, das Häuschen zu erreichen. Die eiserne Pforte des Gartens, in welchem es stand, war verschlossen, und ich klingelte wohl fünf Minuten lang, bevor mir ein Mann, wieder ein Neger, öffnete. Ihm trug ich mein Anliegen vor; er schlug indessen die Thüre vor meiner Nase zu und meinte:

      »Erst Massa fragen. Ohne Erlaubniß von Massa ich nicht aufmachen.«

      Er ging, und ich stand wenigstens zehn Minuten lang wie auf Kohlen. Endlich kehrte er mit dem Bescheide zurück:

      »Nicht aufmachen darf. Massa verboten. Kein Mann heut hereingekommen. Thüre zugeschlossen stets. Ihr also schnell fortgehen, denn wenn etwa über Zaun springen, dann Massa sein Hausrecht brauchen und mit Revolver schießen.«

      Da stand ich nun! Was sollte ich thun? Mit Gewalt eindringen durfte ich nicht; ich war überzeugt, daß in diesem Falle der Besitzer wirklich auf mich geschossen hätte; denn der Amerikaner versteht in Beziehung auf sein Heim keinen Spaß. Es blieb mir nichts Anderes übrig, als zur Polizei zu gehen.

      Als ich höchst ergrimmt über den Platz zurückschritt, kam ein Junge auf mich zugelaufen. Er hatte einen Zettel in der Hand.

      »Sir, Sir!« rief er. »Wartet einmal! Ihr sollt mir zehn Cents für diesen Zettel geben.«

      »Von wem ist er denn?«

      »Von einem Gentleman, welcher eben da drüben« – er deutete nicht nach der Villa, sondern in grad entgegengesetzte Richtung – »aus dem Hause kam. Er zeigte mir Euch und schrieb mir die Zeilen auf. Zehn Cents, so bekommt Ihr sie!«

      Ich gab ihm das Geld und erhielt den Zettel. Der Junge sprang von dannen. Auf dem verwünschten Papiere, welches aus einem Notizbuche gerissen war, stand:

      »Mein werder Master Dutchman.

      Seid Ihr etwa meinetwegen nach New-Orleans gekommen? Ich vermuthe das, weil Ihr mir folgt. Ich habe Euch für albern gehalten; für so dumm, mich fangen zu wollen, aber doch nicht. Wer nicht mehr als nur ein halbes Loth Gehirn besitzt, der darf sich so Etwas nicht unterfangen. Kehrt getrost nach New-York zurück, und grüßt Master Ohlert von mir. Ich habe dafür gesorgt, daß er mich nicht vergißt, und hoffe, daß auch Ihr zuweilen an unsere heutige Begegnung denkt, welche freilich nicht sehr ruhmvoll für Euch abgelaufen ist. Ihr werdet ein Greenhorn bleiben, so lange Ihr lebt!

      Gibson.«

      Man kann sich denken, welches Entzücken ich empfand, als ich diese liebenswürdige Epistel las. Ich knillte den Zettel zusammen, steckte ihn in die Tasche und ging weiter. Es war möglich, daß ich von ihm heimlich beobachtet wurde, und ich wollte dem Menschen nicht die Genugthuung bereiten, mich in Verlegenheit zu sehen.

      Dabei blickte ich forschend über den Platz. Gibson war nicht zu sehen. Der Neger war vom Barbierladen verschwunden; den Jungen konnte ich ebenfalls nicht entdecken und ihn nach Gibson fragen. Er hatte jedenfalls die Weisung erhalten, sich schnell davon zu machen.

      Wieder war ich ein Greenhorn genannt worden! Schwarz auf Weiß sogar! Während ich wegen des Einlasses in die Villa capitulirte, hatte Gibson Zeit gefunden, mir in aller Gemüthlichkeit einen Brief von dreiundzwanzig Zeilen zu schreiben. Der Neger hatte mich genarrt; Gibson lachte mich ohne Zweifel aus, und der Junge hatte eine Miene gemacht, aus welcher ich ersehen mußte, daß er wußte, ich sei Einer, der geprellt werden solle.

      Ich befand mich in einer geradezu katzenjämmerlichen Stimmung, denn ich war blamirt, und durfte nicht einmal auf der Polizei erwähnen, daß ich Gibson begegnet sei. Man hätte mich eben auch – wenn auch nicht in das Gesicht – ein Greenhorn genannt und sich heimlich über mich lustig gemacht. Ich ging also sehr still davon und befand mich ungefähr in der Stimmung eines Menschen, welcher geprahlt hatte, ein ausgezeichneter Segler zu sein, sich aber vom ersten Luftzuge das Boot hat umwerfen lassen.

      Ohne den freien Platz wieder zu betreten, durchsuchte ich die in denselben einmündenden Gassen, natürlich ohne den blassen Schimmer eines Erfolges. Ein erfahrenerer und pfiffigerer Mann, als ich es war, wäre gar nicht auf den Gedanken gekommen, dies zu thun, denn es verstand sich ja ganz von selbst, daß Gibson ein für ihn so gefährliches Stadtviertel schleunigst verlassen hatte. Es war sogar zu vermuthen, daß er die erste Gelegenheit, aus New-Orleans zu kommen, benutzen werde.

      Auf letzteren Gedanken kam ich trotz meines nur »ein halbes Loth« wiegenden Gehirnes und begab mich in Folge dessen nach dem Platze, an welchem die an jenem Tage abgehenden Schiffe lagen. Zwei in Civil gekleidete Polizisten unterstützten mich – – auch vergeblich. Der Aerger, so übertölpelt worden zu sein, ließ mich nicht ruhen, und ich durchwanderte, in alle möglichen Restaurants und Tavernen blickend, bis in die späte Nacht hinein die Straßen. Dann, als ich mich gar zu ermüdet fühlte, ging ich nach meinem Lodging-House und legte mich nieder.

      Der Traum versetzte mich in ein Irrenhaus. Hunderte von Wahnsinnigen, welche sich für Dichter hielten und ausgaben, streckten mir ihre dickleibigen Manuscripte entgegen, welche ich durchlesen sollte. Natürlich waren es lauter Tragödien, welche einen verrückten Dichter zum Haupthelden hatten. Ich mußte lesen und lesen, denn Gibson stand mit dem Revolver neben mir und drohte, mich sofort zu erschießen, wenn ich nur einen Augenblick pausire. Ich las und las, daß mir der Schweiß von der Stirne lief. Um denselben abzutrocknen, zog ich mein Taschentuch, hielt eine Sekunde lang inne und – wurde von Gibson erschossen!

      Das Krachen des Schusses weckte mich, denn es war nicht ein vermeintliches, sondern ein wirkliches Krachen gewesen. Ich hatte mich vor Aufregung im Bette hin und her geworfen und in der Absicht, Gibson den Revolver aus der Hand zu schmettern, die Lampe von dem Kammerdiener, einem kleinen, hart am Bette stehenden Tischchen, geschlagen. Sie wurde mir am Morgen mit nur acht Dollars angerechnet. Das kommt davon, wenn man einen Spitzbuben fangen will und kein Geschick dazu hat!

      Vollständig in Schweiß gebadet, erwachte ich. Ich trank meinen Thee und fuhr dann hinaus nach dem herrlichen See Pontchartrain, wo ich ein Bad nahm, welches mich erfrischte und auch meine moralische Constitution zu stärken schien. Dann begab ich mich von Neuem auf die Suche. Dabei kam ich wieder an die deutsche Bierstube, in welcher ich gestern Old Death getroffen hatte. Ich ging hinein, und zwar ohne alle Ahnung, hier eine Spur finden zu können. Das Local war in diesem Augenblicke nicht so gefüllt, wie am vergangenen Tage. Gestern war keine Zeitung zu bekommen gewesen; heut lagen mehrere Blätter unbenutzt auf dem Tische, und ich ergriff das erste, beste, eine deutsche Zeitung, die bereits damals in New-Orleans erscheinende »Deutsche Zeitung«, welche noch heute existirt, wenn sie auch wahrscheinlich inzwischen nach amerikanischem Muster den Verleger und Redacteur viele Male gewechselt hat.

      Ohne die Absicht, das Blatt wirklich durchzustudiren, schlug ich es auf, und das erste, was mir auffiel, war ein Gedicht. Gedichte lese ich bei der Durchsicht einer Zeitung entweder zuletzt oder lieber gar nicht. Die Ueberschrift glich der Kapitelüberschrift eines Schauerromans. Das stieß mich ab. Sie lautete: »Die fürchterlichste Nacht«. Schon wollte ich die Seite umwenden, als mein Auge auf die beiden Buchstaben fiel, mit denen das Gedicht unterzeichnet war: »W.O.« Das waren ja die Anfangsbuchstaben des Namens William Ohlert! Der Name hatte mir so lange Zeit und so unausgesetzt


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