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Hauptwerke: Menschliches – Allzumenschliches, Also sprach Zarathustra, Jenseits von Gut und Böse. Friedrich NietzscheЧитать онлайн книгу.

Hauptwerke: Menschliches – Allzumenschliches, Also sprach Zarathustra, Jenseits von Gut und Böse - Friedrich Nietzsche


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Zusammenspiel der Absichten wäre Luther verbrannt worden wie Huss – und die Morgenröthe der Aufklärung vielleicht etwas früher und mit schönerem Glanze, als wir jetzt ahnen können, aufgegangen.

      238. Gerechtigkeit gegen den werdenden Gott. – Wenn sich die ganze Geschichte der Cultur vor den Blicken aufthut als ein Gewirr von bösen und edlen, wahren und falschen Vorstellungen und es Einem beim Anblick dieses Wellenschlags fast seekrank zu Muthe wird, so begreift man, was für ein Trost in der Vorstellung eines werdenden Gottes liegt: dieser enthüllt sich immer mehr in den Verwandelungen und Schicksalen der Menschheit, es ist nicht Alles blinde Mechanik, sinn- und zweckloses Durcheinanderspielen von Kräften. Die Vergottung des Werdens ist ein metaphysischer Ausblick – gleichsam von einem Leuchtthurm am Meere der Geschichte herab –, an welchem eine allzuviel historisirende Gelehrtengeneration ihren Trost fand; darüber darf man nicht böse werden, so irrthümlich jene Vorstellung auch sein mag. Nur wer, wie Schopenhauer, die Entwickelung leugnet, fühlt auch Nichts von dem Elend dieses historischen Wellenschlags und darf desshalb, weil er von jenem werdenden Gotte und dem Bedürfniss seiner Annahme Nichts weiss, Nichts fühlt, billigerweise seinen Spott auslassen.

      239. Die Früchte nach der Jahreszeit. – Jede bessere Zukunft, welche man der Menschheit anwünscht, ist nothwendigerweise auch in manchem Betracht eine schlechtere Zukunft: denn es ist Schwärmerei, zu glauben, dass eine höhere neue Stufe der Menschheit alle die Vorzüge früherer Stufen in sich vereinigen werde und zum Beispiel auch die höchste Gestaltung der Kunst erzeugen müsse. Vielmehr hat jede Jahreszeit ihre Vorzüge und Reize für sich und schliesst die der anderen aus. Das, was aus der Religion und in ihrer Nachbarschaft gewachsen ist, kann nicht wieder wachsen, wenn diese zerstört ist; höchstens können verirrte, spät kommende Absenker zur Täuschung darüber verleiten, ebenso wie die zeitweilig ausbrechende Erinnerung an die alte Kunst: ein Zustand, der wohl das Gefühl des Verlustes, der Entbehrung verräth, aber kein Beweis für die Kraft ist, aus der eine neue Kunst geboren werden könnte.

      240. Zunehmende Severität der Welt. – je höher die Cultur eines Menschen steigt, um so mehr Gebiete entziehen sich dem Scherz, dem Spotte. Voltaire war für die Erfindung der Ehe und der Kirche von Herzen dem Himmel dankbar: als welcher damit so gut für unsere Aufheiterung gesorgt habe. Aber er und seine Zeit, und vor ihm das sechszehnte Jahrhundert, haben diese Themen zu Ende gespottet; es ist Alles, was jetzt Einer auf diesem Gebiete noch witzelt, verspätet und vor Allem gar zu wohlfeil, als dass es die Käufer begehrlich machen könnte. Jetzt fragt man nach den Ursachen; es ist das Zeitalter des Ernstes. Wem liegt jetzt noch daran, die Differenzen zwischen Wirklichkeit und anspruchsvollem Schein, zwischen dem, was der Mensch ist und was er vorstellen will, in scherzhaftem Lichte zu sehen; das Gefühl dieser Contraste wirkt alsbald ganz anders, wenn man nach den Gründen sucht. Je gründlicher Jemand das Leben versteht, desto weniger wird er spottet, nur dass er zuletzt vielleicht noch über die "Gründlichkeit seines Verstehens" spottet.

      241. Genius der Cultur. – Wenn jemand einen Genius der Cultur imaginiren wollte, wie würde dieser beschaffen sein? Er handhabt die Lüge, die Gewalt, den rücksichtslosesten Eigennutz so sicher als seine Werkzeuge, dass er nur ein böses dämonisches Wesen zu nennen wäre; aber seine Ziele, welche hie und da durchleuchten, sind gross und gut. Es ist ein Centaur, halb Thier, halb Mensch und hat noch Engelsflügel dazu am Haupte.

      242. Wunder-Erziehung. – Das Interesse in der Erziehung wird erst von dem Augenblick an grosse Stärke bekommen, wo man den Glauben an einen Gott und seine Fürsorge aufgiebt: ebenso wie die Heilkunst erst erblühen konnte, als der Glaube an Wunder-Curen aufhörte. Bis jetzt glaubt aber alle Welt noch an die Wunder-Erziehung: aus der grössten Unordnung, Verworrenheit der Ziele, Ungunst der Verhältnisse sah man ja die fruchtbarsten, mächtigsten Menschen erwachsen: wie konnte diess doch mit rechten Dingen zugehen? – jetzt wird man, bald auch in diesen Fällen, näher zusehen, sorgsamer prüfen: Wunder wird man dabei niemals entdecken. Unter gleichen Verhältnissen gehen fortwährend zahlreiche Menschen zu Grunde, das einzelne gerettete Individuum ist dafür gewöhnlich stärker geworden, weil es diese schlimmen Umstände vermöge unverwüstlicher eingeborener Kraft ertrug und diese Kraft noch geübt und vermehrt hat: so erklärt sich das Wunder. Eine Erziehung, welche an kein Wunder mehr glaubt, wird auf dreierlei zu achten haben: erstens, wie viel Energie ist vererbt? zweitens, wodurch kann noch neue Energie entzündet werden? drittens, wie kann das Individuum jenen so überaus vielartigen Ansprüchen der Cultur angepasst werden, ohne dass diese es beunruhigen und seine Einartigkeit zersplittern, – kurz, wie kann das Individuum in den Contrapunct der privaten und öffentlichen Cultur eingereiht werden, wie kann es zugleich die Melodie führen und als Melodie begleiten?

      243. Die Zukunft des Arztes. – Es giebt jetzt keinen Beruf, der eine so hohe Steigerung zuliesse, wie der des Arztes; namentlich nachdem die geistlichen Aerzte, die sogenannten Seelsorger ihre Beschwörungskünste nicht mehr unter öffentlichem Beifall treiben dürfen und ein Gebildeter ihnen aus dem Wege geht. Die höchste geistige Ausbildung eines Arztes ist jetzt nicht erreicht, wenn er die besten neuesten Methoden kennt und auf sie eingeübt ist und jene fliegenden Schlüsse von Wirkungen auf Ursachen zu machen versteht, derentwegen die Diagnostiker berühmt sind: er muss ausserdem eine Beredtsamkeit haben, die sich jedem Individuum anpasst und ihm das Herz aus dem Leibe zieht, eine Männlichkeit, deren Anblick schon den Kleinmuth (den Wurmfrass aller Kranken) verscheucht, eine Diplomaten-Geschmeidigkeit im Vermitteln zwischen Solchen, welche Freude zu ihrer Genesung nöthig haben und Solchen, die aus Gesundheitsgründen Freude machen müssen (und können), die Feinheit eines Polizeiagenten und Advocaten, die Geheimnisse einer Seele zu verstehen, ohne sie zu verrathen, – kurz ein guter Arzt bedarf jetzt der Kunstgriffe und Kunstvorrechte aller andern Berufsclassen: so ausgerüstet, ist er dann im Stande, der ganzen Gesellschaft ein Wohlthäter zu werden, durch Vermehrung guter Werke, geistiger Freude und Fruchtbarkeit, durch Verhütung von bösen Gedanken, Vorsätzen, Schurkereien (deren ekler Quell so häufig der Unterleib ist), durch Herstellung einer geistig-leiblichen Aristokratie (als Ehestifter und Eheverhinderer), durch wohlwollende Abschneidung aller sogenannten Seelenqualen und Gewissensbisse: so erst wird er aus einem "Medicinmann" ein Heiland und braucht doch keine Wunder zu thun, hat auch nicht nöthig, sich kreuzigen zu lassen.

      244. In der Nachbarschaft des Wahnsinns. – Die Summe der Empfindungen, Kenntnisse, Erfahrungen, also die ganze Last der Cultur, ist so gross geworden, dass eine Ueberreizung der Nerven- und Denkkräfte die allgemeine Gefahr ist, ja dass die cultivirten Classen der europäischen Länder durchweg neurotisch sind und fast jede ihrer grösseren Familien in einem Gliede dem Irrsinn nahe gerückt ist. Nun kommt man zwar der Gesundheit jetzt auf alle Weise entgegen; aber in der Hauptsache bleibt eine Verminderung jener Spannung des Gefühls, jener niederdrückenden Cultur-Last vonnöthen, welche, wenn sie selbst mit schweren Einbussen erkauft werden sollte, uns doch zu der grossen Hoffnung einer neuen Renaissance Spielraum giebt. Man hat dem Christenthum, den Philosophen, Dichtern, Musikern eine Ueberfülle tief erregter Empfindungen zu danken: damit diese uns nicht überwuchern, müssen wir den Geist der Wissenschaft beschwören, welcher im Ganzen etwas kälter und skeptischer macht und namentlich den Gluthstrom des Glaubens an letzte endgültige Wahrheiten abkühlt; er ist vornehmlich durch das Christenthum so wild geworden.

      245. Glockenguss der Cultur. – Die Cultur ist entstanden wie eine Glocke, innerhalb eines Mantels von gröberem, gemeinerem Stoffe: Unwahrheit, Gewaltsamkeit, unbegränzte Ausdehnung aller einzelnen Ich's, aller einzelnen Völker, waren dieser Mantel. Ist es an der Zeit, ihn jetzt abzunehmen? Ist das Flüssige erstarrt, sind die guten, nützlichen Triebe, die Gewohnheiten des edleren Gemüthes so sicher und allgemein geworden, dass es keiner Anlehnung an Metaphysik und die Irrthümer der Religionen mehr bedarf, keiner Härten und Gewaltsamkeiten als mächtigster Bindemittel zwischen Mensch und Mensch, Volk und Volk? – Zur Beantwortung dieser Frage ist kein Wink eines Gottes uns mehr hülfreich: unsere eigene Einsicht muss da entscheiden. Die Erdregierung des Menschen im Grossen hat der Mensch selber in die Hand zu nehmen, seine "Allwissenheit" muss über dem weiteren Schicksal der Cultur mit scharfem Auge wachen.

      246. Die Cyklopen der Cultur. – Wer jene zerfurchten Kessel sieht, in denen Gletscher gelagert haben, hält es kaum für möglich, dass eine Zeit kommt, wo an der selben Stelle ein Wiesen- und Waldthal mit Bächen darin sich hinzieht. So ist es auch in der Geschichte der Menschheit; die wildesten Kräfte brechen Bahn, zunächst zerstörend,


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