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Arthur Rett - Aufstieg und Fall eines Helden. Ulrich MullerЧитать онлайн книгу.

Arthur Rett - Aufstieg und Fall eines Helden - Ulrich  Muller


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von einer dichten Mähne blonder Haare umrahmt, und unter den gerade geformten Augenbrauen blickte sie fast streng. Josef ließ sich dadurch nicht beirren und grinste sie mit seiner Zahnlücke an.

      ***

      Es waren nur vier Monate vergangen, da betrat Josef erneut das große Barockhaus. Sein oberes Gebiss zierte nun ein schönes neues Implantat. In der Zwischenzeit hatte er einige Familienmitglieder von Arthur näher kennengelernt. An seiner Seite schritt Steffi die Steinstufen zur Rundbogentüre hinauf. Dass Steffi Dominic verlassen hatte, wurde in der Familie Knie allgemein mit Befriedigung zur Kenntnis genommen. Der Schreck war umso größer, als man erfuhr, wer nun der neue Mann an ihrer Seite war. „Kann sich dieses kleine dumme Ding nicht einen ordentlichen Freund aussuchen?“, hatte Sophie Knie zu ihrer Tochter gesagt, nachdem sie Steffi und Josef in der Stadt einmal zufällig begegnet waren.

      Am Stephanitag nach Weihnachten war es Tradition bei den Knies, dass die Großfamilie zu einem opulenten Festessen zusammentraf. Nur seiner frischen Verliebtheit und der Freundschaft zu Arthur war es zu verdanken, dass Josef sich hatte überreden lassen, dieses Haus erneut zu betreten. Er bereute es aber sofort, als er erfuhr, dass Arthur ohne Entschuldigung dem Fest ferngeblieben war. Genervt ließ er den Smalltalk über sich ergehen. Um sich abzulenken, konzentrierte er sich auf seinen Teller. Allmählich dämmerte es ihm, dass er hier fehl am Platz war. Doch er hatte dazugelernt und verzichtete daher darauf, sich mit launigen Einlagen in Szene zu setzen. Eines musste er zugeben: Bei Knies gab es exzellentes Essen. Bei Erikas Hochzeit war er ja nicht in den Genuss der Köstlichkeiten gekommen. Aber so missmutig Josef auch war, er ließ sich nicht davon abhalten, jede aufgetragene Speise mit seiner kleinen roten Kamera zu fotografieren.

      Es machte ihn etwas nervös, dass er von jedem Gang nur einen kleinen Happen bekam. Gerade wollte er die Haushälterin, die heute gemeinsam mit einem eigens engagierten Kellner servieren musste, in seiner üblichen direkten Art anweisen, ihm einen Nachschlag zu verschaffen, da hatte er schon den nächsten Teller vor der Nase.

      Gespeist wurde in dem großen Salon im Erdgeschoß. Das Klavier war zugeklappt und in das linke, hintere Eck verfrachtet worden. In der Mitte des Raumes waren mehrere Tische zu einer langen Tafel zusammengestellt. Das wertvolle Familiensilber war samt dem Sèvres-Porzellan aufgedeckt. Mitten im dritten Gang kippte dann Aldo Knie vornüber. Mit einem lauten Knall donnerte sein kahler Schädel auf den vor ihm liegenden Teller. Die Scherben des Porzellans zerschnitten ihm das Gesicht und das Wildgulasch spritzte durch die Gegend. Heinrich sprang auf und zog den leblosen Körper seines Onkels auf den Täbris herunter. Die klaffende Wunde auf der Stirn schien kaum zu bluten. Heinrich untersuchte Aldo und begann dann gleich mit Wiederbelebungsversuchen. Dieses Mal dauerte es viele bange Minuten, bis der Notarzt eintraf. Josef hätte gerne Fotos gemacht, aber dass die Lage ernst war, war selbst ihm bewusst, und so blieb die Kamera in der Hosentasche.

      Der Notarzt packte seinen Defibrillator aus, doch Aldos Zustand ließ sich nicht stabilisieren. Mehrmals bäumte sich der leblose Oberkörper durch die Elektroschocks auf, doch das Herz war nicht wieder in Gang zu bringen. Nach dem Eintreffen der Rettung wurde Aldo sofort auf eine Bahre verfrachtet und aus dem Haus getragen. Heinrich verließ mit dem Notarzt das Haus und die betretene Gesellschaft blieb zurück. Erika und Reinhold kümmerten sich um Frau Knie, die weiß wie die Wand auf einem seitlich stehenden Sofa Platz genommen hatte. Nach einigen geflüsterten Worten standen die drei auf und verließen den Raum.

      Im Krankenhaus konnte nur noch Aldos Tod festgestellt werden. Ein Aneurysma in seinem Hirn war gerissen, er hatte spontan das Bewusstsein verloren und war nach wenigen Sekunden durch die starke Blutung verstorben.

      Arthur war zu diesem Zeitpunkt auf seiner ersten großen Tournee unterwegs. Einige Wochen nach der Hochzeit seiner Schwester hatte er in Wien durch Mischa Sisi Braunschweiger kennengelernt. Die aufstrebende Sängerin suchte für ihre neue Band geeignete Musiker und ein guter Schlagzeuger fehlte noch. Arthur und Sisi waren beide besonders attraktive Menschen mit besonderen Eigenschaften; sie waren einander auf den ersten Blick sympathisch. Arthur wurde wenige Tage später zu einer Probe eingeladen und trommelte sich in die Herzen der Bandmitglieder. Mischa wurde als Tontechniker engagiert und kümmerte sich bald auch um organisatorische Belange der Gruppe. Sisi und Arthur verstanden sich prächtig, und Arthur fühlte sich zum ersten Mal in seinem Leben als der wahrgenommen, der er selbst zu sein glaubte.

      Sisi Braunschweiger und Band waren ein Erfolgsgespann. Arthur war zum ersten Mal seit Monaten, vielleicht überhaupt zum ersten Mal in seinem Leben, glücklich. Aufgenommen in der Familie der Bandmitglieder war er befreit von dem Spießrutenlauf, dem er sonst ausgesetzt war. Kein wütender Trafikant, der „Guten Tag Herr ⅎ#☠ blöder ʞ†☹Ȋ!“, auf sich bezog. Keine verwunderte Frau an der Wursttheke im Supermarkt, der vor Angst fast die Gabel aus der Hand fiel, wenn der sympathisch wirkende junge Mann seine Bestellung aufgab: „Bitte eine Semmel mit – #☹ʞ☠ⅎ, Frau, †¿#☠☠#!, aber mit Extrawurst – ☹☠†#ⅎⅎ, blöde ¿ⅎ#☠ⅎ!“

      Nach dem Konzert zog ihn Mischa zur Seite. Arthur sah das besorgte Gesicht seines Freundes, konnte sich allerdings keinen Reim darauf machen. Arthur hatte zwar ein Handy, verwendete es aber die meiste Zeit nicht und hatte es daher auch jetzt auf lautlos gestellt. Josef hatte mehrfach erfolglos versucht, Arthur telefonisch zu erreichen. Um ihm dennoch möglichst rasch die traurige Nachricht zu übermitteln, rief Josef Mischa an. Arthur war bestürzt über Aldos Tod. Sie waren einander zwar nie besonders nahegestanden, doch anders als zu seiner Mutter und seiner Halbschwester hatte er zu Aldo stets ein unbelastetes Verhältnis gehabt. Mischa fasste Arthur bei den Schultern und schilderte, was vorgefallen war. Arthur schluckte hart, als Mischa ausgeredet hatte. Doch seine Augen blieben trocken. Der Rausch des erfolgreichen Konzerts und das Hochgefühl, das er empfunden hatte, während er am Schlagzeug saß, waren mit einem Schlag dahin. Arthur überlegte einen kurzen Augenblick, ob er sich mit dem Auto auf den Weg nach Hause machen sollte, aber er konnte sich nicht entschließen. Zu groß waren die Enttäuschung und Entrüstung über seine Mutter und Erika. Nach seiner missglückten Rede bei der Hochzeit hatte er zu viel an Demütigungen aus dieser Ecke über sich ergehen lassen müssen. Trotzdem hätte er in dieser Situation einen Anruf von einer der beiden erwartet. Doch das Telefon blieb stumm, und nach einigen Stunden verwarf er dann endgültig den Gedanken, nach Graz zu fahren.

      Das Telefon blieb auch in den nächsten Tagen stumm. Nicht einmal eine Parte wurde ihm zugesandt. Josef, der die Traueranzeige bei Steffi gesehen hatte, war empört, dass Arthur darauf nicht genannt war. Sein Freund wurde seit Erikas Hochzeit von der Familie ausgegrenzt. Rücksichtsvoll verschwieg Josef, dass Arthurs Name auf der Parte fehlte. Offenbar hatte man Angst, dass dieser beim Begräbnis erneut die Familie blamieren könnte. Daher erhielt er weder eine Nachricht noch eine offizielle Mitteilung, wann und wo nun das Begräbnis von Aldo stattfinden sollte.

      Die Gefahr einer erneuten peinlichen Entgleisung Arthurs beim Begräbnis war zumindest die offizielle Erklärung von Sophie Knie, warum ihr Sohn nicht eingeladen war. Der eigentliche Grund war ein ganz anderer. Nachdem Sophie den ersten Schock über Aldos Tod überwunden hatte, ging sie daran, mit ihrer Tochter seine Unterlagen zu durchstöbern. Zu beider Entsetzen konnten sie unter den Papieren kein Testament finden. Zuletzt fand sich im Safe eine handschriftliche Notiz von Aldo, auf der in schöner Kurrentschrift zu lesen stand, dass sie sich im Falle seines Ablebens mit seinem Freund und Notar, Dr. Gabriel Hörtnagel, in Verbindung setzen sollten. Dieser Aufforderung folgte Sophie prompt am nächsten Tag und tauchte nach einem kurzen Telefonat in Begleitung von Erika in der Kanzlei auf. Dr. Hörtnagel mochte Sophie nicht besonders, denn er traute ihr nicht über den Weg. Obwohl sich die beiden seit Jahrzehnten kannten, siezten sie einander. Dr. Hörtnagel war trotzdem stets auf höchste Korrektheit und Freundlichkeit bedacht. Er informierte Sophie, dass das offizielle Erbverfahren erst in einigen Tagen gestartet werden könne, da er erst durch das Verlassenschaftsgericht mit der Verwaltung des Nachlasses beauftragt werden müsse. Als Freund und Rechtsanwalt des verstorbenen Aldo könne er ihr allerdings mitteilen, dass ein Testament existiere. Den vollen Inhalt könne er noch nicht darlegen, doch so viel könne er sagen, dass Aldo darin verfügte, dass sein Besitz zwischen Sophie, Erika und Arthur aufgeteilt werden sollte.

      Sophies


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