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Maria Stuart. Stefan ZweigЧитать онлайн книгу.

Maria Stuart - Stefan Zweig


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ist nicht zu bezweifeln. Denn mit Franz II. hat Maria Stuart nicht nur einen wohlgesinnten, nachgiebigen Kameraden, einen zärtlichen Freund verloren, sondern auch ihre europäische Stellung, ihre Macht, ihre Sicherheit. Bald wird die kindliche Witwe den Unterschied spüren, wie viel es bedeutet hat, die Erste an einem Hofe, die Königin gewesen zu sein, und wie wenig, plötzlich die Zweite zu werden, eine Pensionistin von des Nachfolgers Gnaden. Erschwert wird diese an sich schon bedrückende Lage durch die Feindseligkeit, die ihr Katharina von Medici, ihre Schwiegermutter, kaum daß sie wieder die erste Frau am Hofe geworden ist, entgegenbringt; es scheint, daß Maria Stuart einmal diese hochfahrende und heimtückische Mediceerin durch ein törichtes Wort tödlich beleidigt hat, indem sie verächtlich die geringe Herkunft der »Kaufmannstochter« mit ihrer eigenen, von Geschlecht zu Geschlecht ererbten Königswürde verglich. Solche Unbedachtsamkeiten – auch gegen Elisabeth wird sich das unberatene, ungestüme Mädchen ähnliche zuschulden kommen lassen – sind zwischen Frauen verhängnisvoller als offene Beleidigungen. Und kaum gelangt Katharina von Medici, die ihren Ehrgeiz zwei Jahrzehnte lang erst um Diana von Poitiers, dann um Maria Stuarts willen bezähmen mußte, zu politischer Macht, so läßt sie die beiden Gestürzten ihren Haß herrisch und herausfordernd fühlen.

      Aber Maria Stuart – deutlich tritt jetzt der entscheidende Zug ihres Charakters ans Licht: ihr unbändiger, unbeugsamer, männlich harter Stolz – wird nirgends bleiben wollen, wo sie nur Zweite ist, nie wird ihr hohes und heftiges Herz sich mit einer kleinen Stellung, mit einem halben Rang begnügen. Lieber wählt sie das Nichts, lieber den Tod. Einen Augenblick denkt sie daran, sich für immer in ein Kloster zurückzuziehen, allen Rang abzuschwören, da sie den höchsten in diesem Lande nicht mehr erreichen kann. Aber noch ist die Verführung des Lebens zu groß, noch wäre für eine Achtzehnjährige ewiger Verzicht wider die innere Natur. Und dann: noch immer kann sie für die verlorene Krone eine andere, eine ebenso kostbare, eintauschen. Schon meldet sich der Gesandte des Königs von Spanien als Werber für Don Carlos, den zukünftigen Herrn zweier Welten, schon sendet der österreichische Hof geheime Unterhändler, die Könige von Schweden und Dänemark bieten ihr Thron und Hand. Und schließlich ist noch immer die Erbkrone ihr eigen, jene von Schottland, und noch immer der Anspruch auf die andere, die nachbarliche, die englische Krone in Schwebe. Immer harren ja noch unermeßliche Möglichkeiten dieser mädchenhaften Königswitwe, dieser eben erst zu voller Schönheit herangeblühten Frau. Nur sind sie nicht mehr wie vordem geschenkt und entgegengetragen vom Schicksal, von jetzt ab muß alles errungen werden, mit Geschick und Geduld zähen Gegnern abgekämpft. Aber mit so viel Mut im Herzen, mit so viel Schönheit im Antlitz, mit so viel Jugend im heißen blühenden Leibe kann man auch höchstes Spiel unbedenklich wagen. Und mit entschlossener Seele tritt Maria Stuart in den Kampf um ihr Erbe.

      Freilich: der Abschied von Frankreich wird ihr nicht leicht. Zwölf Jahre hat sie an diesem fürstlichen Hofe gelebt, und das schöne, reiche, sinnlich freudige Land war ihr schon mehr Heimat geworden als das Schottland der versunkenen Kindertage. Hier sind die mütterlichen Verwandten, die sie umhüten, hier die Schlösser, in denen sie glücklich gewesen, hier die Dichter, die sie rühmen und verstehen, hier die leichte, die ritterliche Anmut des Lebens, der sie sich im tiefsten zugeboren weiß. Von Monat zu Monat zögert sie darum, obwohl längst auf das dringlichste berufen, mit der Rückkehr in ihr eigenes Königreich. Sie besucht in Joinville, in Nancy ihre Verwandten, sie wohnt in Reims der Krönung ihres zehnjährigen Schwagers, Karls IX., bei; immer sucht sie, wie von geheimnisvoller Ahnung gewarnt, anderen und anderen Vorwand, um die Reise zu verschieben. Und es ist, als warte sie eigentlich auf irgendeine Schicksalsfügung, welche ihr die Heimfahrt nach Schottland ersparte.

      Denn so neu und unerfahren die Achtzehnjährige in Staatsdingen auch sein mag: dies muß Maria Stuart doch schon erfaßt haben, daß in Schottland harte Prüfung ihr bevorsteht. Seit dem Tode ihrer Mutter, die für sie als Regentin das Erbe verwaltete, haben die protestantischen Lords, ihre schlimmsten Gegner, die Oberhand und verbergen kaum ihr Widerstreben, eine gläubige Katholikin, eine Anhängerin der verhaßten Messe, ins Land zu rufen. Offen erklären sie – der englische Gesandte meldet es begeistert nach London –, »man solle die Reise der Königin von Schottland noch um einige Monate verzögern, und wären sie nicht zu Gehorsam verpflichtet, so würde ihnen wenig daran liegen, sie überhaupt zu sehen«. Heimlich haben sie längst schlimmes Spiel getrieben, sie haben versucht, der Königin von England den nächsten Thronberechtigten, den protestantischen Earl of Arran, als Gatten anzubieten und damit widerrechtlich Elisabeth eine Krone in die Hände zu schieben, die unzweideutig Maria Stuart gehört. Ebensowenig kann sie ihrem eigenen Stiefbruder, James Stuart, Earl of Moray, trauen, der im Auftrage des schottischen Parlaments zu ihr nach Frankreich kommt; denn er steht Elisabeth bedenklich nahe und vielleicht sogar besoldet in ihrem Dienst. Einzig ihre schleunige Heimkehr kann alle diese dunklen und dumpfen Intrigen rechtzeitig niedertreten, nur mit dem von ihren Ahnen, den Stuartkönigen, ererbten Mut kann sie ihr Königtum behaupten. Und so entschließt sich endlich, um nicht im selben Jahre die zweite Krone nach der ersten zu verlieren, Maria Stuart schweren Sinnes und düsterer Ahnung, einem Ruf zu folgen, der nicht aus ehrlichem Herzen kommt und den sie selbst nur mit halbem Vertrauen hört.

      Aber noch ehe sie das eigene Reich betritt, muß Maria Stuart spüren, daß Schottland an England grenzt und daß eine andere als sie selbst dessen Königin ist. Elisabeth hat keinen Grund und noch weniger Neigung, dieser Rivalin und Kronanwärterin das Leben leicht zu machen, und mit zynischer Offenheit bekräftigt ihr Staatsminister Cecil jedes feindselige Vorgehen: »Je länger die Angelegenheiten der schottischen Königin unsicher bleiben, um so besser für die Sache Ihrer Majestät.« Denn noch ist der Zwist jenes papierenen und gemalten Thronanspruchs nicht ausgetragen. Zwar hatten die schottischen Abgesandten in Edinburgh einen Vertrag mit den englischen abgeschlossen, in dem sie im Namen Maria Stuarts sich verpflichteten, Elisabeth »for all times coming«, also für immerdar, als die rechtmäßige Königin von England anzuerkennen. Aber als dann der Vertrag nach Paris gebracht wurde und es galt, die Unterschrift unter die zweifellos gültige Abmachung zu setzen, waren Maria Stuart und ihr Gatte Franz II. ausgewichen; die Anerkennung will ihr nicht in die Feder, nie wird sie, die einmal mit dem Wappen den Anspruch auf die englische Krone wie eine Fahne vor sich her tragen ließ, diese Fahne senken. Sie ist allenfalls bereit, ihr Recht aus Politik zurückzustellen, aber nie wird sie zu bewegen sein, offen und ehrlich auf ihr Ahnenerbe zu verzichten.

      Eine solche Zweideutigkeit des Ja und Nein kann Elisabeth nicht dulden. Die Gesandten der schottischen Königin haben in ihrem Namen den Vertrag von Edinburgh unterschrieben, folglich, erklärt sie, sei Maria Stuart verpflichtet, diese Unterschrift einzulösen. Eine Anerkennung sub rosa, eine heimliche Zusage, kann Elisabeth nicht genügen, denn für sie als Protestantin, deren halbes Reich sich noch immer leidenschaftlich zum Katholizismus bekennt, bedeutet eine katholische Prätendentin nicht nur Throngefahr, sondern Lebensgefahr. Wenn die Gegenkönigin nicht klar auf jede Art des Anspruchs Verzicht leistet, ist Elisabeth nicht wahrhaft Königin.

      Elisabeth befindet sich, niemand kann es leugnen, in dieser Streitsache zweifellos im Recht; aber sie setzt sich selber schleunig ins Unrecht, indem sie einen so großen politischen Konflikt in kleinlicher und mesquiner Weise auszutragen sucht. Immer haben Frauen in der Politik die gefährliche Eigenschaft, bloß mit Nadelstichen ihre Rivalen zu verwunden und Gegensätze durch persönliche Bosheiten zu vergiften; auch jetzt begeht die sonst klarsichtige Herrscherin diesen ewigen Fehler der politischen Frauen. Maria Stuart hat für die Reise nach Schottland formell einen »safe conduct« – wir würden heute sagen: ein Durchreisevisum – angesprochen, was man ihrerseits sogar als einen Akt der Courtoisie, der formellen amtlichen Höflichkeit deuten kann, denn der gerade Seeweg in die Heimat steht ihr ohnedies offen: wenn sie über England reisen will, so bietet sie damit ihrer Gegnerin stillschweigend die Möglichkeit freundschaftlicher Aussprache. Elisabeth aber ergreift sofort die Gelegenheit, um ihrer Rivalin einen Stich zu versetzen. Sie erwidert die Höflichkeit mit einer groben Unhöflichkeit und erklärt, sie verweigere insolange Maria Stuart den »safe conduct«, als sie den Vertrag von Edinburgh nicht unterzeichnet habe. Um die Königin zu treffen, beleidigt sie die Frau. Statt der kraftvollen Geste der Kampfandrohung wählt sie die boshafte und kraftlose der persönlichen Kränkung.

      Nun ist von dem innerlichen Konflikt dieser beiden Frauen der Schleier abgerissen, mit harten, heißen Augen stoßen Stolz und Stolz gegeneinander. Unverzüglich


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