Nachhaltigkeit, CO2-Neutralität und andere bilanzielle Fehler. Marc LindnerЧитать онлайн книгу.
Haben wir bis dahin nicht gelernt mit den zur Verfügung stehenden Potenzialen auszukommen, wird es drei Wege geben, mit denen uns unerbittlich nachhaltiges Leben aufgezwungen wird:
1) Ein Teil der Menschheit stirbt (Hunger, Krieg, Revolution, Krankheit)
2) Einige Wenige unterdrücken viele und leben auf deren Kosten
3) Wir alle müssen in gleichem Maße einen niedrigen Lebensstandard hinnehmen (Rückentwicklung unserer Bedürfnisse)
Mischformen sind selbstverständlich möglich und wären wahrscheinlich.
Wenn wir diese drei Möglichkeiten betrachten, fällt gleich auf, dass sich die Dritte nicht einstellen wird. Das wäre Kommunismus mit der Forderung alle sollen es gleich schlecht haben. Ich denke, dass keiner so naiv ist, zu glauben, dass es jemals Kommunismus gegeben hat oder geben wird.
Die zweite Möglichkeit beschreibt einen Zustand, wie wir ihn derzeit haben; mit den entwickelten Ländern und den Entwicklungsländern und mit einem großen Unterschied zwischen Arm und Reich in den meisten Ländern. Und auch dieser Zustand ist nicht auf Dauer zu halten5. Dieses Ungleichgewicht wird willentlich abgeschwächt werden müssen oder aber es wird sich durch Gewalt angleichen und nahtlos in die erste Möglichkeit übergehen.
Es handelt sich somit bei Nachhaltigkeit um eine Art „Gleichgewicht“, welches sich ohne jedes Zutun einstellen wird. Nachhaltigkeit wird für jede Spezies unausweichlich erreicht werden und hat als niedrigstes stabiles Niveau deren vollständiges Aussterben.
Wenn wir von Nachhaltigkeit sprechen, meinen wir aber nicht jenen erwähnten „stabilen“ Zustand auf einem x-beliebigen Niveau, sondern wir meinen den maximal möglichen Nutzen für die Menschheit, der auf Dauer erreicht werden kann. So sind wir erneut bei der bereits erwähnten Forderung der Menschheit, ihren Lebensstandard zu maximieren.
Hierdurch bleibt von Nachhaltigkeit die notwendige und vollständig ausreichende Bedingung einer einheitlich gesellschaftsorientiert handelnden Menschheit übrig.
Sollten wir es nicht schaffen, unseren Wohlstand auf Dauer zu maximieren, dann liegt das nicht an den Randbedingungen der Welt, zum Beispiel endlichen Ressourcen, sondern an einer individuell asozial agierenden Menschheit, in der individuelle Nutzenmaximierung nicht zu einem gesellschaftlichen Optimum führt.
Dies rechtfertigt das Vorhandensein einer übergeordneten Staatsmacht. Dieser obliegt es die Freiheiten einzelner Individuen einzuschränken und die Randbedingungen so zu definieren, dass wenn jedes Individuum seinen eigenen Nutzen maximiert6, damit gleichzeitig der Nutzen der Gesellschaft optimiert wird.
Die Aufgabe des Staates ist es letztendlich, sämtliche externe Kosten mit in das Entscheidungskalkül der Individuen einfließen zu lassen.
Zunächst werden wir die Potenziale unseres Ökosystems genauer betrachten, wobei der Begriff Nachhaltigkeit in seine Einzelteile zerlegt wird. Wir werden uns mit wichtigen Aspekten, Zusammenhängen und Kenngrößen beschäftigen und diese, wenn notwendig, definieren. Erst dann kann, darauf aufbauend, versucht werden, eine einheitliche Betrachtung zu erarbeiten.
2.Nachhaltigkeit
2.1. Herkunft
Der Begriff stammt ursprünglich aus der Waldwirtschaft und meint, dass nicht mehr Holz geschlagen werden darf, als nachwächst. Erstmals niedergeschrieben wurde der Begriff der Nachhaltigkeit von Hans Carl von Carlowitz in seinem Werk Silvicultura oeconomica von 1713. Dort wird nachhaltig als Synonym von „beständig“, „immerwährend“ und „kontinuierlich“ verwendet. Diese Art der Waldbewirtschaftung wurde bereits im Mittelalter mündlich überliefert und wurde ab dem 15. Jahrhundert schriftlich festgehalten, so zum Beispiel in der Forstordnung des Bistums Speyer aus dem Jahr 14427.
2.2. Aspekte
Nachhaltigkeit besteht aus drei Aspekten, die alle gleichzeitig erfüllt sein müssen. Diese nachhaltigen Aspekte sind als Säulen zu verstehen. Wird eine davon vernachlässigt, kann aus den übrigen keine Nachhaltigkeit resultieren.
Demnach sind die Säulen der Nachhaltigkeit folgende:
Ökologisch
Ökonomisch
Sozial
Da der Begriff der Nachhaltigkeit oft fahrlässig verwendet wird, versuche ich mich an dieser Stelle von diesem Begriff zu distanzieren und spreche von einem Gleichgewichtszustand. Auch ökonomische, ökologische Aspekte betrachte ich nicht getrennt. Ich fokussiere meine Betrachtungen auf die Gesellschaft als eine Einheit und spreche in ihrem Sinne von Nutzen und Kosten, die sich aus der Erfüllung von unterschiedlichsten Interessen und der Aufwendung unterschiedlichsten Ressourcen ergeben können.
3.Erläuterungen
Vereinfachungen helfen oft, Dinge zu erklären und greifbar zu machen. Manchmal kann dies aber zu Selbstverständlichkeiten führen, die pauschal angenommen werden und Problematiken verzerren oder vollständig ausblenden. Deshalb ist es wichtig, Begriffe voneinander abzugrenzen beziehungsweise zu definieren oder aber den Leser für deren Bedeutung zu sensibilisieren. Bei den meisten Begriffen kann ich im Rahmen dieses Buches nicht ins Detail gehen, da eine ausführliche Betrachtung selbst ein ganzes Buch füllen würde.
3.1. Exergie
Exergie ist der Anteil einer Energie, der theoretisch uneingeschränkt in jede andere Energieform umgewandelt werden kann.
Die allgemeine Verwendung des Begriffes „Energie“ stellt eine solche Vereinfachung dar und ist im Alltagsgebrauch auch durchaus zielführend.
Dennoch sollte in diesem konkreten Zusammenhang das Bewusstsein dafür vorhanden sein, dass Energie nicht gleich Energie ist. Nicht jede Energieform weist die gleiche Qualität auf und ist auch nicht im gleichen Maß nutzbar.
Dazu ein veranschaulichendes Beispiel:
Wenn wir elektrischen Strom nutzen, dann kennen wir von unserer Stromrechnung die Einheit kWh. Das entspricht der Energiemenge, die wir erhalten, wenn wir während einer Stunde 1 000 W (= 1 kW) Leistung beanspruchen.
Diese eine kWh an elektrischem Strom können wir fast uneingeschränkt und verlustarm in jede andere Energieform umwandeln.
Ein Mixer kann sie in mechanische Energie umwandeln, eine Lampe wandelt den elektrischen Strom in Licht um, während ein Wasserkocher Wärme produziert. Am Ende allerdings wird der Mixer den Teig und den Raum erwärmt haben. Ebenso wird sich die Lichtenergie in Raumwärme umwandeln. Die Tasse Kaffee oder Tee wird abkühlen und den Raum wärmen und/oder befeuchten.
Dabei gilt für all diese Prozesse jedoch, dass nachdem 1 kWh an elektrischem Strom „verbraucht“ ist, dem Raum 1 kWh Wärmeenergie zugeführt worden ist. Die Energiemenge wird dabei nicht reduziert, sie wird lediglich in eine andere Energieform umgewandelt. Es ist falsch, wenn behauptet wird, dass Energie verbraucht wird. Wenn wir von Energienutzung sprechen, muss folglich etwas anderes gemeint sein als der „Verbrauch“ der Energie. Denn laut dem ersten Satz der Thermodynamik kann Energie weder erschafft noch vernichtet werden.
Wenn wir uns das erwähnte Beispiel in Darstellung 3-1 ansehen, wird deutlich, dass die Qualität der Energie verändert worden ist. Nicht jede Energieform lässt sich beliebig in andere Energieformen umwandeln.
Mit dem elektrischen Strom (1 kWh) wäre es ohne weiteres möglich, einen Fernseher zu betreiben. Mit der gleichen Menge an Wärmeenergie des Raumes gestaltet sich dies weitaus schwieriger – theoretisch ist Wärmeenergie solange „nutzbar“, solange sie auf einem höheren Temperaturniveau ist, wie eine andere nutzbare Kältequelle. Die Energiemenge, die umwandelbar und nutzbar ist, resultiert aus der Differenz von Potenzialen8.
Dabei weist elektrische Energie einen Exergieanteil von nahezu 100 % auf. Der Exergieanteil von Umgebungswärme ist dagegen bei nahezu 0 %. Somit lässt sich Exergie im Vergleich zur Energie durchaus „verbrauchen“. Durch den zweiten Satz der Thermodynamik wird das Verbot des Perpetuum mobile 2. Art ausgedrückt, das besagt, dass Prozesse