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Jenseits von Gut und Böse: Zur Genealogie der Moral. Friedrich NietzscheЧитать онлайн книгу.

Jenseits von Gut und Böse: Zur Genealogie der Moral - Friedrich Nietzsche


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der Wahrheit willen«! Selbst vor der eigenen Vertheidigung! Es verdirbt eurem Gewissen alle Unschuld und feine Neutralität, es macht euch halsstarrig gegen Einwände und rothe Tücher, es verdummt, verthiert und verstiert, wenn ihr im Kampfe mit Gefahr, Verlästerung, Verdächtigung, Ausstossung und noch gröberen Folgen der Feindschaft, zuletzt euch gar als Vertheidiger der Wahrheit auf Erden ausspielen müsst: – als ob »die Wahrheit« eine so harmlose und täppische Person wäre, dass sie Vertheidiger nöthig hätte! und gerade euch, ihr Ritter von der traurigsten Gestalt, meine Herren Eckensteher und Spinneweber des Geistes! Zuletzt wisst ihr gut genug, dass nichts daran liegen darf, ob gerade ihr Recht behaltet, ebenfalls dass bisher noch kein Philosoph Recht behalten hat, und dass eine preiswürdigere Wahrhaftigkeit in jedem kleinen Fragezeichen liegen dürfte, welches ihr hinter eure Leibworte und Lieblingslehren (und gelegentlich hinter euch selbst) setzt, als in allen feierlichen Gebärden und Trümpfen vor Anklägern und Gerichtshöfen! Geht lieber bei Seite! Flieht in's Verborgene! Und habt eure Maske und Feinheit, dass man euch verwechsele! Oder ein Wenig fürchte! Und vergesst mir den Garten nicht, den Garten mit goldenem Gitterwerk! Und habt Menschen um euch, die wie ein Garten sind, – oder wie Musik über Wassern, zur Zeit des Abends, wo der Tag schon zur Erinnerung wird: – wählt die gute Einsamkeit, die freie muthwillige leichte Einsamkeit, welche euch auch ein Recht giebt, selbst in irgend einem Sinne noch gut zu bleiben! Wie giftig, wie listig, wie schlecht macht jeder lange Krieg, der sich nicht mit offener Gewalt führen lässt! Wie persönlich macht eine lange Furcht, ein langes Augenmerk auf Feinde, auf mögliche Feinde! Diese Ausgestossenen der Gesellschaft, diese Lang-Verfolgten, Schlimm-Gehetzten, – auch die Zwangs-Einsiedler, die Spinoza's oder Giordano Bruno's – werden zuletzt immer, und sei es unter der geistigsten Maskerade, und vielleicht ohne dass sie selbst es wissen, zu raffinirten Rachsüchtigen und Giftmischern (man grabe doch einmal den Grund der Ethik und Theologie Spinoza's auf!) – gar nicht zu reden von der Tölpelei der moralischen Entrüstung, welche an einem Philosophen das unfehlbare Zeichen dafür ist, dass ihm der philosophische Humor davon lief. Das Martyrium des Philosophen, seine »Aufopferung für die Wahrheit« zwingt an's Licht heraus, was vom Agitator und vom Schauspieler in ihm steckte; und gesetzt, dass man ihm nur mit einer artistischen Neugierde bisher zugeschaut hat, so kann in Bezug auf manchen Philosophen der gefährliche Wunsch freilich begreiflich sein, ihn auch einmal in seiner Entartung zu sehn (entartet zum »Märtyrer«, zum Bühnen- und Tribünen-Schreihals). Nur dass man sich, mit einem solchen Wunsche, darüber klar sein muss, was man jedenfalls dabei zu sehen bekommen wird: – nur ein Satyrspiel, nur eine Nachspiel-Farce, nur den fortwährenden Beweis dafür, dass die lange eigentliche Tragödie zu Ende ist: vorausgesetzt, dass jede Philosophie im Entstehen eine lange Tragödie war.

      26. Jeder auserlesene Mensch trachtet instinktiv nach seiner Burg und Heimlichkeit, wo er von der Menge, den Vielen, den Allermeisten erlöst ist, wo er die Regel »Mensch« vergessen darf, als deren Ausnahme: – den Einen Fall ausgenommen, dass er von einem noch stärkeren Instinkte geradewegs auf diese Regel gestossen wird, als Erkennender im grossen und ausnahmsweisen Sinne. Wer nicht im Verkehr mit Menschen gelegentlich in allen Farben der Noth, grün und grau vor Ekel, Überdruss, Mitgefühl, Verdüsterung, Vereinsamung schillert, der ist gewiss kein Mensch höheren Geschmacks; gesetzt aber, er nimmt alle diese Last und Unlust nicht freiwillig auf sich, er weicht ihr immerdar aus und bleibt, wie gesagt, still und stolz auf seiner Burg versteckt, nun, so ist Eins gewiss: er ist zur Erkenntniss nicht gemacht, nicht vorherbestimmt. Denn als solcher würde er eines Tages sich sagen müssen »hole der Teufel meinen guten Geschmack! aber die Regel ist interessanter als die Ausnahme, – als ich, die Ausnahme!« – und würde sich hinab begeben, vor Allem »hinein«. Das Studium des durchschnittlichen Menschen, lang, ernsthaft, und zu diesem Zwecke viel Verkleidung, Selbstüberwindung, Vertraulichkeit, schlechter Umgang – jeder Umgang ist schlechter Umgang ausser dem mit Seines-Gleichen –: das macht ein nothwendiges Stück der Lebensgeschichte jedes Philosophen aus, vielleicht das unangenehmste, übelriechendste, an Enttäuschungen reichste Stück. Hat er aber Glück, wie es einem Glückskinde der Erkenntniss geziemt, so begegnet er eigentlichen Abkürzern und Erleichterern seiner Aufgabe, – ich meine sogenannten Cynikern, also Solchen, welche das Thier, die Gemeinheit, die »Regel« an sich einfach anerkennen und dabei noch jenen Grad von Geistigkeit und Kitzel haben, um über sich und ihres Gleichen vor Zeugen reden zu müssen: – mitunter wälzen sie sich sogar in Büchern wie auf ihrem eignen Miste. Cynismus ist die einzige Form, in welcher gemeine Seelen an Das streifen, was Redlichkeit ist; und der höhere Mensch hat bei jedem gröberen und feineren Cynismus die Ohren aufzumachen und sich jedes Mal Glück zu wünschen, wenn gerade vor ihm der Possenreisser ohne Scham oder der wissenschaftliche Satyr laut werden. Es giebt sogar Fälle, wo zum Ekel sich die Bezauberung mischt: da nämlich, wo an einen solchen indiskreten Bock und Affen, durch eine Laune der Natur, das Genie gebunden ist, wie bei dem Abbé Galiani, dem tiefsten, scharfsichtigsten und vielleicht auch schmutzigsten Menschen seines Jahrhunderts – er war viel tiefer als Voltaire und folglich auch ein gut Theil schweigsamer. Häufiger schon geschieht es, dass, wie angedeutet, der wissenschaftliche Kopf auf einen Affenleib, ein feiner Ausnahme-Verstand auf eine gemeine Seele gesetzt ist, – unter Ärzten und Moral-Physiologen namentlich kein seltenes Vorkommniss. Und wo nur Einer ohne Erbitterung, vielmehr harmlos vom Menschen redet als von einem Bauche mit zweierlei Bedürfnissen und einem Kopfe mit Einem; überall wo Jemand immer nur Hunger, Geschlechts-Begierde und Eitelkeit sieht, sucht und sehn will, als seien es die eigentlichen und einzigen Triebfedern der menschlichen Handlungen; kurz, wo man »schlecht« vom Menschen redet – und nicht einmal schlimm –, da soll der Liebhaber der Erkenntniss fein und fleissig hinhorchen, er soll seine Ohren überhaupt dort haben, wo ohne Entrüstung geredet wird. Denn der entrüstete Mensch, und wer immer mit seinen eignen Zähnen sich selbst (oder, zum Ersatz dafür, die Welt, oder Gott, oder die Gesellschaft) zerreisst und zerfleischt, mag zwar moralisch gerechnet, höher stehn als der lachende und selbstzufriedene Satyr, in jedem anderen Sinne aber ist er der gewöhnlichere, gleichgültigere, unbelehrendere Fall. Und Niemand lügt soviel als der Entrüstete.

      27. Es ist schwer, verstanden zu werden: besonders wenn man gangasrotogati denkt und lebt, unter lauter Menschen, welche anders denken und leben, nämlich kurmagati oder besten Falles »nach der Gangart des Frosches« mandeikagati – ich thue eben Alles, um selbst schwer verstanden zu werden? – und man soll schon für den guten Willen zu einiger Feinheit der Interpretation von Herzen erkenntlich sein. Was aber »die guten Freunde« anbetrifft, welche immer zu bequem sind und gerade als Freunde ein Recht auf Bequemlichkeit zu haben glauben: so thut man gut, ihnen von vornherein einen Spielraum und Tummelplatz des Missverständnisses zuzugestehn: – so hat man noch, zu lachen; – oder sie ganz abzuschaffen, diese guten Freunde, – und auch zu lachen!

      28. Was sich am schlechtesten aus einer Sprache in die andere übersetzen lässt, ist das tempo ihres Stils: als welcher im Charakter der Rasse seinen Grund hat, physiologischer gesprochen, im Durchschnitts-tempo ihres »Stoffwechsels«. Es giebt ehrlich gemeinte Übersetzungen, die beinahe Fälschungen sind, als unfreiwillige Vergemeinerungen des Originals, bloss weil sein tapferes und lustiges tempo nicht mit übersetzt werden konnte, welches über alles Gefährliche in Dingen und Worten wegspringt, weghilft. Der Deutsche ist beinahe des Presto in seiner Sprache unfähig: also, wie man billig schliessen darf, auch vieler der ergötzlichsten und verwegensten Nuances des freien, freigeisterischen Gedankens. So gut ihm der Buffo und der Satyr fremd ist, in Leib und Gewissen, so gut ist ihm Aristophanes und Petronius unübersetzbar. Alles Gravitätische, Schwerflüssige, Feierlich-Plumpe, alle langwierigen und langweiligen Gattungen des Stils sind bei den Deutschen in überreicher Mannichfaltigkeit entwickelt, – man vergebe mir die Thatsache, dass selbst Goethe's Prosa, in ihrer Mischung von Steifheit und Zierlichkeit, keine Ausnahme macht, als ein Spiegelbild der »alten guten Zeit«, zu der sie gehört, und als Ausdruck des deutschen Geschmacks, zur Zeit, wo es noch einen »deutschen Geschmack« gab: der ein Rokoko-Geschmack war, in moribus et artibus. Lessing macht eine Ausnahme, Dank seiner Schauspieler-Natur, die Vieles verstand und sich auf Vieles verstand: er, der nicht umsonst der Übersetzer Bayle's war und sich gerne in die Nähe Diderot's und Voltaire's, noch lieber unter die römischen Lustspieldichter flüchtete: – Lessing liebte auch im tempo die Freigeisterei, die Flucht aus Deutschland. Aber wie vermöchte die deutsche Sprache, und sei es selbst in der Prosa eines Lessing, das tempo Macchiavell's nachzuahmen, der, in seinem principe, die trockne feine Luft von Florenz athmen lässt


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