Bel-Ami. Guy de MaupassantЧитать онлайн книгу.
die Füße auf den Tisch gelegt, so daß die Stiefelabsätze einen halbgeschriebenen Artikel beschmutzten. Er erwiderte ruhig mit gleichgültiger und gelangweilter Stimme, die von fernher, wie aus einem tiefen Loch zu kommen schien:
»Der Chef hat ihn schlecht gefunden und mich beauftragt, ihn dir zurückzugeben, damit du ihn noch einmal schreibst. Da ist er.«
Und er wies mit dem Finger auf die Blätter, die zusammengefaltet unter dem Briefbeschwerer lagen.
Duroy war verwirrt und wußte nicht, was er erwidern sollte. Als er seinen Aufsatz in die Tasche steckte, fuhr Forestier fort:
»Heute begibst du dich zunächst zur Polizeipräfektur.«
Und wieder gab er ihm eine ganze Menge Geschäftsgänge und Recherchen auf, die er erledigen sollte.
Duroy ging, ohne daß ihm das beißende und verletzende Wort einfiel, nach dem er suchte.
Am nächsten Tage brachte er seinen Aufsatz wieder. Er bekam ihn abermals zurück. Als er ihn zum dritten Male geschrieben und zurückerhalten hatte, begriff er, daß er zu schnell vorwärts wollte und daß nur Forestiers Hand ihm helfen konnte. Er sprach nicht mehr von seinen ‘Erinnerungen eines afrikanischen Jägers’, und nahm sich vor, schlau und gewandt zu sein, da es nicht anders ging. Und in Erwartung besserer Tage widmete er sich in vollem Eifer seinem Berufe als Reporter.
Er lernte bald die Kulissen der Theater und der Politik, die Wandelgänge und Warteräume der Staatsmänner und des Parlaments, die wichtigtuenden Mienen der Ministerialbeamten und die mürrischen Gesichter der schläfrigen Gerichtsdiener kennen.
Er hatte dauernd zu tun mit Ministern, Portiers, Generalen, Geheimpolizisten, Fürsten, Zuhältern, Dirnen, Botschaftern, Bischöfen, Kupplern, Männern der besten Gesellschaft, Falschspielern, Droschkenkutschern, Kellnern und vielen anderen Leuten; er war der berechnende und gleichgültige Freund aller geworden, achtete alle gleich hoch und gleich niedrig, maß sie mit demselben Maße, beurteilte sie mit demselben Blick, denn er mußte sie an jedem Tage und zu jeder Stunde in derselben Stimmung begrüßen und mit ihnen über alles, was seinen Beruf anging, sprechen. Er selbst kam sich dabei wie ein Mensch vor, der unmittelbar hintereinander von allen möglichen Weinen kosten muß und schließlich den feinsten Chateau-Margaux von Argenteuil nicht mehr unterscheiden kann.
Er wurde in kurzer Zeit ein achtbarer Reporter, zuverlässig in seinen Nachrichten, listig, schnell und genau, eine wertvolle Kraft für die Zeitung, wie der alte Walter behauptete, der sich in Redakteuren auskannte.
Da er aber außer seinem festen Gehalt von zweihundert Francs nur zehn Centimes für die Zeile bekam und da das Leben in den Boulevards, in den Cafés und Restaurants teuer war, so hatte er nie einen Sous in der Tasche und war verzweifelt über seine Armut.
Es steckt irgendein Kniff dahinter, dachte er, wenn er manche seiner Kollegen mit geldgefüllten Taschen sah, ohne je zu begreifen, welche geheimen Mittel sie wohl anwandten, um sich diesen Wohlstand zu verschaffen. Er witterte voller Neid irgendwelche heimlichen und verdächtigen Abmachungen, ein gegenseitiges Schmuggelsystem. Auch er mußte hinter das Geheimnis kommen, auch er wollte Mitglied dieser verschwiegenen Genossenschaft werden und sich den Kollegen, die ohne ihn die Beute teilten, aufdrängen. Und wenn er abends an seinem Fenster die Eisenbahnzüge vorüberfahren sah, dann träumte er oft von den Mitteln, die ihn diesem Ziele näherbringen konnten.
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