Die Elfen der Dämmerung: 3 dicke Fantasy Sagas auf 1500 Seiten. Frank RehfeldЧитать онлайн книгу.
Zeiten daran Interesse gezeigt hatte. Nun schlug dies ins genaue Gegenteil um; innerhalb kürzester Zeit versuchten sie fast schon gewaltsam, die bestehenden Verhältnisse umzukehren. Vielen von ihnen schien es dabei leider mehr auf eine Gelegenheit zur Profilierung anzukommen, als darauf, ob eine von wirklich die geeignetste Person für die entsprechende Aufgabe war.
Maziroc persönlich hatte noch nie Probleme damit gehabt, gleichberechtigt mit einer Hexe zusammenzuarbeiten, und er wusste, dass es auch den meisten anderen Magiern so ging. Sie alle waren bereit, den Hexen die Voraussetzungen zu bieten, alle ihre Stärken zu entfalten. Durch ihren Übereifer in letzter Zeit, der sich weit mehr auf Worte als auf Taten beschränkte, hatten sich die Vingala jedoch die Sympathien vieler verscherzt und den bestehenden Konflikt immer mehr verschärft.
Für den Elbenkönig, der diese Hintergründe nicht kannte, musste Shalanas Verhalten jedenfalls völlig unerklärlich sein. Möglicherweise betrachtete er es sogar als einen gegen ihn persönlich gerichteten Angriff
"Dies ist kaum der geeignete Moment, unsere Meinungsverschiedenheiten und Machtgeplänkel auszutragen, schon gar nicht in Gegenwart unserer Gäste", ergriff Charalon scharf das Wort. Ihn umgab eine so starke unsichtbare Aura von Autorität, wie Maziroc sie sonst bislang nur bei Eibon selbst erlebt hatte. Schon allein durch einen Blick oder eine winzige Nuance im Tonfall vermochte er beinahe jeden Widerstand im Keim zu ersticken, und diese Autorität setzte er jetzt mit aller Macht ein. "Durch solche Kindereien setzen wir nur den Ruf und die Integrität des gesamten Ordens aufs Spiel, weshalb ich mit allem Nachdruck darum bitte, sie vorerst zurückzustellen." Dabei blickte er Shalana an, die einen Moment lang mit sich rang. Dann schien sie einzusehen, dass jedes weitere Wort den Bogen überspannen würde. Sie ließ sich auf ihren Stuhl zurücksinken. Charalon wandte sich wieder an den Elbenkönig und nickte ihm zu. "Bitte, sprecht weiter Eibon Bel Churio", sagte er, angesichts der formellen Versammlung auch wieder die ehrenvolle Anrede wählend.
Der Elb zögerte noch einen kurzen Moment, dann nickte er ebenfalls. "Wie gesagt, anfangs glaubten wir, es handele sich um einen Raubzug der Hornmänner", fuhr er fort. "Wir haben Späher in das betroffene Gebiet gesandt, doch nur zwei von ihnen sind zurückgekehrt. Der eine von ihnen hat lediglich die Gerüchte über niedergebrannte Dörfer und Gehöfte bestätigen können und er hat zudem berichtet, er hätte mehrere Trupps erschlagener Barbarenkrieger weit nördlich der Grenze in der Nordermark entdeckt."
"Barbaren?", wiederholte Charalon stirnrunzelnd. "Schon seit mehr als einem Jahrhundert hat es keine nennenswerten Zwischenfälle mit ihnen mehr gegeben. Ihr glaubt, nun könnten sie einen Kriegszug gegen die Nordermark begonnen haben?"
"Das war unser erster Gedanke, als wir diesen Bericht hörten", bestätigte Eibon. "Aber es gibt mehrere Umstände, die nicht in dieses Bild passen und uns an dieser Version zweifeln lassen. Zunächst einmal haben die Barbaren bei all ihrer Wildheit und Grausamkeit stets hohe Ehrfurcht vor dem Leben von Kindern und Greisen gehabt. Sie würden sie niemals so gnadenlos niedermetzeln. Und sie würden auch niemals ihre eigenen Toten einfach so liegen lassen. Aufgrund ihres Ehrenkodex' würde jeder Barbar sein eigenes Leben riskieren, um den Leichnam eines gefallenen Kameraden zu bergen und ehrenvoll zu bestatten." Er machte eine kurze bedeutungsschwangere Pause. "Zudem handelte es sich um relativ kleine Gruppen", fügte er dann hinzu. "Deshalb glauben wir eher, dass es sich lediglich um Botentrupps handelte, die versucht haben, eine Nachricht an irgendwen zu überbringen. Möglicherweise handelte es sich bei diesem Ziel sogar um Cavillon oder die Hohe Festung, und möglicherweise bestand ihre Nachricht aus einer Bitte um Hilfe."
Aufgeregtes Getuschel klang im Gefolge seiner Worte auf. Auch Maziroc runzelte die Stirn und warf Charalon einen raschen, fragenden Blick zu, den dieser jedoch ebenso ratlos erwiderte. Zu überraschend waren die Worte des Elbenkönigs gekommen, zu unglaublich war seine Vermutung.
"Ich weiß zwar, dass vor allem durch Eure Bemühungen vor mehr als einem Jahrhundert ein Friedensvertrag zwischen den Elben und allen wichtigen Barbarenfürsten unterzeichnet wurde", ergriff Charalon wieder das Wort. Während der ersten Sekunden musste er fast brüllen, um das Gemurmel und Getuschel zu übertönen, doch sehr rasch breitete sich wieder Stille aus. "Aber es ist auch ein offenes Geheimnis, dass es sich um einen Frieden handelt, der fast nur auf dem Papier besteht, obwohl er - von einzelnen, unbedeutenden Zwischenfällen abgesehen - nie gebrochen wurde. Zwischen den Elben und den Barbaren bestehen keinerlei freundschaftliche Beziehungen; unseres Wissens nach gibt es sogar schon seit langer Zeit so gut wie gar keine Kontakte. Was lässt Euch da glauben, dass die Barbaren in friedlicher Absicht zu Euch unterwegs waren, Euch möglicherweise gar um Hilfe bitten wollten?"
"Eine sehr berechtigte Frage", warf Shalana ein.
"Auf die es eine einfache Antwort gibt", erwiderte der Elbenkönig. "Der Grund könnte eine unverhofft aufgetauchte Bedrohung sein, mit der die Barbaren allein nicht fertigwerden."
Erneut brach leichter Tumult als Antwort auf seine Worte aus, diesmal noch lauter und aufgeregter als zuvor.
"Was sollte das für eine Bedrohung sein, mit der nicht einmal die berüchtigten Barbarenkrieger fertig werden?", rief einer der Magier, und ein anderer ergänzte: "Abgesehen von Raubtieren und höchstens noch den Hornmännern, die sich aber hüten werden, die Grenze zu überschreiten, haben sie in den Südländern keinerlei Feinde!"
"Das ist nicht sicher. Immerhin weiß niemand von uns, wie es tiefer im Süden wirklich aussieht, da noch nie Späher von dort zurückgekehrt sind", ergriff auch Maziroc erstmals das Wort. "Aber ich schlage vor, wir lassen Eibon zunächst in Ruhe zu Ende erzählen. Vielleicht erledigen sich einige Fragen dadurch von selbst, und auf jeden Fall dürften wir auf diese Weise wesentlich schneller alles Wichtige erfahren, als wenn wir ihn nach jedem Satz unterbrechen. Schließlich sind wir keine kleinen Kinder mehr."
Die letzten Worte hatte er so scharf hervorgestoßen, dass mehrere der Anwesenden erschrocken zusammenzuckten und andere reichlich betroffene Gesichter machten. Maziroc wusste, dass er innerhalb des Ordens beinahe ebenso geachtet und geschätzt wurde wie Charalon, von manchen sogar jetzt schon mehr. Wenn Charalon irgendwann sterben oder aus Altersgründen von seinem Amt zurücktreten würde, gab es bereits jetzt keinen Zweifel daran, wer sein Nachfolger werden würde.
Eibon nickte ihm dankbar zu.
"Natürlich habe ich diese Vermutung nicht einfach so geäußert", sprach er weiter. "Wie ich anfangs schon erwähnte, haben wir noch von einem zweiten unserer Späher Nachricht bekommen, leider jedoch unter weit tragischeren Umständen. Der Mann hieß Selon. Schwer verletzt erreichte er vor fast zwei Wochen die Stadt Brelonia. Seine Verletzungen waren so schlimm, dass alle Heilkunst ihm nicht mehr helfen konnte. Er muss sich mit letzter Kraft bis nach Brelonia geschleppt haben und starb wenige Stunden später. Wie man uns berichtete, erzählte er vorher jedoch noch von furchtbaren, fremdartigen Ungeheuern, wie sie ihm noch nie zuvor begegnet wären. Sie hätten ein Dorf überfallen und ihm aufgelauert. Er befand sich im Fieberwahn und redete vermutlich eine Menge wirres Zeug. Andere Teile seines Berichts hingegen wirkten völlig klar, sodass sich als unmöglich erwies zu trennen, was die Wahrheit war und was nur seinem Delirium entsprang. Wenn uns seine Worte richtig übermittelt wurden, so muss er auf entsetzliche Dämonen gestoßen sein, die geradewegs aus der Hölle entsprungen zu sein schienen; Ungeheuer, wie noch niemand sie je gesehen hätte." Eibon räusperte sich und machte eine kurze Pause. "Wie gesagt, niemand kann sagen, wie viel von seinem Bericht der Wahrheit entspricht, und Selon selbst ist tot. Wir werden selber herausfinden müssen, was es mit diesen angeblichen Dämonen auf sich hat."
"Dämonen aus der Hölle, Ungeheuer, Sagengestalten ..." warf Shalana ein. "Bei allem Respekt, aber das klingt nicht gerade besonders glaubhaft, Eibon Bel Churio. Habt Ihr keinerlei konkreteren Hinweise als die Fieberphantastereien eines sterbenden Mannes?"
"Wenn ich sie hätte, so würde ich sie gerne vorlegen", erwiderte Eibon. "Es sind nur Indizien, aber in einer so geballten Menge, dass wir sie nicht auf die leichte Schulter nehmen sollten. Die Überfälle auf Dörfer, Gehöfte, Karawanen und sonstige Reisende sind verbürgt. Außerdem ist einer unserer Späher tot, und fast ein Dutzend weitere sind in diesem Gebiet spurlos verschwunden. Bitte denkt daran, dass wir hier nicht von ein paar Bauern sprechen, die sich auf ein Pferd setzen und einen Ausritt unternehmen,