Die Elfen der Dämmerung: 3 dicke Fantasy Sagas auf 1500 Seiten. Frank RehfeldЧитать онлайн книгу.
teilweise sogar hassten. Lediglich die Magier und Vingala bildeten eine Ausnahme. Wäre sie eine gewöhnliche Frau, würde keiner der Zwerge auch nur ein einziges Wort mit ihr wechseln. Auch als Vingala würde sie sich jedoch damit abfinden müssen, dass man ihr nicht gerade mit überschäumender Freundlichkeit oder gar Freundschaft begegnen würde. Die Hochachtung der Zwerge Maziroc gegenüber war eine rein persönliche Angelegenheit, die sich nur auf ihn allein erstreckte.
Eigentlich hatte Miranya erwartet, dass sie fast sofort einschlafen würde, sobald sie sich erst einmal hinsetzte, doch als sie nun am wärmenden Feuer kauerte, war ihre Müdigkeit, unter der sie den ganzen Tag über gelitten hatte, plötzlich wie weggefegt. Genau genommen hatte es sich wohl ohnehin mehr um Erschöpfung als um Müdigkeit gehandelt. Geschlafen hatte sie während der letzten Tage, die sie in der Höhle gefangen gewesen waren, mehr als genug.
Nach einiger Zeit, als die Stimmung durch den Alkohol bereits gelockert worden war, begann Maziroc wieder von der Zeit des ersten großen Krieges gegen die Damonen zu erzählen. Gebannt lauschte Miranya seinem Bericht, wie er mit Maziroc und Eibon in die Falle getappt war, die das einsame Gehöft darstellte, wie sie mit knapper Not gerade noch hatten entkommen können, bevor sie vollends zuschnappte, und natürlich wie er Kenran'Del kennengelernt hatte. Es war das erste Mal, dass er Näheres über den geheimnisvollen Mann erzählte, dessentwegen sie diese Reise überhaupt auf sich genommen hatten, weshalb sie ganz besonders interessiert zuhörte.
Allerdings war sie nicht die Einzige, der es so erging. Auch die Zwerge waren von seiner Erzählung offensichtlich gebannt, und Miranya war überzeugt, dass er nicht ohne Hinterabsichten gerade diese Episode ausgewählt hatte. Schließlich hatte er ihr erst am Mittag anvertraut, dass er versuchen würde, noch einmal mit Barkon zu reden, damit dieser ihn auf seine schnellere Art über den Luyan Dhor oder sogar bis zu der Zitadelle im Ödland von Sharolan brachte. Dafür jedoch war es nötig, den Zwergen zunächst noch einmal deutlich vor Augen zu führen, über welche Mittel Kenran'Del verfügte und was für ein wertvoller Verbündeter er deshalb sein würde.
Daran verschwendete Miranya jedoch nur wenige Gedanken. Viel zu sehr faszinierte sie das, was sie hörte. Eigentlich konnte Maziroc über diesen Kenran'Del nur wenig berichten, weil er selbst nur wenig über ihn wusste, aber bereits das Wenige, das sie gehört hatte, weckte in ihr den brennenden Wunsch, diese mysteriöse Person kennenzulernen. Sie hatte schon immer ein Faible für Geheimnisse gehabt, und wenn dieser Mann nicht geheimnisvoll war, dann gab es so etwas wie Romantik erst gar nicht mehr.
"Und anschließend bin ich dann zu euch nach Ravenhorst aufgebrochen", schloss Maziroc seine Erzählung. "Was dann geschah, dürftet ihr wissen, und auch, wohin alles geführt hat und welche katastrophalen Folgen sich daraus ergeben haben."
Die Gesichter einiger Zwerge verdunkelten sich bei diesen Worten, allen voran das von Barkon. Finster starrte er den Magier an. Ungerührt erwiderte Maziroc seinen Blick.
"Eine hübsche Geschichte", sagte der Zwerg schließlich. "Aber mehr auch nicht."
"Sogar wesentlich mehr", widersprach der Magier. "Jedes Wort davon ist wahr. Alles hat sich ganz genau so abgespielt, wie ich es erzählt habe. Kenran'Del ist nicht nur ein Mythos. Sogar eine Eurer eigenen damaligen Königinnen ist ihm begegnet. Er hat gelebt, und seit der damaligen Zeit liegt er in seiner Zitadelle im Ödland von Sharolan in magischem Schlaf. Alles ist wahr. Dafür verbürge ich mich, schließlich habe ich die damaligen Geschehnisse selbst miterlebt. Ihr werdet doch mein Wort nicht infrage stellen wollen, oder?"
Damit hatte er Barkon in eine Zwickmühle gebracht. Die auch weiterhin anhaltende Skepsis des Zwerges war unverkennbar, doch konnte er sie nicht mehr laut äußern, ohne Maziroc damit der offenen Lüge zu bezichtigen. Dies wäre nicht nur eine Beleidigung, sondern ein direkter Angriff auf seine Ehre. Akzeptierte er jedoch als Tatsache, was er gerade über Kenran'Del gehört hatte, würde es ihm fast unmöglich sein, Mazirocs Bitte nach einer ganz speziellen Hilfe abzulehnen und dies einleuchtend zu begründen. Anscheinend ahnte Barkon bereits, dass ihn eine entsprechende Bitte bald erwartete, sonst gäbe es keinen Grund für ihn, sich auf dieses Wortgefecht überhaupt einzulassen
"Dergleichen würde ich mir nie erlauben", antwortete er diplomatisch, nachdem er ein paar Sekunden überlegt hatte. "Aber das alles liegt sehr lange zurück, fast genau eintausend Jahre. Wir wissen, dass Ihr schon damals gelebt habt, Maziroc, und es heißt, dass die damaligen Ereignisse eng mit dem Grund für Eure Langlebigkeit oder gar Unsterblichkeit verbunden sind."
Er machte eine Pause und blickte den Magier wieder aufmerksam an, doch wenn er auf eine Bestätigung, einen Widerspruch oder gar eine ausgiebigere Erklärung gehofft hatte, so wurde er enttäuscht. Maziroc schien die unausgesprochene Frage nicht einmal bemerkt zu haben, denn er reagierte in keiner Form, zuckte nicht einmal mit den Schultern.
"Wie gesagt, Ihr habt damals schon gelebt, aber für den Rest der Welt liegt das alles in ferner Vergangenheit", sprach Barkon schließlich leicht verärgert weiter. "Vielen erscheint der große Krieg selbst schon nur noch wie eine Art Mythos, ebenso wie alle daran Beteiligten. Die Jahrhunderte haben die Grenzen zwischen Wahrheit, Dichtung und Mythos verwischt."
"Ich verstehe nicht, was Ihr mir zu sagen versucht", unterbrach Maziroc ihn. "Worauf wollt ihr hinaus? Bitte kommt zur Sache."
"Ich spreche davon, dass viel Zeit seit damals vergangen ist", erklärte der Zwerg mit erhobener Stimme. "Vieles ist passiert, auch für Euch. Ja, vielleicht sogar gerade für Euch, denn Ihr habt es ja selbst miterlebt. Reiche entstanden und gingen wieder zugrunde, Dynastien wurden gegründet und starben aus, ganze Völker gingen unter. Ihr habt vermutlich mehr Menschen als jeder andere getroffen. Euer Gedächtnis muss einen schier unglaublichen Schatz an Wissen enthalten. So viele Namen, so viele Gesichter, so viele Ereignisse. Und doch behauptet Ihr, Euch noch haargenau an die Begegnung mit diesem Kenran'Del zu erinnern und an beinahe jedes Wort, das Ihr aus zweiter Hand von Charalon über ihn erfahren habt." Er hob abwehrend die Hand. "Versteht mich nicht falsch, Maziroc, ich will keinesfalls behaupten, dass Ihr lügt. Aber könnte es nicht sein, dass sich Eure Erinnerungen im Laufe all der Jahrhunderte verändert haben, vielleicht ohne dass Ihr selbst es bemerkt habt? Vielleicht haben sich auch in Eurem Geist Wahrheit und Mythos untrennbar vermischt, was Ihr wirklich erlebt habt, und was Ihr Euch wünscht, erlebt zu haben. Wäre es nicht zumindest vorstellbar, dass dieser Kenran'Del einfach nur ein normaler Mensch war, vielleicht sogar magisch begabt, dass er aber erst in Eurer Erinnerung an ihn nach und nach unmerklich immer mehr zu einer fast übermenschlichen Erscheinung wurde?"
Totenstille folgte den Worten des Zwerges. Er hatte sich halbwegs diplomatisch aus der Zwickmühle gerettet und war seinerseits zum Angriff übergegangen, doch balancierte er dabei auf einem schmalen Grat. Er warf Maziroc keine direkte Lüge vor, zweifelte aber dennoch den Wahrheitsgehalt seiner Aussage an. Jemand mit weniger ausgeprägtem diplomatischem Fingerspitzengefühl mochte diesen feinen Unterschied nicht wahrnehmen und sich auch jetzt beleidigt fühlen. Dementsprechend waren alle Blicke voller Spannung auf Maziroc gerichtet.
Mehr als eine Minute saß der Magier völlig regungslos da und starrte vor sich auf den Boden, ohne durch irgendetwas zu erkennen zu geben, dass er überhaupt wahrnahm, was um ihn herum geschah. Als er schließlich doch noch reagierte, geschah dies auf völlig andere Art, als die meisten erwarten mochten. Seine Mundwinkel zogen sich in die Breite, und er begann, über das ganze Gesicht zu grinsen, als er zu Barkon aufblickte.
"Ihr seid wirklich unglaublich", stieß er lachend hervor. "Erst bezweifelt Ihr, dass es Kenran'Del überhaupt jemals gegeben hat, und äußert den Verdacht, ich hätte mir alles nur ausgedacht. Da Ihr mich jedoch nicht der Lüge bezichtigen wollt, nehmt Ihr diesen Vorwurf gleich darauf wieder zurück, nur um im gleichen Atemzug die Möglichkeit anzudeuten, ich wäre nicht mehr ganz richtig im Kopf. Jede dieser Attacken müsste mich kränken, und ich weiß nicht einmal, welche mich schwerer trifft, aber zugleich habt Ihr jedes Eurer Worte so sorgsam formuliert, dass Ihr bei strenger Betrachtung nicht den geringsten Verstoß gegen die Etikette begangen habt. Ein Geschick, das ich wahrlich bewundern muss. Aber auch all Euer rhetorisches Geschick wird nichts daran ändern, dass ich weiß, was ich erlebt habe. Und nicht nur ich. Auch der große Charalon erinnert sich in gleicher Form an alles. Er weiß von meinem Vorhaben, Kenran'Del aus seinem