Die Elfen der Dämmerung: 3 dicke Fantasy Sagas auf 1500 Seiten. Frank RehfeldЧитать онлайн книгу.
zumindest, soweit sie die Damonen und die mögliche Reaktion der Zwerge auf diese Bedrohung betrafen.
So sprachen sie nur über allgemeine Themen, dennoch war das Treffen für Maziroc recht informativ. Immerhin konnte er aus dem Verhalten der Zwerge entnehmen, wie sie zu ihm persönlich standen. So war unverkennbar, dass Shira ihm grollte. Sie sprach kaum ein Wort mit ihm, wich sogar seinen Blicken weitgehend aus und machte keinerlei Hehl daraus, dass dieses Mahl zusammen mit ihm für sie nur eine lästige Pflicht darstellte. Als religiöse Führerin der Zwerge war sie besondere Hochachtung gewöhnt, und deshalb würde sie ihm sein in ihren Augen äußerst ungebührliches Verhalten vom vergangenen Abend sicherlich noch lange nachtragen. Worum auch immer er bat, sie würde gegen ihn stimmen, so kurzsichtig ein solcher Standpunkt angesichts der Bedeutung seines Auftrags auch sein mochte.
Ganz anders verhielt es sich mit Garwin. Mit ihm hatte Maziroc sich schon bei seinen früheren Besuchen in Ravenhorst sehr gut verstanden. Als oberster Jagdherr verließ er die Stadt häufiger als alle anderen Könige, weshalb sein Denken offener und globaler und die extrem isolationistische Haltung bei ihm nicht ganz so stark ausgeprägt war. Höchstwahrscheinlich besaß Maziroc in ihm einen Fürsprecher und Verbündeten.
Farin, die Königin der Künste, hatte er erst einmal zuvor gesehen, kurz nachdem sie ihr Amt angetreten hatte, sodass er sie noch nicht recht einordnen konnte. Ihrem Verhalten entnahm er, dass sie eine weitgehend neutrale Haltung ihm gegenüber einzunehmen schien. Ähnlich verhielt es sich mit Naxon, dem König des Bergbaus, der ohnehin ziemlich zurückhaltend war und seine Gefühle und Gedanken nur selten preisgab.
Beide würden sich bei ihrem Urteil zu einem großen Teil danach richten, wie Borrus stimmte. Als Kriegerkönig fiel die anstehende Entscheidung ohnehin in erster Linie in sein Gebiet, weshalb zu erwarten war, dass Farin und Naxon sich ihm anschließen würden, wenn sie nicht doch noch eine ausgeprägtere eigene Meinung in dieser Angelegenheit entwickeln würden.
Letztlich hing also alles hauptsächlich von Borrus ab. Bislang schien er der Bitte um Hilfe nicht allzu wohlgesonnen gegenüber zu stehen, doch war er als durch und durch aufrichtig bekannt, sodass man bei ihm darauf vertrauen durfte, dass er seine Entscheidung nach bestem Wissen und Gewissen fällen würde, ohne sich durch persönliche Sympathien oder Antipathien beeinflussen zu lassen. Deshalb würde er sich seine endgültige Meinung erst bilden, wenn die Drachenreiter zurückgekehrt waren und Bericht erstattet hatten.
So waren die Positionen wenigstens einigermaßen geklärt, wenn auch immer noch völlig offen war, wie die Entscheidung der Könige letztlich ausfallen würde.
Nach dem Mahl spielte Maziroc kurz mit dem Gedanken, Shira einen Besuch in ihrem Tempel abzustatten, um unter vier Augen mit ihr zu sprechen und sich für seinen Temperamentsausbruch vom Vortag zu entschuldigen. Je länger er darüber nachdachte, desto deutlicher wurde ihm jedoch bewusst, dass es nichts nützen würde, und so verwarf er die Idee schließlich wieder. Er hatte sich nichts vorzuwerfen, wofür er sich entschuldigen müsste. Vielleicht waren sein Tonfall und die Wahl seiner Worte nicht ganz angemessen gewesen, doch er hatte niemanden beleidigt. Würde er sich bei Shira dennoch entschuldigen, würde sie diese Geste als genau das erkennen, was sie auch darstellte, nämlich einen ziemlich plumpen Versuch, sich bei ihr anzubiedern, um ihre Stimme zu erhalten. Anschließend würde sie ihn nur noch mehr verachten und sich erst recht in ihrer Ansicht bestätigt sehen, dass die Menschen die Hilfe der Zwerge gar nicht verdient hätten.
Am späten Nachmittag entdeckte er wieder einen dunklen Punkt am Himmel. Erneut blickte er durch das ringförmige Skiil, und diesmal handelte es sich tatsächlich um einen Drachen. Es war ein gewaltiges Tier mit einem von grünlichen Schuppen bedeckten Leib, der ohne den sich noch meterweit anschließenden Schwanz sicherlich zwanzig Meter maß und gut acht oder neun Meter breit war. Die Flügelspannweite des Drachen betrug bei ganz ausgebreiteten Schwingen sicherlich siebzig, achtzig Meter.
Noch war das Tier zu weit entfernt, als dass er trotz des Skiils Einzelheiten erkennen könnte, doch es war offensichtlich, dass etwas nicht stimmte. Der Flug des Drachen war unruhig und taumelnd. Nichts war mehr von dem majestätischen, eleganten Dahingleiten zu entdecken, wie er es von den Tieren in Erinnerung hatte, dafür schlug der Drache viel zu oft und hektisch mit den Schwingen.
Nach einigen Sekunden fiel Maziroc auf, dass dies vor allem für den rechten Flügel galt, während das Tier den linken kaum bewegte. Allerdings hing dieser leicht herab. Wenn nicht schon die bloße Vorstellung bei einem solchen Giganten der Lüfte, dem nichts gefährlich werden konnte, geradezu absurd anmuten würde, hätte man glauben können, der Drache wäre verletzt.
Maziroc beobachtete den taumelnden Flug des sich allmählich nähernden Tieres noch ein paar weitere Sekunden lang, und sein Eindruck verstärkte sich immer mehr. Der Drache war verletzt, der linke Flügel anscheinend zumindest gebrochen, wenn nicht sogar noch schlimmer in Mitleidenschaft gezogen.
Auf ganz Arcana gab es kein einziges Tier, das einen ausgewachsenen Drachen angreifen würde, weil es nicht den Hauch einer Chance hätte; nicht einmal am Boden, und schon gar nicht in der Luft, dem angestammten Lebensraum der Drachen, den sie allein beherrschten. Wenn dieses Tier nun dennoch verletzt war, ließ das nur zwei Schlüsse zu. Entweder hatte es einen Unfall gegeben, und der Drache war beispielsweise durch eine jähe Bö oder einen plötzlichen Wechsel im Spiel von Auf- und Fallwinden in der Nähe einer Bergklippe aus der Flugbahn gebracht und gegen die Felsen geschleudert worden, wie es gelegentlich vorkam, wenn auch nur selten.
Oder aber er war von einem Feind angegriffen worden, wie man ihn bislang auf Arcana noch nicht gekannt hatte!
Besorgt ließ Maziroc das Skiil sinken. Nur weil er bei dem Kampf an dem Gehöft keine fliegenden Kreaturen gesehen hatte, bedeutete das noch nicht, dass keine der zahlreichen verschiedenen Rassen, aus denen sich die Streitmacht der Damonen zusammensetzte, dazu in der Lage war. Diese Möglichkeit hatte er vorher gar nicht weiter bedacht, doch selbst wenn, hätte es vermutlich nichts geändert. Verglichen mit einem Drachen wirkten selbst die Damonen winzig und harmlos, und er wäre nicht im Traum auf den Gedanken gekommen, dass sie einen der geschuppten Urzeit-Giganten angreifen und womöglich gar in Bedrängnis bringen könnten.
Mit raschen Schritten machte sich der Magier auf den Weg zum Drachengehege, wo das verletzte Tier landen würde. Wenn irgend möglich wollte er sehen, wie schwer es verwundet war und direkt erfahren, was passiert war, statt es nur aus zweiter Hand berichtet zu bekommen.
An dem Gehege herrschte bereits große Aufregung. Auch hier hatte man den herannahenden Drachen längst bemerkt und erkannt, dass etwas nicht stimmte. Kaum jemand beachtete Maziroc, und vor allem hielt ihn in dem Durcheinander niemand auf, wie er es gehofft hatte. Die Blicke der meisten anwesenden Zwerge waren nach oben gerichtet, wo der Drache mittlerweile über dem Ashran schwebte und sich in spiralförmig enger werdenden Kreisen auf den Landplatz herab senkte.
Nun war auch deutlich zu erkennen, dass das Tier schwerer verletzt war, als Maziroc zuvor angenommen hatte. Der Flügel war nicht nur gebrochen, sondern die Haut, die sich über den Knochen spannte, war stellenweise regelrecht zerfetzt worden. Aber auch am übrigen Körper hatte der Drache überall mehr oder weniger schlimme Wunden davongetragen. Sein Leib war überall mit getrocknetem Blut besudelt, das einst prächtige Schuppenkleid wies mehrere große, hässliche Löcher auf.
Auch die gewaltige korbartige Konstruktion, die auf seinem Rücken befestigt war, und in der mehrere Dutzend Zwerge Platz fanden, war beschädigt. In der Umhüllung klafften Lücken, und das gesamte Gestell war ein Stück zur Seite verrutscht.
Der Sinkflug des Drachen wurde immer unsicherer, je mehr er sich dem Ashran näherte und von den Aufwinden durchgeschüttelt wurde. Manchmal sackte er mehrere Meter auf einmal durch und wurde dabei zur Seite abgetrieben, sodass es seinem Reiter, der auf einem speziellen Sitz unmittelbar hinter seinem Kopf saß, nur mit Mühe gelang, einen Sturz zu vermeiden und das Tier wieder auf den richtigen Kurs zurück zu lenken.
Schließlich berührten die Krallen des Drachen den Boden. Das Tier machte einige hoppelnde Schritte und versuchte, das Gleichgewicht zu halten. Dabei berührte es mit dem verletzten Flügel den Boden. Vor Schmerz stieß es ein schrilles Brüllen aus und bäumte sich auf.